Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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wur­den.

      Con­sue­lo sah, dass er der le­thar­gi­schen Kri­se nahe war und fühl­te sich selbst so er­schöpft, der Ohn­macht so nahe, dass sie fürch­te­te, die­se Kri­se nicht mehr be­schwö­ren zu kön­nen. Sie ver­such­te Al­ber­t’s Hän­de in den ih­ri­gen zu be­le­ben, die fast nicht we­ni­ger er­starrt wa­ren.

      – Mein Gott! sag­te sie mit schwa­cher Stim­me und mit ge­bro­che­nem Her­zen, hilf du zwei Un­glück­li­chen, wel­che für ein­an­der fast nichts tun kön­nen.

      Sie sah sich al­lein, mit ei­nem Ster­ben­den ein­ge­schlos­sen, sel­ber ster­bend und ohne dass für sie und ihn Hil­fe zu er­war­ten war, au­ßer von Zden­ko, des­sen Rück­kehr sie den­noch mehr fürch­te­te als wünsch­te.

      Ihr Ge­bet schi­en auf Al­bert eine un­er­war­te­te Wir­kung zu ma­chen.

      – Es be­tet je­mand ne­ben mir, sag­te er und ver­such­te sei­nen Kopf em­por­zu­he­ben. Ich bin nicht al­lein. Nein, nicht al­lein! wie­der­hol­te er, in­dem er Con­sue­lo’s mit der sei­ni­gen fest­ver­schlun­ge­ne Hand sah. Hil­f­rei­che Hand, un­be­greif­li­ches Er­bar­men, mensch­li­ches, brü­der­li­ches Mit­ge­fühl, wie machst du mei­nen Kampf leicht und mein Herz voll Dank! Er drück­te sei­ne star­ren Lip­pen auf Con­sue­lo’s Hand und blieb lan­ge so.

      Eine Re­gung des Scham­ge­fühls brach­te Con­sue­lo zu sich. Sie ge­trau­te sich nicht, ihre Hand dem Un­glück­li­chen zu ent­zie­hen, aber zwi­schen ih­rer Ver­le­gen­heit und Er­schöp­fung un­fä­hig sich noch auf­recht zu hal­ten, war sie ge­zwun­gen sich auf ihn zu leh­nen und ihre an­de­re Hand auf Al­ber­t’s Schul­ter zu stüt­zen.

      – Ich füh­le mich neu er­ste­hen, sag­te Al­bert nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken. Es ist mir, als ob ich in den Ar­men mei­ner Mut­ter wäre. Tan­te Wences­la­wa, wenn Sie es sind, ver­ge­ben Sie mir, dass ich Sie ver­ges­sen habe, Sie und mei­nen Va­ter und mei­ne Fa­mi­lie, die mir bis auf den Na­men selbst, ganz aus dem Sin­ne wa­ren. Ich bin wie­der bei euch, ver­lasst mich nicht; aber gebt mir Con­sue­lo, Con­sue­lo, die so heiß er­sehn­te, die end­lich ge­fun­de­ne … die ich nun nicht mehr fin­de, und ohne die ich doch nicht le­ben kann.

      Con­sue­lo woll­te re­den, aber in dem­sel­ben Maße als Al­ber­t’s Be­sin­nung und Kraft zu­rück­zu­keh­ren schie­nen, schi­en ihr Le­ben zu ent­wei­chen. Von so viel Schre­cken, Mühe, Angst und über­mensch­li­cher An­stren­gung ge­bro­chen, ver­moch­te sie nichts mehr über sich. Das Wort erstarb auf ih­ren Lip­pen, sie fühl­te ihre Knie zu­sam­men­sin­ken, ihre Au­gen sich um­dun­keln. Sie sank an Al­ber­t’s Sei­te nie­der und ihr ohn­mäch­ti­ges Haupt schlug ge­gen des Jüng­lings Brust.

      Im Au­gen­blick er­wach­te Al­bert wie aus ei­nem Trau­me, er sah, er­kann­te sie, stieß einen lau­ten Schrei aus und press­te sie, sich er­man­nend, mit Kraft in sei­ne Arme. Durch die Schlei­er des To­des, die sich, wie sie glaub­te, auf ihre Au­gen­li­der nie­der­senk­ten, sah Con­sue­lo sei­ne Freu­de und er­schrak nicht mehr da­vor. Es war eine hei­li­ge, in Keusch­heit strah­len­de Freu­de. Sie schloss die Au­gen und sank in einen Zu­stand von Ent­kräf­tung, wel­cher we­der Schlaf noch Wa­chen war, son­dern eine Be­wusst­lo­sig­keit und Un­emp­find­lich­keit für al­les, was um sie her ge­sch­ah.

       En­de des drit­ten Teils.

      Anmerkung des Übersetzers

      über die im drit­ten Tei­le er­wähn­ten Sek­ten, nebst ei­ni­gen an­de­ren, und über den Glau­ben an See­len­wan­de­rung.

      Kein Teil der Kir­chen­ge­schich­te bie­tet dem For­scher der Ent­wick­lung mensch­li­cher Kul­tur grö­ße­re Schwie­rig­kei­ten dar als die Ket­zer­ge­schich­te. Wie viel auch in Ge­schichts­wer­ken und ein­zel­nen Ab­hand­lun­gen über die ver­schie­de­nen Sek­ten und ihre Mei­nun­gen und Leh­ren ge­schrie­ben wor­den, den­noch ist es kaum mög­lich, aus dem al­len eine nur ei­ni­ger­ma­ßen deut­li­che An­schau­ung zu ge­win­nen. Die Ur­sa­chen des vor­han­de­nen Wirr­warrs sind nicht schwer zu ent­de­cken. Die meis­ten Sek­ten, de­ren Na­men uns über­lie­fert sind, ken­nen wir nicht aus ei­ner schrift­li­chen Ver­las­sen­schaft ih­rer An­hän­ger, son­dern aus den be­fan­ge­nen, oft bos­haf­ten und ge­flis­sent­lich ver­fäl­schen­den Be­rich­ten ih­rer zum Teil selbst ge­täusch­ten oder übel un­ter­rich­te­ten, zum Teil bös­wil­li­gen Geg­ner. Vie­le die­ser Sek­ten hat­ten die un­ter ih­nen ver­brei­te­ten An­sich­ten so­gar nie­mals zu ei­nem Lehr­be­grif­fe aus­ge­bil­det, son­dern be­stan­den aus ge­mei­nen Leu­ten, Frau­en, Schwär­me­rn, un­theo­re­ti­schen Köp­fen, und ihre An­hän­ger be­kann­ten in den Ver­hö­ren ohne Zwei­fel al­les was ihre In­qui­si­to­ren von ih­nen ir­gend her­au­stor­quie­ren woll­ten, sei es der Ge­walt nach­ge­bend, sei es durch ver­fäng­li­che Fra­gen, de­nen ihre Ein­falt nicht ge­wach­sen war, ver­lei­tet. Die neue­ren Ge­schicht­schrei­ber aber, wel­che die­se Ma­te­ri­en be­han­del­ten, ha­ben zum Teil kein an­de­res In­ter­es­se ge­habt als No­ti­zen auf­zu­häu­fen, ohne sich um die in­ne­re geis­ti­ge Be­deu­tung und den Zu­sam­men­hang der Er­schei­nun­gen zu küm­mern; zum Teil ha­ben sie ih­ren Scharf­sinn dar­an ge­übt, künst­li­che Kom­bi­na­tio­nen der ver­ein­zelt über­lie­fer­ten Tat­sa­chen zu spin­nen, spä­te­re Sek­ten aus frü­he­ren ab­zu­lei­ten, ge­hei­me Mit­tei­lun­gen und Zu­sam­men­hän­ge, Be­kannt­schaf­ten der jün­ge­ren mit äl­te­ren Quel­len und der­glei­chen auf­zu­spü­ren, kurz einen äu­ßer­li­chen Prag­ma­tis­mus her­zu­stel­len, ohne zu ah­nen, dass der mensch­li­che Geist un­ter ähn­li­chen Be­din­gun­gen ähn­li­che Ge­stal­ten des Vor­stel­lens und Den­kens mit Not­wen­dig­keit her­vor­bringt; bei al­len mehr oder min­der fin­det sich end­lich der Man­gel, dass sie von ih­rem be­schränk­ten kirch­li­chen oder re­li­gi­ösen Stand­punk­te aus ur­tei­len und die un­ge­heu­ern Kämp­fe, Lei­den und An­stren­gun­gen des mensch­li­chen Selbst­be­wusst­seins, wel­ches sich zu be­frei­en seufzt und ringt, an ih­ren fer­ti­gen Sät­zen und Schul­mei­nun­gen mes­sen, ohne Sinn und Ge­fühl für den ge­stal­ten­den Le­ben­strieb der Men­schen­na­tur und ohne Ehr­furcht vor den ewi­gen Rech­ten des frei­en Men­schen­geis­tes. Um das We­sens und die Be­deu­tung je­ner au­ßer­kirch­li­chen Par­tei­en zu be­grei­fen und fass­lich dar­zu­stel­len, reicht we­der die her­kömm­li­che theo­lo­gi­sche Be­trach­tungs­wei­se noch der Sche­ma­tis­mus des his­to­ri­schen Vor­trags aus, wel­cher in Kir­chen­ge­schich­ten üb­lich ist. Eine wahr­haf­te Ge­schich­te des mensch­li­chen Selbst­be­wusst­seins soll noch erst ge­schrie­ben wer­den.

      Hier ist es nur um eine leich­te Skiz­ze zu tun, zur Be­frie­di­gung der­je­ni­gen Le­ser, wel­che, un­be­wan­dert in der Kir­chen­ge­schich­te, durch die Nach­rich­ten über ei­ni­ge mit­tel­al­ter­li­che Sek­ten, die sie in die­sem drit­ten Tei­le un­se­rer Con­sue­lo an­tra­fen, viel­leicht ihre Neu­gier­de ge­reizt ge­fun­den ha­ben. Ein ein­fa­cher Fa­den, wel­cher durch das La­by­rinth führt, lässt sich mit Leich­tig­keit fin­den und ist wohl kei­nem der Ge­schichts­for­scher ent­gan­gen; die­sen lie­fert uns die Feind­schaft al­ler Sek­ti­rer ge­gen die von der Kir­che aus­ge­bil­de­te und in bin­den­der und zwin­gen­der Wei­se fest­ge­stell­ten Glau­bens­sät­ze und An­ord­nun­gen zur Er­we­ckung der Ge­wis­sens­ru­he, des See­len­frie­dens und des ewi­gen Heils. Was aber die dem Kirch­tu­me sich ver­nei­nend


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