Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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dass man uns be­horcht und un­se­re Wor­te dem Gra­fen hin­ter­bringt. Die­se De­cke von Sei­de und Sam­met ist sehr dünn, und die Bar­ca­ro­len aus den Pal­läs­ten ha­ben vier­mal so große und wei­te Ohren als un­se­re Bar­ca­ro­len von der Pi­az­za. – Nimm mich mit in dein Zim­mer, sag­te er, als sie am Ein­gan­ge der Cor­te-Mi­nel­li aus­ge­stie­gen wa­ren.

      – Du weißt, dass dies ge­gen die Ab­re­de und ge­gen un­se­re Ge­wohn­heit ist, ant­wor­te­te sie.

      – O, schla­ge mir’s nicht ab, schrie An­zo­le­to, du wür­dest mich in Wut und Verzweif­lung stür­zen.

      Von sei­nem Ton und von sei­nen Wor­ten er­schreckt wag­te Con­sue­lo es ihm nicht ab­zu­schla­gen. Sie zün­de­te ihre Lam­pe an und zog ihre Vor­hän­ge zu. Und da sie ihn nun düs­ter und wie ver­lo­ren in Ge­dan­ken sah, um­schlang sie ihn mit ih­ren Ar­men.

      – Wie un­glück­lich und sor­gen­voll siehst du heut Abend aus! sag­te sie trau­rig. Was geht denn in dir vor?

      – Weißt du es nicht, Con­sue­lo? Kannst du es nicht ver­mu­ten?

      – Nein, bei mei­ner Se­lig­keit!

      – Schwö­re mir, dass du nichts ahnst, schwö­re mir bei der See­le dei­ner Mut­ter, bei dei­nem Je­sus, zu dem du alle Mor­gen und alle Aben­de be­test.

      – O, ich schwö­re dir’s bei Je­sus und bei mei­ner Mut­ter See­le.

      – Und bei un­se­rer Lie­be?

      – Bei un­se­rer Lie­be und bei un­se­rem ewi­gen Heil!

      – Ich glau­be dir, Con­sue­lo, denn es wäre das ers­te mal, dass du ge­lo­gen hät­test.

      – Und wirst du mir jetzt er­klä­ren? …

      – Nichts wer­de ich dir er­klä­ren. Vi­el­leicht wird es bald nö­tig sein, dass ich mich be­greif­lich ma­che … Ha! kommt die­ser Au­gen­blick, dann wirst du nur zu gut schon von selbst be­grif­fen ha­ben. Weh, weh uns bei­den, wenn der Tag kommt, wo du weißt was ich jetzt lei­de!

      – Mein Gott, was für ein schreck­li­ches Un­glück steht uns denn be­vor? O wehe! Muss­ten wir also doch un­ter Gott weiß wel­chem Flu­che mei­ne arme Stu­be wie­der be­tre­ten, wo wir bis da­hin noch kein Ge­heim­nis vor ein­an­der hat­ten. O, ich wusst’ es vor­her, heu­te Mor­gen, als ich sie ver­ließ; ich wusst’ es vor­her, dass ich zu­rück­kom­men wür­de den Tod im Her­zen. Was tat ich nur, dass ich mich ei­nes sol­chen Ta­ges nicht freu­en darf, der doch so schön zu sein schi­en? Hab’ ich nicht in­brüns­tig und aus Her­zens Grund ge­be­tet? Hab’ ich nicht je­den Ge­dan­ken von Hoch­mut aus mei­ner See­le ge­ris­sen? Hab’ ich nicht ge­sun­gen so gut als ich nur ir­gend konn­te? Hab’ ich nicht Clo­rin­dens De­mü­ti­gung be­klagt? Hab’ ich nicht dem Gra­fen, ohne dass er es weiß und ohne dass er es nun noch ver­wei­gern kann, das Ver­spre­chen ab­ge­nom­men, dass sie mit uns als se­con­da Don­na en­ga­giert wer­den soll? Was hab’ ich denn also Bö­ses ge­tan, dass ich sol­che Schmer­zen lei­den müss­te, wie du mir vor­her­sagst, und die ich wahr­lich schon emp­fin­de, weil du, weil du sie fühlst?

      – Wirk­lich, Con­sue­lo, hast du dar­an ge­dacht, der Clo­rin­da ein En­ga­ge­ment zu ver­schaf­fen?

      – Es ist ihr ge­wiss, wenn der Graf ein Mann von Wort ist. Dem ar­men Mäd­chen stand ihr gan­zer Sinn nach dem Thea­ter; sie hat ja auch kei­ne an­de­re Aus­sicht …

      – Und du glaubst, der Graf wer­de die Ro­sal­ba ge­hen las­sen, die et­was kann, und da­für die Clo­rin­da neh­men, die nichts kann?

      – Die Ro­sal­ba wird das Loos ih­rer Schwes­ter Co­ril­la tei­len; und der Clo­rin­da wol­len wir schon Un­ter­richt ge­ben, und ihr zei­gen, was sie aus ih­rer Stim­me, die recht hübsch ist, ma­chen kann. Das Pub­li­kum wird es mit ei­nem so schö­nen Mäd­chen nicht all zu ge­nau neh­men. Und wenn ich für sie üb­ri­gens auch nur die Stel­le der drit­ten Don­na er­hal­te, so ist es doch im­mer eine Stel­le, es ist ein Ein­tritt in die Car­riè­re, es ist ein An­fang.

      – Du bist eine Hei­li­ge, Con­sue­lo. Be­greifst du nicht, dass die­ses dum­me Tier, das sich mehr als glück­lich schät­zen müss­te, durch dei­ne Güte drit­te oder vier­te Frau zu wer­den, es dir doch nim­mer ver­zei­hen wird, dass du die ers­te bist? …

      – Was geht mich ihr Un­dank an? Geh doch, ich habe schon ge­nug er­fah­ren von Un­dank­bar­keit und un­dank­ba­ren Men­schen! –

      – Du? rief An­zo­le­to laut auf­la­chend und sie mit sei­ner al­ten brü­der­li­chen Herz­lich­keit um­schlin­gend.

      – Ja, ich! er­wi­der­te sie, voll Freu­de dass sie sei­ne Sor­gen zer­streut hat­te; ich habe das Bild mei­nes ed­len Meis­ters Por­po­ra bis­her im­mer vor Au­gen ge­habt und es wird mir stets ins Herz ge­gra­ben sein. Oft sind ihm in mei­nem Bei­sein bit­te­re und be­deut­sa­me Wor­te ent­fah­ren, die er mich un­fä­hig glaub­te zu ver­ste­hen, aber sie ha­ben sich in mein Herz ge­drückt und wer­den mir nie wie­der ent­schwin­den. Das ist ein Mann, der viel ge­lit­ten hat, und den der Gram ver­zehrt. Durch ihn, durch sei­ne Trüb­sa­le, durch all den vie­len in ihm auf­ge­häuf­ten Groll, durch die Wor­te, die ihm in mei­ner Ge­gen­wart ent­fie­len, habe ich ge­lernt, dass die Künst­ler ge­fähr­li­che­re und schlech­te­re Men­schen sind, als du wohl denkst, mein lie­ber En­gel! dass das Pub­li­cum leicht­sin­nig, ver­ge­ss­lich, hart­her­zig, un­ge­recht ist; dass eine glän­zen­de Lauf­bahn ein schwe­res Kreuz und der Ruhm eine Dor­nen­kro­ne ist! Ja, ich weiß al­les, und ich habe oft dar­an ge­dacht, und viel dar­über nach­ge­son­nen, so­dass ich mich stark ge­nug füh­le, nicht sehr zu stau­nen und mich nicht zu sehr nie­der­schla­gen zu las­sen, wenn ich es nun an mir selbst er­fah­ren wer­de. Das ist der Grund, wes­halb du mich nicht zu sehr von mei­nem heu­ti­gen Tri­um­phe be­rauscht ge­se­hen hast. Das ist der Grund, wes­halb mich auch in die­sem Au­gen­bli­cke dei­ne schwar­zen Ge­dan­ken nicht mut­los ma­chen. Ich be­grei­fe die­se noch nicht, aber ich weiß, dass ich mit dir, und wenn du mich nur liebst, Kraft ge­nug zum Kamp­fe ha­ben wer­de, um nicht in Men­schen­hass zu fal­len, wie mein ar­mer Meis­ter, der ein ed­ler Greis und recht ein Un­glücks­kind ist.

      Als An­zo­le­to sei­ne Freun­din so re­den hör­te, fand auch er sei­nen Mut und sei­ne Hei­ter­keit wie­der. Sie übte eine große Ge­walt über ihn aus und täg­lich ent­deck­te er mehr in ihr eine Fes­tig­keit des Cha­rak­ters und eine Gerad­heit der Ge­sin­nung, durch wel­che er das er­gänzt fand, was ihm selbst fehl­te. Die Schreck­bil­der der Ei­fer­sucht ver­schwan­den, nach­dem er sich eine Vier­tel Stun­de mit ihr un­ter­hal­ten hat­te, und als sie ihn noch ein­mal be­frag­te, schäm­te er sich sei­nes Arg­wohns ge­gen eine so rei­ne und so ru­hi­ge See­le der­ge­stalt, dass er sei­ner Auf­re­gung an­de­re Ur­sa­chen un­ter­leg­te.

      – Ich habe nur eine Furcht, sag­te er ihr, näm­lich dass der Graf dei­ne Über­le­gen­heit ge­nug er­ken­ne, um mich nicht wert zu ach­ten, dass ich ne­ben dir vor dem Pub­li­kum er­schei­ne. Er hat mich heu­te Abend nicht sin­gen las­sen, ob­gleich ich lau­er­te, dass er uns ein Duett vor­le­gen möch­te. Er schi­en mich so ganz ver­ges­sen zu ha­ben, als ob ich gar nicht da wäre. Er hat nicht ein­mal be­merkt, dass ich zu dei­nem Ge­san­ge recht hübsch be­glei­tet habe. Und end­lich, als er dir von dei­nem En­ga­ge­ment sprach, hat er kein Wort von dem mei­ni­gen ge­sagt. Ist dir denn eine so selt­sa­me Sa­che gar nicht auf­ge­fal­len?

      – Es ist mir


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