Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding
Читать онлайн книгу.zu sein, daß ich den Ansichten Eurer Majestät gemäß handle.«
»Lassen Sie sich die falschen Deutungen nicht anfechten, mein lieber Regierungsrath,« sagte der König mit dem ihm eigentümlichen verbindlichen und freundlichen Lächeln, — »ich weiß, daß Sie nach Ihrer Ueberzeugung stets meine und Hannovers Interessen im Auge haben. Sie wissen, daß ich die öffentliche Meinung für die sechste Großmacht Europas halte — vielleicht für die erste — und darum will ich die Presse, das Organ für diese Großmacht, als mein eigenes königliches Ressort behalten, — ich will selbst hören, was das Volk denkt und sagt, und will in den Organen der Regierung nur meine Gedanken und Intentionen zum Ausdruck gebracht sehen, — ich will die wirklichen Gedanken und Meinungen des Volkes kennen — ob sie richtig oder unrichtig seien, — und das Volk soll meine Ansichten und meinen Willen kennen, — so wird Klarheit zwischen mir und meinen Unterthanen sein und das Wohl der Krone wie des Landes gefördert werden. Sie verstehen meinen Gedanken so vortrefflich und haben mir geschaffen, was ich längst schon für nöthig erkannte und so sehnlich wünschte — lassen Sie sich darum keine Mißdeutungen und Verkennungen anfechten.«
Und der König reichte Herrn Meding seine Hand hinüber. Dieser erhob sich und drückte die Lippen auf die königliche Rechte.
»Eure Majestät hat mir stets erlaubt,« sprach er dann, »in allen Fragen des Staatslebens nach Außen und im Innern meine Ansicht und Meinung frei und rückhaltslos auszusprechen, und es ist dieß schöne Recht eine unerläßliche Bedingung für die Erfüllung der schwierigen Aufgabe, welche die besondere von Eurer Majestät mir gegebene Stellung bedingt. Ich bitte Eure Majestät allerunterthänigst, auch jetzt in einem wie ich glaube ernsten Moment meine unmaßgebliche Meinung aussprechen zu dürfen.«
»Sprechen Sie, sprechen Sie, mein lieber Regierungsrath, ich höre mit Spannung,« sagte der König, lehnte sich in seinen Fauteuil zurück und stützte den Kopf leicht in die Hand.
»Eure Majestät wissen,« sagte der Regierungsrath Meding, »daß es eine Art von mot d'ordre der deutschen, ja fast der europäischen Diplomatie ist, an den Krieg zwischen Oesterreich und Preußen nicht zu glauben. Mir kommt dieß vor, wie das Verfahren des Vogels Strauß, der den Kopf versteckt, um die Gefahr nicht zu sehen, und sie so zu beschwören hofft.«
»Sie glauben also an den Krieg?« fragte der König, ohne seine Stellung zu ändern.
»Ich glaube daran, Majestät, — einmal nach der Lage der Verhältnisse — die Fragen stehen auf schiefer Ebene und sind so weit vorgerückt, daß ich eine Umkehr nicht mehr als möglich sehe. Abgesehen von den aus Wien und Berlin einlaufenden Berichten, bestätigt mich in meiner Annahme, daß der Krieg unvermeidlich sei, aber auch die Haltung der offiziellen und offiziösen Presse in Oesterreich und Preußen.«
»Sie spricht eminent friedlich, haben Sie mir gestern gesagt,« warf der König ein. —
»Gerade deßhalb glaube ich, daß man in den beiden Lagern zum Aeußersten entschlossen ist. Würde man nur drohen und die Rüstungen bei einem demnächstigen diplomatischen Kompromiß als Druckmittel in die Wagschale werfen wollen, so würden die Regierungsblätter mit dem Säbel rasseln. Diese Friedensversicherungen aber beunruhigen mich. Jeder sucht den besten casus belli und wünscht die Schuld des Ausbruchs dem Gegner zuzuspielen. Ich bin überzeugt, daß wir, wenn nicht ein Wunder geschieht, in kürzester Frist vielleicht mitten im Kriege sind. Graf Platen will zwar ebenfalls noch nicht daran glauben.«
»Der Vogel Strauß,« sagte der König.
Der Regierungsrath Meding lächelte und fuhr fort:
»Diese Situation ist aber für Eure Majestät und Hannover gefährlicher, als für irgend eine andere Regierung. Denn im Moment der Aktion wird Preußen keine Rücksichten nehmen.«
»Ich habe aber schon erklärt, daß ich unter allen Umständen neutral bleiben will,« sagte der König.
»Gewiß, Majestät, — allein es ist kein Vertrag geschlossen. — Graf Platen hat dem Prinzen Ysenburg nur im Allgemeinen die Intention Eurer Majestät, neutral zu bleiben, ausgesprochen — aber aus Furcht vor dem Lärm in Frankfurt und Wien keine eingehendere Negoziation eingeleitet und namentlich keinen Vertrag geschlossen.«
»Halten Sie den formellen Vertrag für so nöthig?« fragte der König.
»Ich halte ihn für unerläßlich, Preußen wird diesen Vertrag jetzt noch sehr gern schließen und, einmal geschlossen, ihn unter allen Umständen halten. Im Momente der Aktion wird man mehr fordern, und nach dem Sieg — ich glaube, daß der Neutralitätsvertrag die Garantie für die Selbstständigkeit — ja für die Existenz Hannovers ist.«
Der König fuhr auf.
»Halten Sie es für möglich, daß man in Berlin jemals daran denken könne, die Existenz Hannovers anzutasten?«
»Ich möchte für das Gegentheil keine Garantie übernehmen,« erwiederte der Regierungsrath Meding, — »der Kampf, welcher entbrennen wird, ist ein Kampf um die Existenz, — das alte Deutschland wird in diesem Kriege in Trümmer gehen — unter solchen Verhältnissen sind besondere Rücksichten nicht zu erwarten. Ein wirklicher Neutralitätsvertrag, jetzt abgeschlossen, sichert aber nicht nur die Existenz, sondern vielleicht sogar die volle Selbstständigkeit in einem neuen Deutschland, — denn, wie ich wiederholen muß — ich glaube fest, daß ein solcher Vertrag von Preußen unter allen Umständen gehalten werden wird.«
»Aber,« warf der König ein, »man setzt mir täglich auseinander, wie verderblich für Hannover ein Vertrag mit Preußen für den Fall wäre, daß Oesterreich siegen sollte.«
»Ich kenne diese eigentümliche Logik,« erwiederte Herr Meding — »kann sie aber in der That nicht verstehen. Soll Oesterreich vielleicht, wenn es siegreich in Deutschland dastände, Hannover an Preußen geben? — Außerdem wissen Eure Majestät, daß ich an einen österreichischen Sieg nicht glaube.«
Der König schwieg.
»Es ist eine schwierige Lage,« sagte er dann. — »Gestern war Sir Charles Wyke hier, um mich zu beschwören, am Bunde und an Oesterreich festzuhalten. Er brachte mir einen Brief von Lord Clarendon im gleichen Sinne.«
Der König öffnete mit einem kleinen Schlüssel eine der Schubladen, welche sich an der ihm zugekehrten Seite seines Schreibtisches befanden, tastete einige Augenblicke darin und reichte Herrn Meding über den Tisch einen Brief.
»Lesen Sie.«
Der Regierungsrath Meding durchflog den Inhalt des Papiers.
»Ich verstehe vollkommen die englische Politik, Majestät,« sagte er dann, — »man will in London um jeden Preis den Frieden erhalten, auch möchte man Preußen für die dänische Frage eine Lektion geben, — man hofft, wenn Eure Majestät sich entschieden und rücksichtslos auf die Seite Oesterreichs und der sächsischen Fraktion in Frankfurt stellen, daß Preußen vor dem Kampf zurückschrecken und Konzessionen machen, vielleicht die englische Vermittelung anrufen werde, — wodurch dann das englische Kabinet vielleicht Gelegenheit erhielte, etwas auf wohlfeile Weise für Dänemark zu thun. — Ich glaube, man täuscht sich in dieser Berechnung. — Dem sei aber wie ihm wolle — jedenfalls haben Eure Majestät hannöverische und nicht englische Politik zu machen, und um mich zu beruhigen, müßten hinter diesem Brief von Lord Clarendon die englischen Flotten mit Sicherheit zu sehen sein. — Sollten Eure Majestät aber, in Folge der jetzt so dringend angerathenen Politik, in Noth und Gefahr kommen, so wird nicht ein englisches Kanonenboot zu Ihrem Schutze erscheinen. England spielt hier die Rolle jenes bösen Dämons, der den Hektor in Gestalt seines Bruders Deiphobus zum Kampf gegen Achill reizte, und der dann, als der trojanische Held sich nach einer frischen Lanze umsah, verschwunden war. — Ich möchte übrigens,« fuhr Herr Meding nach einer kleinen Pause fort, »Eurer Majestät einen Gedanken aussprechen, durch dessen Ausführung die Bedenken, welche man gegen den Abschluß des Neutralitätsvertrages geltend macht, zum großen Theil verschwinden müßten.«
Der König richtete sich auf und heftete das Auge so fest und gespannt auf den Sprechenden, daß dasselbe wie durch den sehenden Blick belebt erschien.
»Eure