Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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das dünkt mich von der Art der Pries­ter: was wol­len die in mei­nem Rei­che?

      Wie! Kaum bin ich je­nem Zau­be­rer ent­ron­nen: muss mir da wie­der ein an­de­rer Schwarz­künst­ler über den Weg lau­fen, –

      – ir­gend ein He­xen­meis­ter mit Hand­auf­le­gen, ein dunk­ler Wun­dert­hä­ter von Got­tes Gna­den, ein ge­salb­ter Welt-Ver­leum­der, den der Teu­fel ho­len möge!

      Aber der Teu­fel ist nie am Plat­ze, wo er am Plat­ze wäre: im­mer kommt er zu spät, die­ser ver­ma­le­dei­te Zwerg und Klump­fuss!« –

      Also fluch­te Za­ra­thustra un­ge­dul­dig in sei­nem Her­zen und ge­dach­te, wie er ab­ge­wand­ten Blicks an dem schwar­zen Man­ne vor­über­schlüp­fe: aber sie­he, es kam an­ders. Im glei­chen Au­gen­bli­cke näm­lich hat­te ihn schon der Sit­zen­de er­blickt; und nicht un­ähn­lich ei­nem Sol­chen, dem ein un­ver­mu­the­tes Glück zu­stösst, sprang er auf und gieng auf Za­ra­thustra los.

      »Wer du auch bist, du Wan­ders­mann, sprach er, hilf ei­nem Ver­irr­ten, ei­nem Su­chen­den, ei­nem al­ten Man­ne, der hier leicht zu Scha­den kommt!

      Die­se Welt hier ist mir fremd und fern, auch hör­te ich wil­de Thie­re heu­len; und Der, wel­cher mir hät­te Schutz bie­ten kön­nen, der ist sel­ber nicht mehr.

      Ich such­te den letz­ten from­men Men­schen, einen Hei­li­gen und Ein­sied­ler, der al­lein in sei­nem Wal­de noch Nichts da­von ge­hört hat­te, was alle Welt heu­te weiss.«

      »Was weiss heu­te alle Welt? frag­te Za­ra­thustra. Etwa diess, dass der alte Gott nicht mehr lebt, an den alle Welt einst ge­glaubt hat?«

      »Du sagst es, ant­wor­te­te der alte Mann be­trübt. Und ich diente die­sem al­ten Got­te bis zu sei­ner letz­ten Stun­de.

      Nun aber bin ich aus­ser Dienst, ohne Herrn, und doch nicht frei, auch kei­ne Stun­de mehr lus­tig, es sei denn in Erin­ne­run­gen.

      Dazu stieg ich in die­se Ber­ge, dass ich end­lich wie­der ein Fest mir mach­te, wie es ei­nem al­ten Paps­te und Kir­chen-Va­ter zu­kommt: denn wis­se, ich bin der letz­te Papst! – ein Fest from­mer Erin­ne­run­gen und Got­tes­diens­te.

      Nun aber ist er sel­ber todt, der frömms­te Mensch, je­ner Hei­li­ge im Wal­de, der sei­nen Gott be­stän­dig mit Sin­gen und Brum­men lob­te.

      Ihn sel­ber fand ich nicht mehr, als ich sei­ne Hüt­te fand, – wohl aber zwei Wöl­fe dar­in, wel­che um sei­nen Tod heul­ten – denn alle Thie­re lieb­ten ihn. Da lief ich da­von.

      Kam ich also um­sonst in die­se Wäl­der und Ber­ge? Da ent­schloss sich mein Herz, dass ich einen An­de­ren such­te, den Frömms­ten al­ler De­rer, die nicht an Gott glau­ben –, dass ich Za­ra­thustra such­te!«

      Also sprach der Greis und blick­te schar­fen Au­ges Den an, wel­cher vor ihm stand; Za­ra­thustra aber er­griff die Hand des al­ten Paps­tes und be­trach­te­te sie lan­ge mit Be­wun­de­rung.

      »Sie­he da, du Ehr­wür­di­ger, sag­te er dann, wel­che schö­ne und lan­ge Hand! Das ist die Hand ei­nes Sol­chen, der im­mer Se­gen aus­get­heilt hat. Nun aber hält sie Den fest, wel­chen du suchst, mich, Za­ra­thustra.

      Ich bin’s, der gott­lo­se Za­ra­thustra, der da spricht: wer ist gott­lo­ser als ich, dass ich mich sei­ner Un­ter­wei­sung freue?« –

      Also sprach Za­ra­thustra und durch­bohr­te mit sei­nen Bli­cken die Ge­dan­ken und Hin­ter­ge­dan­ken des al­ten Paps­tes. End­lich be­gann die­ser:

      »Wer ihn am meis­ten lieb­te und be­sass, der hat ihn nun am meis­ten auch ver­lo­ren –:

      – sie­he, ich sel­ber bin wohl von uns Bei­den jetzt der Gott­lo­se­re? Aber wer könn­te dar­an sich freu­en!« –

      »Du dientest ihm bis zu­letzt, frag­te Za­ra­thustra nach­denk­lich, nach ei­nem tie­fen Schwei­gen, du weisst, wie er starb? Ist es wahr, was man spricht, dass ihn das Mit­lei­den er­würg­te,

      – dass er es sah, wie der Men­sch am Kreu­ze hieng, und es nicht er­trug, dass die Lie­be zum Men­schen sei­ne Höl­le und zu­letzt sein Tod wur­de?« – –

      Der alte Papst aber ant­wor­te­te nicht, son­dern blick­te scheu und mit ei­nem schmerz­li­chen und düs­te­ren Aus­dru­cke zur Sei­te.

      »Lass ihn fah­ren, sag­te Za­ra­thustra nach ei­nem lan­gen Nach­den­ken, in­dem er im­mer noch dem al­ten Man­ne ge­ra­de in’s Auge blick­te.

      Lass ihn fah­ren, er ist da­hin. Und ob es dich auch ehrt, dass du die­sem Tod­ten nur Gu­tes nach­re­dest, so weisst du so gut als ich, wer er war; und dass er wun­der­li­che Wege gieng.«

      »Un­ter drei Au­gen ge­spro­chen, sag­te er­hei­tert der alte Papst (denn er war auf Ei­nem Auge blind), in Din­gen Got­tes bin ich auf­ge­klär­ter als Za­ra­thustra sel­ber – und darf es sein.

      Mei­ne Lie­be diente ihm lan­ge Jah­re, mein Wil­le gieng al­lem sei­nen Wil­len nach. Ein gu­ter Die­ner aber weiss Al­les, und Man­cher­lei auch, was sein Herr sich selbst ver­birgt.

      Es war ein ver­bor­ge­ner Gott, vol­ler Heim­lich­keit. Wahr­lich zu ei­nem Soh­ne so­gar kam er nicht an­ders als auf Schleich­we­gen. An der Thür sei­nes Glau­bens steht der Ehe­bruch.

      Wer ihn als einen Gott der Lie­be preist, denkt nicht hoch ge­nug von der Lie­be sel­ber. Woll­te die­ser Gott nicht auch Rich­ter sein? Aber der Lie­ben­de liebt jen­seits von Lohn und Ver­gel­tung.

      Als er jung war, die­ser Gott aus dem Mor­gen­lan­de, da war er hart und rach­süch­tig und er­bau­te sich eine Höl­le zum Er­göt­zen sei­ner Lieb­lin­ge.

      End­lich aber wur­de er alt und weich und mür­be und mit­lei­dig, ei­nem Gross­va­ter ähn­li­cher als ei­nem Va­ter, am ähn­lichs­ten aber ei­ner wa­cke­li­gen al­ten Gross­mut­ter.

      Da sass er, welk, in sei­nem Ofen­win­kel, härm­te sich ob sei­ner schwa­chen Bei­ne, welt­mü­de, wil­lens­mü­de, und er­stick­te ei­nes Tags an sei­nem all­zu­gros­sen Mit­lei­den.« – –

      »Du al­ter Papst, sag­te hier Za­ra­thustra da­zwi­schen, hast du Das mit Au­gen an­ge­sehn? Es könn­te wohl so ab­ge­gan­gen sein: so, un­d auch an­ders. Wenn Göt­ter ster­ben, ster­ben sie im­mer vie­le Ar­ten To­des.

      Aber wohl­an! So oder so, so und so – er ist da­hin! Er gieng mei­nen Ohren und Au­gen wi­der den Ge­schmack, Schlim­me­res möch­te ich ihm nicht nach­sa­gen.

      Ich lie­be Al­les, was hell blickt und red­lich re­det. Aber er – du weisst es ja, du al­ter Pries­ter, es war Et­was von dei­ner Art an ihm, von Pries­ter-Art – er war viel­deu­tig.

      Er war auch un­deut­lich. Was hat er uns darob ge­zürnt, die­ser Zorn­schnau­ber, dass wir ihn schlecht ver­stan­den Aber warum sprach er nicht rein­li­cher?

      Und lag es an un­sern Ohren, warum gab er uns Ohren, die ihn schlecht hör­ten? War Schlamm in un­sern Ohren, wohl­an! wer leg­te ihn hin­ein?

      Zu Vie­les miss­rieth ihm, die­sem Töp­fer, der nicht aus­ge­lernt hat­te! Dass er aber Ra­che an sei­nen Töp­fen und Ge­schöp­fen nahm, da­für dass sie ihm schlecht ge­rie­then, – das war eine Sün­de wi­der den gu­ten Ge­schmack.

      Es giebt auch in der Fröm­mig­keit gu­ten Ge­schmack: der sprach end­lich »Fort mit ei­nem sol­chen Got­te!


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