Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding

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Die wichtigsten Werke von Oskar Meding - Oskar  Meding


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— sind wir Soldaten nicht die schwarze Wolke, die da fortzieht aus dem freundlichen Mondlicht, um Unheil und Verderben zu verbreiten und so viele Hoffnungen zu zerstören? — Und trifft uns vielleicht selbst nicht der Blitz, der im Schooße der Wolke ruht?«

      »O, daß es menschlicher Macht vergönnt wäre,« rief die Tochter des Pfarrers lebhaft, »den Zug der Wolken zu lenken und das Schicksal der Menschen zu Licht und Frieden zu führen — doch,« sagte sie nach einer Pause — »wie das silberne Mondlicht sich dort auf die schwarze Wolke legt, so können wir mit unseren Wünschen und Gebeten Diejenigen begleiten, welche der Sturm des Schicksals in die unbekannten Fernen zieht — und das ist der Trost Derer, die zurückbleiben.« —

      Der Lieutenant schwieg. Sein Auge haftete mit träumerischem Erstaunen auf den wunderbar belebten Zügen des jungen Mädchens, das im weichen Licht wie von Verklärung übergossen vor ihm stand, er trat langsam einen Schritt näher zu ihr hin — da schwieg der Gesang, laute Stimmen und Gläserklirren tönte vom Hofe herüber und die Töchter des Oberamtmanns traten auf die Terrasse. Der Lieutenant und Helene wendeten sich rasch um und gingen ihnen entgegen.

      Der Oberamtmann war auf den Flur getreten und dankte nochmals allen Sängern herzlich für die Freude, die sie ihm gemacht, indem er sie zugleich aufforderte, sich nach dem Gesange den Gaumen anzufeuchten — dann mischte sich die ganze Gesellschaft unter die Gruppen der Bauern und laute fröhliche Unterhaltung, helles Lachen und klirrendes Anstoßen schallte durch den weiten Hof.

      Der Lieutenant war langsam in den Saal getreten und blieb dort eine Weile ernst und nachdenklich stehen, während seine Schwestern mit der Tochter des Pfarrers zu den jungen Mädchen des Dorfes traten und mit Allen freundliche Worte wechselten.

      Auch der Regierungsassessor trat zu den jungen Bauern und wußte den Ton der Unterhaltung mit ihnen ganz gut zu treffen, hatte er doch seine Jugend unter ihnen verlebt — auch sprachen sie offen und ohne Zurückhaltung mit ihm, aber es war eine gewisse feierliche, ceremonielle Unterhaltung, welche in ruhigem Tone geführt wurde und welche sich langsam und gemessen von einer Gruppe zur andern fortsetzte.

      Laute Fröhlichkeit aber begrüßte den Lieutenant, als er nach einiger Zeit ebenfalls in den Hof trat und von seinem Jugendgespielen Fritz Deyke begleitet unter den jungen Bauern umherging, die sich in straffer militärischer Haltung vor ihm aufstellten, nach der Anweisung einiger älterer gedienter Kavalleristen.

      So war Alles Leben und Fröhlichkeit. Endlich sah sich der Lieutenant von einer Gruppe junger Leute umgeben, als deren Wortführer Fritz Deyke ihm einen Wunsch vorzutragen schien. Der Lieutenant lachte, nickte zustimmend mit dem Kopf und trat dann zu seinem Vater:

      »Die Leute möchten gern das Hannoveranerlied singen, Papa, aber sie wollen, daß Du es ihnen besonders erlaubst, sie wissen nicht, ob es sich schickt, wie sie sagen.«

      »Ob es sich schickt?« rief der Oberamtmann heiter und laut, »gewiß schickt es sich und gleich sollen sie anfangen.«

      Fritz Deyke, der dem Lieutenant gefolgt war, eilte zu den andern Burschen, diese stellten sich im Halbkreis vor die Thür des Hauses und bald erscholl jenes eigentümliche Lied, dessen Textworte kaum verständlich sind und oft ad libitum verändert werden, das aber von den hannöverischen Bauern und Soldaten bei jeder fröhlichen Gelegenheit mit besonderer Vorliebe gesungen wird.

      Der Oberamtmann freute sich von Herzen des fröhlichen Liedes, das die munteren Burschen mit aller Kraft ihrer Lungen erklingen ließen. Er und der Lieutenant sangen den Refrain mit und

      »Da sah'n wir von Weiten

       Unsern König schon reiten,

       Er rief nach seinem Brigadier,

       Lustige Hannoveraner seien wir.«

      erklang es laut in die Nacht hinein vom alten Amtshause zu Blechow.

      Dann zogen langsam und in lauter Unterhaltung die Sänger und die Neugierigen nach dem Dorfe zurück, der Pastor und seine Tochter verabschiedeten sich, um nach dem stillen Pfarrhause zurückzukehren, und bald lag das Schloß in tiefem Schatten und stiller Ruhe.

      Frau von Wendenstein küßte ihren jüngsten Sohn innig auf die Stirn, als er ihr gute Nacht sagte, und leise flüsterten ihre Lippen, als sie sich zurückzog:

      »Wer nur den lieben Gott läßt walten

       Und hoffet auf Ihn alle Zeit,

       Den wird Er wunderbar erhalten

       In aller Noth und Fährlichkeit.«

      Der Lieutenant aber saß noch lange schweigend und nachdenkend auf dem altertümlichen tiefen Lehnstuhl in seiner Schlafkammer, und als er endlich zu Bett gegangen und eingeschlafen war, sah er sich im Traum auf einer schwarzen Wolke vom Sturmwind erfaßt, weiter und weiter in die Ferne getragen, Blitze zuckten um ihn her und der Donner umbrauste ihn, und immer weiter zog es ihn fort von der hellen leuchtenden Mondscheibe, die ihm ihren milden Strahl nachsandte.

      Drittes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Zahlreiche Equipagen eilten dem Ballhofsplatze hinter der kaiserlichen Hofburg in Wien zu und hielten nach einander vor dem durch zwei große Gaslaternen hell erleuchteten Portal der Staatskanzlei. Vornehm rollten große Karossen mit Kutschern und Lakaien in den verschiedensten Livreen heran, der Portier in dem langen hellblauen goldgestickten Rock mit dem großen Stabe eilte an die Schläge, die Damen in reicher Soiréetoilette, in weite Mäntel und Capuchons eingehüllt, entstiegen den Wagen und eilten durch das große Portal, um rechts die mächtige Treppe hinaufzusteigen zu den oberen Räumen des weiten Palais, in welchem Kaunitz und Metternich das ›Austria est imperatura orbi universo‹ zur Wahrheit zu machen gestrebt hatten und welches jetzt der Feldmarschalllieutenant Graf Mensdorff-Pouilly als Minister des kaiserlichen Hauses und des Aeußern bewohnte.

      Dazwischen fuhren »fesche« Fiaker an, welche die Herren in Wien, und wenn sie die schönsten Marställe besitzen, ausschließlich zum Gebrauche in der Stadt benutzen, und der Portier eilte ihnen nicht minder eifrig entgegen, als den vornehmen Equipagen.

      Einem dieser Fiaker entstieg ein junger Offizier in der bunten, kleidsamen, in Grün, Scharlach und Gold schimmernden Ulanen-Uniform. Er zog den großen weißen Mantel aus, warf ihn in den Wagen zurück und befahl dem Kutscher, ihn in der Nähe des Burgplatzes zu erwarten.

      Dann stieg er, einen letzten Blick auf seinen untadelhaften Anzug herabwerfend und den noch sehr feinen schwarzen Schnurrbart leicht zwischen den Fingern heraufwirbelnd, die Treppen hinan, lustig und siegesgewiß, wie es ein junger Ulanenoffizier immer und überall, auf dem Parket wie zu Pferde sein muß und wie es dieser Offizier vor vielen Andern zu sein ganz besondern Grund hatte.

      Denn der Lieutenant von Stielow, ein Mecklenburger und seit einigen Jahren, wie viele seiner norddeutschen Altersgenossen, im österreichischen Militärdienst, hatte vor einem Jahre von einem kinderlos verstorbenen Oheim in seinem Vaterlande einen so bedeutenden Majoratsbesitz ererbt, daß die Ziffer seiner jährlichen Revenüen selbst unter der an große Vermögen gewöhnten österreichischen Aristokratie Aufsehen erregt hatte und daß, so sehr man sich in diesen Kreisen sonst den Fremden gegenüber in kalter Höflichkeit abschließt, diesem außerdem schönen und liebenswürdigen jungen Manne, der durch eine feine norddeutsche Bildung unter seinen österreichischen Alters- und Standesgenossen sehr vorteilhaft hervorstach, sich die vertraulichere Intimität der Familien des wiener hohen Adels geöffnet hatte, namentlich derjenigen, in welchen man einige Töchter zu verheirathen hatte.

      Es war also sehr natürlich, daß der junge Mann, dem das Leben so heiter sich öffnete, fröhlich und zuversichtlich die große Treppe der Staatskanzlei heraufstieg, um sich zu einer jener beschränkteren Soiréen zu begeben, in welchen die Gräfin Mensdorff außer den großen offiziellen Empfangsabenden die ihr näher stehende wiener Gesellschaft vereinigte und welche, wenn auch einen mehr privaten Charakter tragend, doch von Allem, was zur politischen Welt gehörte, sehr gesucht waren, weil man hoffte, hier irgend einen Zipfel des Schleiers heben zu können, in welchen


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