Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding
Читать онлайн книгу.der Welt, wodurch die gemüthliche Ruhe des geselligen Verkehrs gestört werden könnte.
Die Lakaien in der einfachen, tadellos eleganten Livree des Mensdorff'schen Hauses öffneten die Thüren zu dem mit der Wohnung der Gräfin zusammenhängenden kleineren Appartement und der Lieutenant von Stielow trat in den hell erleuchteten, mit bunten und frischen Damentoiletten, blitzenden Uniformen und schwarzen Civilanzügen in mannigfaltigen Gruppen erfüllten Salon.
In dem zweiten, an den ersten größeren Salon anstoßenden Zimmer, das mit allen jenen tausend comfortabeln Kleinigkeiten ausgestaltet war, die zu dem täglichen Wohnraum einer vornehmen Dame gehören, saß in einem nicht großen, niedrigen Divan die Gemahlin des Ministers, eine geborne Prinzessin Dietrichstein, eine Dame von äußerst aristokratischer Erscheinung, und empfing ihre Gäste mit jener natürlichen ungezwungenen und freundlichen Gemütlichkeit, welche der vornehmen Gesellschaft Wiens eigen ist, wenn sie sich unter sich befindet.
Neben der Gräfin Mensdorff saß eine volle, üppige Gestalt, in schwarzer reicher Toilette, an der jedoch ohne Ueberladuug angebrachte farbige Steine von fürstlichem Reichthum den Gedanken an Trauer ausschlossen.
Das bleiche Gesicht dieser Dame, von schwarzen vollen Locken umrahmt, war von wunderbarer Schönheit, aber tiefem Ernst, und ihre ebenholzschwarzen großen Augen voll Feuer und Ausdruck schienen sich nicht voll Lust und Freudigkeit dem Leben zuzuwenden, sondern blickten mit jenem schwärmerischen, sinnenden Ausdruck vor sich hin, den man oft auf alten Bildern von Aebtissinnen geistlicher Orden bemerkt.
Es war die Fürstin Obrenowitsch, die Gemahlin des Fürsten Michael von Serbien, welche von ihrem Gemahl getrennt mit ihrem jungen Sohn in Wien lebte. Eine geborne Gräfin Huniady, voll des lebenswarmen ungarischen Blutes und in allen Zirkeln der ersten Gesellschaft Wiens mit offenen Armen empfangen, trotz der Trennung von ihrem Gemahl durch Beweise von dessen hoher Achtung bei jeder Gelegenheit ausgezeichnet, schloß diese schöne Dame voll Geist und Leben sich dennoch, ohne der Welt völlig zu entsagen, in ein häusliches, zurückgezogenes Leben ein, bei welchem sie vor Allem ihre ganze Aufmerksamkeit und Sorgfalt der Erziehung ihres jungen Sohnes, des dereinstigen Erben des serbischen Fürstenhutes, widmete. Es war daher immer ein évènement, wenn man die schöne, fromme und stolz abgeschlossene Fürstin in den Salons der wiener Aristokratie sah.
Vor den Damen stand ein nicht großer Herr in den Sechzigern. Er trug die graue, knapp anschließende Uniform eines österreichischen Feldmarschalllieutenants, auf welcher das einfache Maria-Theresienkreuz neben dem Kommandeur des Leopoldordens und dem Malteserkreuz glänzte. Sein rothes volles Gesicht, das auf einem auffallend kurzen Hals aus dem eng zugeknöpften Uniformkragen hervorsah, trug den Ausdruck unverwüstlicher Laune und Heiterkeit, seine dunkeln, blitzenden Augen funkelten voll Leben und lustiger Bosheit, der kurze Schnurrbart und das volle Haar waren schneeweiß und sein Kopf war so kurz geschoren, daß das bürstenartige weiße Haar auf dem rothen vollen Gesicht zu dem treffenden und in der wiener Gesellschaft verbreiteten Vergleich Anlaß gegeben hatte, des Feldmarschalllieutenants Reischach Kopf sehe aus wie eine überzuckerte Erdbeere.
Der Feldmarschalllieutenant Baron Reischach, einer der tapfersten Offiziere der österreichischen Armee, zum aktiven Dienst jetzt untauglich durch die vielen Wunden, mit denen sein ganzer Körper übersäet war und die ihn häufig viel leiden ließen, lebte in der wiener Gesellschaft als ein überall gern gesehener Hausfreund, der es möglich machte, an den verschiedensten Orten zu sein, der Alles wußte, was nur irgend zu wissen war, und der durch seine spaßhaften Geschichten aus jedem Kreise die Langeweile zu verscheuchen verstand.
Machte man Vormittags eine Visitentournée, so war man sicher, ein oder gar mehrere Male mit dem Baron Reischach zusammenzutreffen, der es nie unterließ, sich nach dem Befinden aller seiner alten Freundinnen zu erkundigen, ihnen die Tagesneuigkeiten zu bringen und kleine Attentions zu erweisen. Abends war er im Burgtheater zu finden und man sah ihn in den Zwischenakten in den Logen der älteren Damen der wiener Gesellschaft erscheinen, wobei er indeß immer noch Zeit fand, einen Blick auf die Bühne zu werfen und der einen oder der andern unter den ersten Schauspielerinnen ein Kompliment über ihre Toilette oder ihr Spiel zu sagen — nach der Theaterzeit fand man ihn in den Salons — bald einen großen Raout durcheilend, hier ein Bonmot lancirend, dort eine pikante Neuigkeit einsammelnd, bald auf eine Viertelstunde an dem Theetisch eines kleinen Zirkels verweilend und das Füllhorn seiner unerschöpflichen launigen Geschichten leerend. Noch später war er dann zu finden in einem gemüthlichen Winkel des Speisesaals im Hotel zur Stadt Frankfurt, bei einem Glase alten Ungarweins, wo er die Seele eines jovialen Abendzirkels bildete, dessen Kern aus den Grafen Wallis, Fuchs und Wrbna bestand.
So war der Feldmarschalllieutenant Baron Reischach, der da, die Hand mit dem grünbebuschten Hut auf den Säbel gestützt, vor den Damen stand.
Etwas sehr Spaßhaftes mußte er ihnen gesagt haben, denn die Gräfin Mensdorff lachte laut, und selbst über das ernste Gesicht der Fürstin von Serbien flog ein leichtes Lächeln.
»Nun erzählen Sie uns aber, Baron Reischach,« sagte die Gräfin Mensdorff, »was Sie für Beobachtungen heute an der Burg gemacht haben — nicht wie die Wolter gespielt hat, — das wissen wir schon, die ist ja für Sie immer süperbe, unvergleichlich — nein, sagen Sie uns ein wenig, was Sie sonst im Hause und in den Logen beobachtet haben — da ist gewiß wieder sehr Vieles passirt oder nicht passirt, was Sie uns zu erzählen haben. Sie sehen, Sie haben die Fürstin schon zum Lächeln gebracht, machen Sie sie ganz heiter.«
Der Feldmarschalllieutenant erwiederte mit leichter Verbeugung gegen die Fürstin Obrenowitsch: »Ich weiß nicht, ob die Fürstin einem Weltkinde wie mir lange zuhören möchte — übrigens passirte auch gar nichts. Unser junger mecklenburgischer Ulane war sehr lange in der Loge der Gräfin Frankenstein und sprach sehr lebhaft mit der Comtesse Clara, was einige unserer Freundinnen, die Sie kennen, sehr zornig machte. Ich sah —«
Hier wurden die weiteren Mittheilungen des Feldmarschalllieutenants durch den Gegenstand seiner Beobachtungen, den jungen Ulanenoffizier von Stielow, unterbrochen, der herantrat, um die Gräfin Mensdorff zu begrüßen.
Diese lächelte. »Wir sprachen von Ihnen, Baron Stielow, man will Sie heute Abend im Burgtheater so beschäftigt gesehen haben, daß Sie der Wolter nicht die gehörige Aufmerksamkeit schenken konnten, — was der Herr von Reischach sehr übel genommen hat.«
Der junge Offizier erröthete leicht, grüßte den Feldmarschalllieutenant in militärischer Haltung und sagte: »Seine Excellenz ist ein sehr scharfer Beobachter, wenn er mir die Ehre erzeigt hat, mich zu bemerken — ich war nur kurze Zeit in der Burg und habe dort nur einige Bekannte in ihren Logen besucht.«
Herr von Reischachs neckische Bemerkung, welche er auf der Zunge zu haben schien, wurde durch das Herantreten eines großen Herrn in der Generalsuniform und einer schlanken eleganten Dame unterbrochen, welche kamen, um die Dame des Hauses zu begrüßen, und dem Herrn von Stielow die Gelegenheit gaben, sich zurückzuziehen und der Fortsetzung des begonnenen Gesprächs auszuweichen.
Es war der Graf Clam Gallas, welcher soeben mit seiner Gemahlin, einer jüngeren Schwester der Gräfin Mensdorff, erschienen war. Der Graf, eine hohe Gestalt, bei dem die Uniform nicht die Nonchalance des großen österreichischen Kavaliers einzuengen im Stande war, einen fast Habsburgischen Typus in den Gesichtszügen, mit dem goldenen Vließ dekorirt, reichte seiner Schwägerin mit kordialer Einfachheit die Hand, während seine Gemahlin, eine nicht mehr ganz junge Dame von selten eleganter Figur und wunderbar konservirter Schönheit, sich neben der Fürstin Obrenowitsch in einem Fauteuil niederließ.
»Wo ist denn der Mensdorff,« fragte der Graf Clam Gallas, »ich habe ihn nicht gesehen — er ist doch nicht wieder krank geworden?«
»Er wurde zum Kaiser gerufen,« erwiederte die Gräfin, »und wenn er zurückkommt, wird er wohl noch Einiges zu erledigen haben — ich habe ihn schon entschuldigt, — er wird aber wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen.«
»Ich habe Wunderdinge von Ihrem Fest in Prag gehört, Gräfin,« wendete sich der Feldmarschalllieutenant von Reischach an die Gräfin Clam — »man kann nicht genug davon erzählen, die Gräfin Waldstein, die ich heute bei der Fürstin Lori Schwarzenberg traf, war noch ganz enchantirt davon.«