THE ASCENT - DER AUFSTIEG. Ronald Malfi
Читать онлайн книгу.konnte, und es war sein Wunsch, Timothy Overleigh anzuheuern, damit dieser für sein Büro eine schmiedeeiserne 3 fabrizieren solle. Die Gründe, warum er mich für diese Aufgabe auserkoren hatte, waren 3erlei: Das Magazin, welches mein Gesicht auf das Cover gebannt hatte, hieß »3 Level«, die Washington Post hatte mich den drittbesten Skulpteur des Landes genannt, und natürlich wegen der Quersumme der Buchstaben meines abgekürzten Vornamens – Tim.
Ich trank den letzten Schluck Scotch, den die Flasche noch hergab, und fühlte mich ziemlich gut. Als ich blinzelte, zerliefen die Lichter entlang der Küste zu einer schmierigen fetten Schliere. Die Kälte der vom Meer auf das Festland wehenden Brise ließ mein Bein schmerzhaft pochen. Ich wendete den Rollstuhl und fuhr über die Schwelle der Balkontür ins Innere der Wohnung. Hannah stand im Zimmer, zum Großteil in den Schatten verborgen.
Ich hielt den Atem an. Die leere Flasche entglitt meiner Hand und landete mit einem hohlen Thud auf dem Boden. Plötzlich war der Schmerz in meinem geschundenen Bein nicht mehr wichtig. Unfähig, mich zu bewegen, saß ich wie festgefroren im Rollstuhl und spähte in den Raum, darum bemüht, die Schatten zu durchdringen, um einen klareren Blick auf meine verstorbene Frau werfen zu können.
»Hannah.«
Ihr Name kam als ein gehauchtes Flüstern über meine Lippen, und der Ton – die alberne Handlung dahinter – zwang mich wieder, rational zu denken und die aufkommende Panik zu unterdrücken.
Natürlich stand sie nicht dort. Sie war tot.
Dennoch lief sie an der mir gegenüberliegenden Wand entlang, ein sich in der Tiefe ändernder, nicht näher zu bestimmender Schatten, bis sie auf die Stelle trat, an der sich das Mondlicht durch die offene Balkontür auf den Boden ergoss. Ich nahm an, dass sie aus den Schatten heraustreten und komplett in den hell erleuchteten Bereich treten würde, aber dazu kam es nicht. Sie verschwand, bevor sie vollständig von der Säule aus Licht erfasst werden konnte, und löste sich in der Dunkelheit zu Staub auf.
»Jesus«, entfuhr es mir mit einer krächzenden und nervösen Stimme. Ich zwang mich, zu lachen, allerdings hörte es sich mehr wie das Bellen eines Hundes an.
Ich entschied, zumindest diese Nacht nicht in der Wohnung zu verbringen. Meine Augen blieben an dem Paar Krücken in der Ecke des Zimmers hängen. Es war nicht schwer, auf den Krücken gestützt runter auf die Straße zu gelangen, obwohl sie in Sachen Komfort deutlich hinter dem Rollstuhl zurückstecken mussten.
Ich manövrierte den Stuhl in die Ecke und stemmte mich hoch, wobei ich den Fernseher als zusätzliche Hilfe benutzte. Der Schmerz ließ mich zusammenzucken, als ich beinahe schon fahrlässig das verletzte Bein gegen eine niedrige Anrichte stieß. Eine Supernova explodierte vor meinen Augen, bevor ich einige, tiefe Atemzüge nahm und die Krücken unbeholfen unter meine Achseln bugsierte. Nun aufgerichtet, musste ich für einen kurzen Augenblick um meine Balance kämpfen, bevor ich mich anschließend auf den Weg zum Ausgang machte.
Meine Wohnung lag in relativer Nähe zur Innenstadt, aber auf Krücken war die Strecke nicht zu bewältigen, und so ließ ich mir über den Pförtner ein Taxi herbeiwinken.
Ins Taxi einzusteigen, selbst mit der gemeinsamen Hilfe vom Pförtner und Fahrer – beide schienen aus demselben, südamerikanischen Land zu stammen – erwies sich als ziemlich schwierig, doch letztlich befand ich mich wohlbehalten auf dem Rücksitz und wurde bald darauf in der Nähe des Hafens rausgelassen.
Es war eine herrliche Nacht und die Straßen pulsierten vor Leben. Musik aus den nächsten Bars und Kneipen drang an meine Ohren, sowie das Fauchen von Schiffsmotoren aus der Ferne. Die Kneipen entlang der Hauptstraßen würden um diese Zeit sicher zum Bersten voll sein und ich hatte nicht die Absicht, in einem überfüllten Lokal von angeheiterten und Betrunkenen Zechbrüdern gegen mein Bein gestoßen zu werden. Also entschied ich mich für die Suche nach einem unauffälligen, vor den Touristen gut versteckten Ort.
Der Filibuster lag so unscheinbar, wie man es sich nur wünschen konnte. Eine schmale, aus roten Ziegelsteinen bestehende Front mit massiven Wandleuchten aus Eisen, und bar jeglichen Klischees, die so typisch für die Auslagen der heimischen Kneipen waren – glupschäugige Krabben aus Keramik oder Ruderer in einem Boot mit gekreuzten Paddeln. Brom Holsworth, ein ehemaliger Staatsanwalt, war Eigentümer der Kneipe, so lange ich zurückdenken konnte.
Im Inneren war es dunkel und es roch leicht muffig. Die Wände waren übersät mit bereits vergilbten Fotos von in Ungnade gefallenen Politikern aus Washington, von denen die meisten ihr Karriereende Brom zu verdanken hatten. Wie erwartet, wurde die Bar heute nur von wenigen Gästen besucht. Ich wäre beinahe vor dem nächsten Barstuhl umgekippt, fing mich aber wieder, und lehnte die Krücken gegen die Wand. Der Barkeeper war ein netter junger Mann namens Ricky Carolton. Sein Gesicht schien sich aufzuhellen, als er mich sah. »Ist schon eine ganze Weile her. Ich hatte schon angenommen, dass du dich von der Brücke gestürzt hast.« Irgendetwas an seiner Aussage ging mir ins Mark. »In der Stadt ist mehr los als gewöhnlich«, erwiderte ich rasch, um mein Unbehagen zu kaschieren.
»Das Wettsegeln findet morgen statt. Hast du heute keine Zeitung gelesen?«
»Ich bekomme nur die Sonntagsausgabe geliefert.«
»Es waren sogar einige Nachzügler hier bei uns.« Während er über die Neuigkeiten berichtete, mixte er mir einen Whisky-Drink.
»Die meisten kommen von außerhalb. Alle Hotels platzen aus sämtlichen Nähten. Na ja, ich schätze, fürs Geschäft ist es sicherlich in Ordnung.«
»Wie geht es Brom?«
Ricky stellte den Drink vor mir auf den Tresen. »Kämpft mit der Gicht.« Er nickte mit dem Kopf in Richtung der Krücken. »Wie lange wirst du die Dinger noch brauchen? Du scheinst dich inzwischen besser bewegen zu können.«
»Ich warte noch, bis ich wirklich keine Zweifel mehr habe.«
»Und der Arzt verschreibt dir weiterhin Schmerzmittel, solange du ein Krüppel bleibst, was?«, sagte Ricky lachend.
»Das kann ich verstehen.« Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich wandte mich um, in Erwartung eines bekannten Gesichts, aber der Mann war ein Fremder. Vielleicht einer von den Auswärtigen.
»Sind Sie Timothy Overleigh?«, wollte er wissen.
Der Kerl war ziemlich groß und hatte ein Brustkorb wie ein Fass. Büschel grauen Haares ragten unter dem Rand seiner Mütze hervor und dicke Bartstoppeln sprießten aus den Fleischhügeln seines dicken Halses.
»Wer möchte das wissen?«, fragte ich zurück.
Der Unbekannte deutete mit dem Daumen über seine Schulter nach hinten, in eine mäßig beleuchtete Ecke der Kneipe. »Der Kerl da hinten«, sagte er, während seine Augen die hinter der Bar auf den Regalen aufgestellten Flaschen voller, alkoholischer Köstlichkeiten fixierten.
Ich spähte durch den Raum in die gewiesene Richtung und konnte im Schatten die Umrisse eines Mannes ausmachen, der allein an einem Tisch saß. Allerdings blieb sein Gesicht aufgrund der schwachen Ausleuchtung weiterhin im Dunkeln.
»Tatsächlich? Hat er zufällig auch einen Namen? Für jemanden auf Krücken ist die Überquerung dieses Raums beinahe so anstrengend wie eine Wanderung. Außerdem kann ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, meinen Drink hier am Tresen zurücklassen zu müssen.«
»Hat keinen Namen genannt«, grummelte der Fremde, der seinen mächtigen Körper auf zwei nebeneinandergestellte Barhocker hievte und sich eine Zigarette anzündete.
Während der vergangenen Wochen war es mir gelungen, nur eine Krücke zu benutzen, falls die Situation dies erforderlich machte. Das tat ich jetzt, während ich in der anderen Hand das Glas mit meinem Drink hielt und in die im Zwielicht liegende Ecke humpelte. Je näher ich kam, umso mehr schälte sich die Gestalt aus der Dunkelheit heraus. Der Mann sah gut aus, mit hohen, fast feminin wirkenden Wangenknochen, und einem schmalen Schlitz als Mund. Die Augen waren groß, tiefliegend und dunkel wie die eines Vogels. Die langen, schwarzen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er zündete sich ebenfalls eine Zigarette an und verzog einen Mundwinkel zu einem Grinsen.
Dann