Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding

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Die wichtigsten Werke von Oskar Meding - Oskar  Meding


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Kanonenschuß gefallen ist, wird er nur General sein. — Ich habe selbstverständlich Seine Majestät den König Wilhelm nicht gesehen,« fügte Herr Hansen hinzu, »indeß, was ich gesagt habe, ist das Resumé aller Unterhaltungen gewesen, die ich mit Personen geführt habe, welche die Situation und die Persönlichkeiten genau kennen. — Was nun die Stellung des Herrn von Bismarck betrifft,« fuhr er fort, »so ist dieselbe vollständig fest. Herr von Bismarck wird im Vertrauen des Königs nicht erschüttert werden.«

      »Warum nicht?« warf Herr Pietri lebhaft ein.

      »Weil er Soldat ist.«

      »Das heißt, er trägt die Landwehruniform.«

      »Das ist die Aeußerlichkeit — welche hier nicht Schein ist. Herr von Bismarck ist Soldat, er ist Mann der Aktion, der scharfen und klaren Thätigkeit, seine diplomatische Feder zittert nicht beim Klang der Kanonen und beim Waffenlärm — er wird eben so ruhig über ein Schlachtfeld reiten, als er am grünen Tisch sitzt. — Das fühlt der König, der selbst Soldat ist, und deßhalb vertraut er ihm. Ich weiß, daß Graf Goltz manche Freunde hat — allein diese Freunde machen sich gewiß Illusionen und ich kann versichern, daß wenn man hier in Paris von ihm spricht, — man es in Berlin nicht thut.«

      Es trat eine kurze Pause ein.

      Herr Pietri, nachdem er einen Blick nach dem Kaiser hinüber geworfen, fragte weiter:

      »Was aber sagt die Bevölkerung? Nach den Stimmen der Presse zu urtheilen, ist der Krieg nicht populär.«

      »Er ist es in der That nicht,« erwiederte Herr Hansen. »Man fürchtet eine Niederlage — und die parlamentarische Opposition in ihrer Kurzsichtigkeit glaubt, Herr von Bismarck wolle den Krieg nur beginnen, um sich einen Ausweg aus der Sackgasse zu schaffen, in welche man glaubt ihn gedrängt zu haben. Wie wenig kennen die Herren den Mann, mit dem sie zu thun haben!«

      »Aber,« fuhr Pietri fort, »wird es nicht eine sehr gefährliche Lage für die preußische Regierung werden, einen Krieg gegen Oesterreich und Deutschland zu beginnen, während sich im Innern die Opposition erhebt und diesen Krieg verurtheilt?«

      »Ich glaube,« entgegnete Herr Hansen, »diese Schwierigkeit der Lage ist nur eine scheinbare. Die Armee — und auf diese kommt es allein an — wird trotz aller Opposition in voller Kraft dastehen, und Alle, die heute gegen den Krieg sprechen und schreiben, werden nach dem ersten Erfolg Herrn von Bismarck zu Füßen liegen, — der innere Konflikt wird nach der ersten gewonnenen Schlacht gelöst sein, — jede Vergrößerung Preußens, jeder Schritt zur Einigung Deutschlands wird den Krieg, der dazu geführt, nachträglich populär machen.«

      »Der Erfolg« — warf Herr Pietri ein — »wird aber der Erfolg kommen?«

      »Ich glaube, er wird kommen,« sagte Hansen ruhig. »Oesterreich täuscht sich sowohl über seine eigenen und Deutschlands Kräfte, als über diejenigen, welche Preußen zu Gebote stehen. — Die preußische Macht ist ungeheuer, scharf konzentrirt und homogen. Die österreichische ist schwach, ohne festen Verband, ohne einheitliches Kommando. Süddeutsche Militärs, welche die Zustände in Oesterreich kennen und die ich sprach, haben keinen Zweifel in den preußischen Sieg. Darum wird auch die süddeutsche Kriegführung eine sehr laue sein, schon weil man dort auch nicht einmal mit den ersten Anfängen der militärischen Vorbereitung fertig ist — In Hannover und Hessen will man neutral bleiben, hat aber keine Verträge geschlossen und wird über all' der Unsicherheit überrascht werden. — Die einzige energische Unterstützung wird Oesterreich in Sachsen finden, wo Herr von Beust — die Seele der ganzen antipreußischen Bewegung — es verstanden hat, die Armee wirklich auf einen schlagfertigen Kriegsfuß zu bringen.«

      »Sie glauben also einfach an den Sieg Preußens?« fragte Pietri in einem Tone, welcher bewies, daß er nicht geneigt sei, diesen Glauben unbedingt zu theilen.

      »Ich glaube daran,« erwiederte Herr Hansen, »und ich halte dafür, daß eine richtige und vorsichtige Politik mit dieser Chance rechnen müsse.«

      »Sie sprachen vorhin,« fragte Pietri nach einer kurzen Pause, »von Vergrößerungen Preußens — was glauben Sie, daß Preußen fordern oder nehmen wird, wenn der Erfolg ihm zur Seite steht?«

      »Alles, was es bedarf und erhalten kann.«

      »Das heißt, in Namen und Zahlen ausgedrückt?«

      »Den ganzen Norden Deutschlands unbedingt.«

      Herr Pietri machte eine Bewegung des Unglaubens.

      »Sein Sie versichert, daß ich mich nicht täusche,« sagte Herr Hansen. »Das Volk selbst wird die weitesten Eroberungen verlangen, sobald einmal preußisches Blut geflossen ist, — was man von Preußen erlangen kann, muß vor dem Kriege erlangt werden, nach einem Siege wird man in Berlin nichts mehr konzediren.« —

      Der Kaiser stand auf.

      Pietri und Hansen erhoben sich gleichfalls.

      Napoleon legte das Paket Papiere, welches er vorhin von seinem Sekretär empfangen, wieder auf dessen Tisch.

      Er neigte leicht das Haupt gegen Herrn Hansen und sprach:

      »Es freut mich, mein Herr, hier Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, und es wird mir stets eine Freude sein, mich einer Nation nützlich zu zeigen, welche allen ihren Mitgliedern so viel Patriotismus einzuflößen weiß.«

      Herr Hansen verneigte sich tief und verließ das Zimmer.

      Als die Thür sich hinter ihm geschlossen hatte, richtete sich der Kaiser lebhaft auf, sein Auge belebte sich und indem er rasch einen Schritt auf Pietri zutrat, fragte er:

      »Glauben Sie, Pietri, daß der Mann scharf beobachtet und daß er gut informirt ist?«

      »Ich kenne ihn als sehr scharfen Beobachter, und was seine Information betrifft, so weiß ich, daß Herr von Bismarck ihn empfangen hat, daß er mit verschiedenen politischen Personen in Deutschland verkehrte und daß er es außerdem sehr gut versteht, sich über die Richtung der öffentlichen Meinung zu vergewissern. — Indeß glaube ich, daß er die Macht Preußens überschätzt. Herr von Bismarck hat ihm imponirt und der Eindruck, den er auf ihn gemacht, spiegelt sich in seinem Referat wieder. Wir haben ja Aehnliches schon erlebt — dieser preußische Minister versteht es, wenn er will, die Leute zu nehmen und sie für sich zu gewinnen.«

      Der Kaiser blickte nachdenklich vor sich hin.

      »Ich fürchte oft,« sagte er dann halb leise, »der Mann hat Recht und wir stehen hier vor einem großen historischen Problem. Kann man Oesterreich unterstützen — ohne Italien zu beleidigen, das schon zu stark ist, um es zu ignoriren? Kann man Preußen gewähren lassen, Deutschland sich konstituiren lassen, ohne das Prestige von Frankreich zu gefährden, ja selbst unsere Grenzen — Elsaß und Lothringen — jene alten deutschen Länder?« —

      Pietri lächelte.

      »Eure Majestät beliebt zu scherzen!«

      »Pietri, Pietri,« sagte der Kaiser, indem er seine Hand halb als Bekräftigung seiner Worte, halb wie eine Stütze suchend auf die Schulter seines Sekretärs legte — »Sie kennen die Deutschen nicht — ich kenne sie und verstehe sie, denn ich habe unter ihnen gelebt. Dieß deutsche Volk ist ein Löwe, der seine Kraft nicht kennt, ein Kind kann ihn lenken an einer Blumenkette — aber er hat in seinen Pranken die Kraft, die morsche europäische Welt in Trümmer zu schlagen, wenn er zum Bewußtsein seiner Natur kommt und wenn er Blut leckt. — Und Blut wird er lecken in diesem Kampf — der alte Scherz l'appetit vient en mangeant kann hier zu furchtbarem Ernst werden. Vielleicht wird dieser deutsche Löwe auch seinen preußischen Bändiger einst verschlingen, — aber vorher wird er uns ein schrecklicher Nachbar sein.«

      Der Kaiser hatte dieß Alles halb zu sich selbst sprechend in einzelnen Absätzen hervorgestoßen, während seine Augen, wie einer Vision folgend, vor sich hin in das Leere starrten.

      Um Pietri's Lippen spielte fortwährend ein ruhiges Lächeln.

      »Eure Majestät hat eine schwarze Stunde,« sagte er mit jenem sichern kalten Ton, in dem man zu einem


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