Self-Development And The Way To Power. L.W. Rogers

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Self-Development And The Way To Power - L.W. Rogers


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I walked back to the hotel.«

      »Shall do, Madam.«

      Sie dachte an seinen Hut. Er hing immer noch am Garderobenständer. Sie nahm ihn herunter, legte ihn zuoberst in die Einkaufstasche und ging durch verwinkelte Gassen zur Cromwell Road zurück.

      Als sie die großzügige, gelb gestrichene Lobby des Forum Hotel betrat, mit müden Füßen nach all dem Hin und Her, schaute sie sich sorgfältig um, bevor sie zu den Aufzügen ging. Sie wohnten in schwindelnder Höhe, im 24. Stock, und genossen beide die phantastische Aussicht. Oben angekommen, öffnete sie ihre Handtasche und suchte nach dem Kartenschlüssel. Wenn sie das Zimmer aufschloss, würde ihr gut aussehender Mann – der zehn Jahre älter war als sie – in einem der Sessel vor dem Fenster sitzen, in einer Zeitschrift blättern und sie nachsichtig anlächeln. Oder er wäre zerknirscht, reserviert, stumm, mürrisch, unglücklich, deprimiert. Wer konnte das wissen. Dann entdeckte sie sein Portemonnaie in ihrer Handtasche und erinnerte sich daran, dass der Kartenschlüssel darin war. Also konnte er nicht auf dem Zimmer sein.

      Das erwies sich als richtig. Sie seufzte und bewunderte den blauen Schal im großen Spiegel, bevor sie mit den Füßen ihre Schuhe abstreifte und die Tür des Einbauschranks öffnete, den sie sich teilten. Den eingepackten Pullover, den sie bei Past Times von ihrem eigenen Geld gekauft hatte, legte sie auf der linken Seite unter das Tuch, während sie seinen Hut ganz oben auf der rechten Seite platzierte. Wenn er sich irgendwann hierher bequemte, wollte sie sich ihren Unmut nicht anmerken lassen. Vielleicht hatten sie sich bloß missverstanden. Es kam vor, dass sie seine Äußerungen nicht richtig auffasste. Vor allem in letzter Zeit, nach dem Freispruch.

      Sie fröstelte, warf einen Blick auf die Armbanduhr und versuchte, an etwas anderes zu denken.

      Er geht die großzügige

      und lang gezogene Cromwell Road entlang. Hier und da sind die Bäume und Fassaden mit Glitter und Lichterketten geschmückt. Es ist Vorweihnachtszeit, doch die Ursache seines Besuchs in London nimmt seine Gedanken weniger in Anspruch als vor einer Stunde. Mitunter denkt er an etwas ganz anderes.

      Er hat sich eine Ausgabe des Guardian gekauft, die er unter dem Arm trägt. Sie ist datiert vom 10. Dezember 1997, was ihn nicht wesentlich klüger macht. Mit einigen der wichtigsten Nachrichten, denen aus dem Ausland, kann er etwas anfangen. Der Börsencrash in Fernost gibt ihm das Gefühl, noch am Leben teilzunehmen, nicht völlig von jeder Kontinuität abgeschnitten zu sein. Die Nachrichten widmen sich Vorgängen, deren Hintergründe er kennt, schildern Entwicklungen, die erst kürzlich ihren Anfang nahmen. In der letzten Woche. Spätestens gestern. Er befand sich zwar am falschen Ort, aber die Zeit war richtig. Das beruhigte ihn. Ein Stück Normalität.

      Er passiert ein von der Straße zurückgesetztes Hochhaus. Als er den großen Schriftzug liest – Forum Hotel –, macht sich erneut der Druck hinter den Schläfen bemerkbar, blitzartig und intensiv. Rasch geht er weiter.

      Das hilft. Er geht und geht und geht. Die Füße bewegen sich von allein und bringen ihn schnell voran. Aber das Gebäude mit den noch größeren Buchstaben – Earls Court – findet er nicht wieder. Warum auch? Zunächst muss er sich selbst wiederfinden.

      Das ist schon eine Art von Besessenheit geworden, weitaus wichtiger als die Beschäftigung mit der fremden Umgebung. Und gleichzeitig drängte ihn sonst nichts. Er verspürt weder Hunger noch Durst, die Übelkeit ist verschwunden. Er hat das Gefühl, stundenlang durch die Straßen laufen zu können, mit festen Schritten, ohne das Ziel zu kennen. Ein namenloser Drang, der alles andere als lästig ist, treibt ihn weiter. Vom Vakuum ist nur ein kümmerlicher Rest geblieben, der sich aus dem Kopf verabschiedet und in die Nähe des Zwerchfells verzogen hat. Er spürt ihn nur, wenn er zu tief Luft holt. Früher oder später würden die Karten aufgedeckt, hieß es gemeinhin in den abgedroschenen Artikeln, die ihn zu ärgern pflegten.

      Er macht sich keine Gedanken darüber, dass die Dunkelheit, wie auf Samtpfoten, näher kommt.

      Ein paar Häuserblocks weiter wird seine Aufmerksamkeit von einem U-Bahn-Eingang geweckt. Er kommt ihm bekannt vor, doch er weiß, dass die U-Bahn-Eingänge fast alle gleich aussehen. Gemeinsam mit vielen anderen Menschen gelangt er zu einer langen Reihe schwarzer Schleusen, die am ehesten an die Flügeltüren eines Saloons erinnern. Bevor er an der Reihe ist, steckt er eine Hand in die Jackentasche, zieht eine Fahrkarte heraus und steckt sie in einen Schlitz. Sie wird verschluckt, doch genauso schnell von einem anderen Schlitz wieder ausgespuckt. Die Flügeltüren gleiten auseinander, und als er seine Fahrkarte wieder hat, zwängt er sich rasch durch die Öffnung.

      Während er auf der unendlich langen Rolltreppe steht, die polternd in die Tiefe fährt, wird ihm schlagartig klar, dass er diese U-Bahn wohl kaum zum ersten Mal benutzt, denn als er sich den Schleusen näherte, hatte er sich automatisch richtig verhalten. Er studiert die Fahrkarte.

      London. Underground. 01Day Ticket. 10DMR 97.

      Mit diesem Ticket konnte er einen ganzen Tag lang fahren, wohin er wollte. Er musste es früher am Tag gekauft haben. Das Netz der Tunnel, das kreuz und quer unter der Metropole verlief, war ihm vertraut. Die Erde unter ihm war genauso durchlöchert wie das Territorium eines Maulwurfs, ein ausgeklügeltes System, in dem Züge binnen weniger Minuten zehntausende von einem Punkt zum anderen beförderten. Hingegen ist ihm schleierhaft, was ihn eigentlich hierher getrieben hat. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als seiner Intuition zu vertrauen, sich darauf zu verlassen, dass Kräfte, die er nicht beeinflussen konnte, ihn schon an den richtigen Ort führten. Von einer bewussten Entscheidung konnte keine Rede sein, von einer Notwendigkeit schon gar nicht. Darum leistet er auch keinen Widerstand und fragt sich immer weniger, warum das so ist.

      Eine Woge warmer Luft, durchmischt vom Geruch nach Urin und verbranntem Öl, schlägt den Reisenden am Fuß der Rolltreppe, an der die Tunnelröhre einen Knick macht, entgegen. Er folgt dem Strom, vorbei an grellen Werbeplakaten, über einen Boden, der mit rundlichen Flecken, die aussehen wie gelbliche Münzen, übersät ist: ein internationaler Kaugummifriedhof. Als der Tunnel sich teilt, liest er Eastbound und Westbound und schließt sich der Mehrheit an.

      Auf dem Bahnsteig muss er nicht lange warten. Ein Zug braust heran, doch es gelingt ihm nicht, den Namen der Endstation am Kopf des Triebwagens zu lesen. Er macht es einfach wie alle anderen: drängt in den Zug, schlängelt sich zwischen Körpern beiderlei Geschlechts und aller Altersgruppen hindurch und greift sich eine der Halteschlaufen. Eine monotone, blecherne Stimme leiert eine vertraute Durchsage herunter; der Zug beschleunigt rasch, hinein ins Dunkel. Er riecht das Parfüm einer jungen Frau, die mit dem Rücken zu ihm steht, betrachtet ihre dichten schwarzen Locken und stellt sich die mokkafarbene Rundung ihrer Wangenknochen vor. Er sieht überhaupt viele Farbige. Die meisten sehen traurig, müde und verloren aus, doch einige lächeln nachdenklich in sich hinein, als erinnerten sie sich an eine heitere Episode aus ihrer Kindheit. Die fröhlichsten halten Plastiktüten und Weihnachtsgeschenke in der Hand. Es bereitet ihm Freude, die verschiedensten Typen zu beobachten, und obwohl er nicht weiß, wohin die Fahrt geht, fühlt er sich unter den Reisenden zu Hause. Vielleicht gerade deswegen, weil es Fremde waren, die ihn in Ruhe ließen und keine neugierigen Fragen stellten. Es war ein angenehmes Gefühl, inkognito unterwegs zu sein.

      Als der Zug anhält, steigen viele aus. Er setzt sich auf einen der freien Plätze und genießt es, die Füße auszustrecken und den Rücken anzulehnen. Ihm gegenüber sitzt ein älterer Herr mit einer kleinformatigen Zeitung. Er trägt einen eleganten grauen Mantel und einen karierten Hut, ein echter Brite. Links von ihm: ein kurzgeschorener Kerl mit Walkman. Zur Rechten: eine Brünette, vertieft in ein Taschenbuch. Neben ihr: ein schlafender Mann, der etwas Indianisches an sich hat. Aufgrund der Fransenjacke oder der Adlernase unter den pechschwarzen Haaren? Winnetou oder der letzte Mohikaner, ohne Pfeil und Bogen.

      Die Menschen sehen einander kaum an; allenfalls wenn diejenigen, die weder lesen noch schlafen, es satt haben, die Werbetexte über den Fenstern zu studieren. Ihre Blicke begegnen sich flüchtig, verändern ihren Ausdruck und schweifen weiter. Genau wie sein eigener Blick, nachdem er ein Gesicht eine Weile betrachtet hatte.

      Der Zug rast von Station zu Station. Zwischenzeitlich füllt er sich wieder, bevor auf einen Schlag viele Leute aussteigen. Er steht auf und


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