Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding

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Die wichtigsten Werke von Oskar Meding - Oskar  Meding


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deutschen Mächten zu erhalten. Wir finden unsere Sicherheit nach Innen und Außen vorzüglich in der Freundschaft der beiden deutschen Großmächte und in einiger Macht des deutschen Bundes. Gott erhalte diese.«

      Eine weitere Bemerkung des Herrn von Werther wurde durch das Herantreten des englischen Botschafters, Lord Bloomfield, abgeschnitten, eines Mannes mit jenem scharfgeschnittenen, charakteristischen Gesicht der englischen Aristokratie, von gesundem, lebensfrischem Ausdruck, mit dem grünen Bande des irischen Ordens der Distel dekorirt, der beide Herren begrüßte und das Gespräch auf die leichten Tagesereignisse der wiener Gesellschaft leitete.

      Während so in den Salons der Gräfin Mensdorff die Soirée ihren gleichmäßigen, gewöhnlichen Verlauf nahm und auf der Oberfläche der eleganten, lächelnden Gesellschaft sich nichts von der unruhigen Spannung zeigte, welche im Innern so mancher Anwesenden vorhanden war, saßen auf der andern Seite der Staatskanzlei, in dem großen, mit blauen Seidenmöbeln und gleichen blauen Fenstervorhängen ausgestatteten Vorsaal vor dem Kabinet des Ministers, zwei Männer in den weiten Fauteuils um den großen runden Tisch an der Langseite des Saales. Ein leichtes Feuer flackerte in dem großen Kamin in der Ecke und eine mächtige Lampe mit weiter Kuppel von weißem Milchglas, welche auf dem Tisch stand, ließ den großen Raum im Halbdunkel, während sie die Gesichter der beiden Personen hell erleuchtete und einen schwachen Reflex auf das lebensgroße Bild des Kaisers Franz Joseph warf, das in prachtvollem Goldrahmen die Mitte der Wand erfüllte und den Kaiser in der großen Generalsuniform in der jugendlichen Schönheit des frühen Alters zeigte, in welchem er den Thron bestiegen hatte.

      Der eine dieser beiden Männer saß nachlässig hingelehnt in seinem Lehnstuhl. Er mochte die Mitte der Fünfzig erreicht haben. Sein Gesicht trug den Stempel des geistreichen Lebemannes, mit einer gewissen Beimischung von katholischer Schwärmerei, einen Gesammtausdruck, wie man ihn zuweilen auf alten Bildern von Kardinälen und Prälaten findet. Eine gewisse behagliche Haltung, die weichen, feinen und weißen Hände, die bequem elegante Toilette vervollständigten diesen Anklang an die Bilder geistlicher Herren aus der italienischen Schule.

      Es war der Unterstaatssekretär Geheimerath Freiherr von Meysenbug, und neben ihm saß der Ministerialrath von Biegeleben, eine lange Gestalt, steif, trocken und pedantisch, mit leberkranker Gesichtsfarbe und bureaukratischverbissenem Ausdruck. Seine Erscheinung hielt die Mitte zwischen einem Professor und einem Kanzleidirektor, er saß gerade auf seinem Stuhl, den Hut in der Hand.

      »Der Graf bleibt lange,« rief Herr von Meysenbug ungeduldig, indem er mit den feinen Fingern auf der dunkeln Decke des Tisches trommelte, »ich bin sehr gespannt, was er bringen wird — ich fürchte, ich fürchte, er spielt uns noch einen Streich und bewegt Seine Majestät zum Einlenken!«

      »Das glaube ich nicht,« erwiederte Herr von Biegeleben mit langsamer und ruhiger Stimme, »Seine Majestät ist zu sehr durchdrungen von der Idee, die alte Stellung der Habsburger in Deutschland wieder herzustellen, als daß er daran denken sollte, mit den berliner Ansprüchen zu paktiren. Er hat in Frankfurt die glorreichen Erinnerungen des Reiches wiederaufleben gesehen und zugleich bitter und tief den échec empfunden, den ihm der preußische Widerstand damals bereitete, — er wird festhalten.«

      »Aber Graf Mensdorff will abgehen, er will die Verantwortung der Folgen eines Bruches nicht auf sich nehmen!« sagte Herr von Meysenbug nachdenklich.

      »Nun und wenn er es thäte?« fragte Herr von Biegeleben mit einem steifen Lächeln — »der Kaiser würde vielleicht noch entschiedener und rascher vorgehen.«

      »Vielleicht,« sagte Herr von Meysenbug, »aber Graf Mensdorff ist doch schließlich eine lenksame Natur und — bedarf des Rathes, — würden wir die Fäden so in der Hand halten wie jetzt, wenn er einen Nachfolger fände?«

      »Ich besorge nicht, daß wir überflüssig würden,« sagte Herr von Biegeleben. »Sie, Excellenz, stehen zu fest auf der römischen Basis und es würde schwer sein, Sie zu beseitigen, — ich für meine geringe Person — nun wen haben wir hier, der die deutschen Angelegenheiten kennt und bearbeiten kann? — Herrn von Gagern?«

      Herr von Meysenbug zuckte mit den Achseln und machte eine leichte Bewegung mit der Hand.

      In diesem Augenblick öffnete sich die äußere Thüre des Vorsaals und Graf Mensdorff trat ein.

      Die Erscheinung dieses Ministers, der bestimmt war, Oesterreich einer so schweren Katastrophe entgegenzuführen, bot nichts Außergewöhnliches.

      Er war ein Mann von mittlerer Größe, einem feinen, vornehmen Gesicht von französischem Typus und kränklichem Teint, kurzem schwarzem Haar und kleinem schwarzem Schnurrbart. Er trug die Uniform des Feldmarschalllieutenants und den Stern des Leopoldsordens. Seine Haltung war in Folge chronischer Kränklichkeit schwankend und unsicher und er suchte sich stets einer längeren Unterhaltung im Stehen zu entziehen, die ihn angriff.

      Die beiden Herren erhoben sich.

      Graf Mensdorff begrüßte sie und sagte: »Ich bedaure, daß Sie gewartet haben, meine Herren, ich wurde länger aufgehalten, als ich dachte.« Dann ging er durch den langen Saal in sein Kabinet, die Herren von Meysenbug und Biegeleben einladend, ihm zu folgen.

      Alle Drei traten in das Kabinet des Ministers, einen weiten Raum, ebenfalls nur durch eine auf dem großen Schreibtisch in der Mitte stehende Lampe erleuchtet.

      Graf Mensdorff ließ sich erschöpft in den vor dem Schreibtisch stehenden Lehnstuhl sinken und athmete befriedigt auf, als er auf demselben, den Arm bequem auf die Seitenlehne gestützt, Platz genommen, indem er die beiden Herren durch eine Handbewegung aufforderte, an der Seite des Schreibtisches sich neben ihn zu setzen.

      Die drei Männer saßen einen Augenblick schweigend. In den Gesichtszügen der beiden Ministerialräthe drückte sich die lebhafteste Spannung aus, — Graf Mensdorff blickte ermüdet vor sich hin.

      »Nun, meine Herren,« sagte er endlich, »es scheint, daß Ihre Wünsche erfüllt werden. — Seine Majestät der Kaiser will keinen Schritt rückwärts, er will um keinen Preis die Bundesreformvorschläge Preußens in Norddeutschland zur Geltung kommen lassen, mit einem Wort, er ist entschlossen, nach allen Richtungen energisch vorzugehen und die große deutsche Frage mit Entschiedenheit anzufassen — auf die Gefahr hin, daß daraus der Bruch entstehe — und der Krieg,« setzte er leise mit einem halb unterdrückten Seufzer hinzu.

      Die Herren von Meysenbug und von Biegeleben sahen sich mit dem Ausdruck lebhaftester Befriedigung an und warteten dann gespannt auf die weiteren Mitteilungen des Grafen Mensdorff.

      »Ich habe übrigens nichts unterlassen,« fuhr dieser fort, »um Seine Majestät von solch' entscheidendem Entschluß und so folgenschwerer Politik abzubringen. Sie wissen, ich mache keinen Anspruch, viel von der Politik zu verstehen — darin muß ich mich auf Sie und Ihr besseres Wissen verlassen — aber ich bin Soldat — und wenn ich mich auch nicht für einen großen General halte, so versteh' ich doch vollkommen, was zu einer schlagfertigen Armee gehört. — Nun, meine Herren, die Politik, die wir jetzt machen wollen, führt zum Krieg — denn der Bismarck ist halt nicht der Mann, der sich etwas bieten läßt — zum Kriege aber gehört eine schlagfertige Armee, die dem Gegner gewachsen ist — und die haben wir nicht, ganz und gar nicht, nach meiner militärischen Ueberzeugung. Wohin soll uns das also führen?« Er hielt erschöpft und nachdenklich inne.

      »Aber Eure Excellenz müssen die Dinge nicht zu schwarz ansehen,« sagte Herr von Meysenbug, »wir haben 800,000 Mann, wie das Kriegsministerium konstatirt, und —«

      »Das Kriegsministerium,« fiel Graf Mensdorff lebhaft ein, »mag konstatiren was es will — ich bin praktischer Soldat und frage wenig nach den Akten des Kriegsministeriums — ich kenne aber die Armeeverhältnisse ganz gut, und wenn wir die Hälfte von Ihren 800,000 Mann marschiren lassen können — so will ich froh sein. — Und damit sollen wir auf zwei Kriegstheatern operiren,« fuhr er fort, »denn Sie werden es sehen, beim ersten Kanonenschuß fängt Italien an, — ich bin sogar überzeugt, daß da schon eine Allianz mit Preußen besteht —«

      Herr von Biegeleben lächelte mit der Miene eines überlegenen Fachmannes, der einen Dilettanten sprechen hört, vor sich hin und bemerkte dann in geschäftsmäßig


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