Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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doch, was blieb dir auf­ge­spart? Du hast Au­gen und Hand und Mund, die sind zum Seg­nen vor­her be­stimmt seit Ewig­keit. Man seg­net nicht mit der Hand al­lein.

      In dei­ner Nähe, ob du schon der Gott­lo­ses­te sein willst, wit­te­re ich einen heim­li­chen Weih- und Wohl­ge­ruch von lan­gen Seg­nun­gen: mir wird wohl und wehe da­bei.

      Lass mich dei­nen Gast sein, oh Za­ra­thustra, für eine ein­zi­ge Nacht! Nir­gends auf Er­den wird es mir jetzt woh­ler als bei dir!« –

      »Amen! So soll es sein! sprach Za­ra­thustra mit gros­ser Ver­wun­de­rung, dort hin­auf führt der Weg, da liegt die Höh­le Za­ra­thustra’s.

      Ger­ne, für­wahr, wür­de ich dich sel­ber da­hin ge­lei­ten, du Ehr­wür­di­ger, denn ich lie­be alle from­men Men­schen. Aber jetzt ruft mich ei­lig ein Noth­schrei weg von dir.

      In mei­nem Be­rei­che soll mir Nie­mand zu Scha­den kom­men; mei­ne Höh­le ist ein gu­ter Ha­fen. Und am liebs­ten möch­te ich jed­we­den Trau­ri­gen wie­der auf fes­tes Land und fes­te Bei­ne stel­len.

      Wer aber näh­me dir dei­ne Schwer­muth von der Schul­ter? Dazu bin ich zu schwach. Lan­ge, wahr­lich, möch­ten wir war­ten, bis dir Ei­ner dei­nen Gott wie­der auf­weckt.

      Die­ser alte Gott näm­lich lebt nicht mehr: der ist gründ­lich todt.« –

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Der hässlichste Mensch

      – Und wie­der lie­fen Za­ra­thustra’s Füs­se durch Ber­ge und Wäl­der, und sei­ne Au­gen such­ten und such­ten, aber nir­gends war Der zu se­hen, wel­chen sie sehn woll­ten, der gros­se Noth­lei­den­de und Noth­schrei­en­de. Auf dem gan­zen Wege aber frohlock­te er in sei­nem Her­zen und war dank­bar. »Wel­che gu­ten Din­ge, sprach er, schenk­te mir doch die­ser Tag, zum Ent­gelt, dass er schlimm be­gann! Wel­che selt­sa­men Un­ter­red­ner fand ich!

      An de­ren Wor­ten will ich lan­ge nun kau­en gleich als an gu­ten Kör­nern; klein soll mein Zahn sie mah­len und mal­men, bis sie mir wie Milch in die See­le flies­sen!« – –

      Als aber der Weg wie­der um einen Fel­sen bog, ver­än­der­te sich mit Ei­nem Male die Land­schaft, und Za­ra­thustra trat in ein Reich des To­des. Hier starr­ten schwar­ze und ro­the Klip­pen em­por: kein Gras, kein Baum, kei­ne Vo­gel­stim­me. Es war näm­lich ein Thal, wel­ches alle Thie­re mie­den, auch die Raubt­hie­re-, nur dass eine Art häss­li­cher, di­cker, grü­ner Schlan­gen, wenn sie alt wur­den, hier­her ka­men, um zu ster­ben. Da­rum nann­ten diess Thal die Hir­ten: Schlan­gen-Tod.

      Za­ra­thustra aber ver­sank in eine schwar­ze Erin­ne­rung, denn ihm war, als habe er schon ein Mal in die­sem Thal ge­stan­den. Und vie­les Schwe­re leg­te sich ihm über den Sinn: also, dass er lang­sam gieng und im­mer lang­sa­mer und end­lich still stand. Da aber sahe er, als er die Au­gen auf­t­hat, Et­was, das am Wege sass, ge­stal­tet wie ein Mensch und kaum wie ein Mensch, et­was Unaus­sprech­li­ches. Und mit Ei­nem Schla­ge über­fiel Za­ra­thustra die gros­se Scham darob, dass er so Et­was mit den Au­gen an­ge­sehn habe: er­rö­thend bis hin­auf an sein weis­ses Haar, wand­te er den Blick ab und hob den Fuss, dass er die­se schlim­me Stel­le ver­las­se. Da aber wur­de die tod­te Öde laut: vom Bo­den auf näm­lich quoll es gur­gelnd und rö­chelnd, wie Was­ser Nachts durch ver­stopf­te Was­ser-Röh­ren gur­gelt und rö­chelt; und zu­letzt wur­de dar­aus eine Men­schen-Stim­me und Men­schen-Rede: – die lau­te­te also.

      »Za­ra­thustra! Za­ra­thustra! Ra­the mein Räth­sel! Sprich, sprich! Was ist die Ra­che am Zeu­gen?

      Ich lo­cke dich zu­rück, hier ist glat­tes Eis! Sieh zu, sieh zu, ob dein Stolz sich hier nicht die Bei­ne bricht!

      Du dünkst dich wei­se, du stol­zer Za­ra­thustra! So rat­he doch das Räth­sel, du har­ter Nüs­se­knacker, – das Räth­sel, das ich bin! So sprich doch – wer bin ich! «

      – Als aber Za­ra­thustra die­se Wor­te ge­hört hat­te, – was glaubt ihr wohl, dass sich da mit sei­ner See­le zu­trug? Das Mit­lei­den fiel ihn an; und er sank mit Ei­nem Male nie­der, wie ein Eich­baum, der lan­ge vie­len Holz­schlä­gern wi­der­stan­den hat, – schwer, plötz­lich, zum Schre­cken sel­ber für Die, wel­che ihn fäl­len woll­ten. Aber schon stand er wie­der vom Bo­den auf, und sein Ant­litz wur­de hart.

      »Ich er­ken­ne dich wohl, sprach er mit ei­ner er­ze­nen Stim­me: du bist der Mör­der Got­tes! Lass mich gehn.

      Du er­trugst Den nicht, der dich sah, – der dich im­mer und durch und durch sah, du häss­lichs­ter Mensch! Du nahmst Ra­che an die­sem Zeu­gen!«

      Also sprach Za­ra­thustra und woll­te da­von; aber der Unaus­sprech­li­che fass­te nach ei­nem Zip­fel sei­nes Ge­wan­des und be­gann von Neu­em zu gur­geln und nach Wor­ten zu su­chen. »Bleib!« sag­te er end­lich –

      – bleib! Geh nicht vor­über! Ich er­rieth, wel­che Axt dich zu Bo­den schlug: Heil dir, oh Za­ra­thustra, dass du wie­der stehst!

      Du er­rie­thest, ich weiss es gut, wie Dem zu Mu­the ist, der ihn töd­te­te, – dem Mör­der Got­tes. Bleib! Set­ze dich her zu mir, es ist nicht um­sonst.

      Zu wem woll­te ich, wenn nicht zu dir? Bleib, set­ze dich! Bli­cke mich aber nicht an! Ehre also – mei­ne Häss­lich­keit!

      Sie ver­fol­gen mich: nun bist du mei­ne letz­te Zuf­lucht. Nicht mit ih­rem Has­se, nicht mit ih­ren Hä­schern: – oh sol­cher Ver­fol­gung wür­de ich spot­ten und stolz und froh sein!

      War nicht al­ler Er­folg bis­her bei den Gut-Ver­folg­ten? Und wer gut ver­folgt, lernt leicht fol­gen: – ist er doch ein­mal – hin­ter­her! Aber ihr Mit­lei­d ist’s –

      – ihr Mit­leid ist’s, vor dem ich flüch­te und dir zu­flüch­te. Oh Za­ra­thustra, schüt­ze mich, du mei­ne letz­te Zuf­lucht, du Ein­zi­ger, der mich er­rieth:

      – du er­rie­thest, wie Dem zu Mu­the ist, wel­cher ih­n töd­te­te. Bleib! Und willst du gehn, du Un­ge­dul­di­ger: geh nicht den Weg, den ich kam. Der Weg ist schlecht.

      Zürnst du mir, dass ich zu lan­ge schon rede-rade-bre­che? Dass ich schon dir rat­he? Aber wis­se, ich bin’s, der häss­lichs­te Mensch,

      – der auch die gröss­ten schwers­ten Füs­se hat. Wo ich gieng, ist der Weg schlecht. Ich tre­te alle Wege todt und zu Schan­den.

      Dass du aber an mir vor­über­giengst, schwei­gend; dass du er­rö­the­test, ich sah es wohl: dar­an er­kann­te ich dich als Za­ra­thustra.

      Jed­we­der An­de­re hät­te mir sein Al­mo­sen zu­ge­wor­fen, sein Mit­lei­den, mit Blick und Rede. Aber dazu – bin ich nicht Bett­ler ge­nug, das er­rie­thest du –

      – dazu bin ich zu reich , reich an Gros­sem, an Furcht­ba­rem, am Häss­lichs­ten, am Unaus­sprech­lichs­ten! Dei­ne Scham, oh Za­ra­thustra, ehr­te mich!

      Mit Noth kam ich her­aus aus dem Ge­dräng der Mit­lei­di­gen, – dass ich den Ein­zi­gen fän­de, der heu­te lehrt »Mit­lei­den ist zu­dring­lich« – dich, oh Za­ra­thustra!

      – sei es ei­nes Got­tes, sei es der Men­schen Mit­lei­den: Mit­lei­den geht ge­gen die Scham. Und nicht-hel­fen-wol­len kann vor­neh­mer sein als jene Tu­gend, die zu­springt.

      Das aber heisst heu­te Tu­gend sel­ber bei al­len


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