Gesammelte Werke. George Sand
Читать онлайн книгу.wir wollen einander heiraten.
Diese kurze und bestimmte Erklärung machte den Grafen ein wenig bestürzt, jedoch fasste er sich sogleich wieder.
– Sie haben recht, Consuelo, antwortete er: es ist auch meine Absicht, euch beide nicht zu trennen. Zoto soll mit Ihnen zugleich debütieren. Nur können wir nicht verhehlen, dass sein Talent, obwohl bemerkenswert, dennoch dem Ihrigen untergeordnet ist.
– Das glaube ich nicht, versetzte Consuelo lebhaft und errötete, als ob ihr selbst eine Beleidigung widerfahren wäre.
– Ich weiß wohl, sagte der Graf lächelnd, dass er Ihr Schüler mehr als des Lehrers ist, den ich ihm gegeben habe. Reden Sie nichts dawider, schöne Consuelo! Als Porpora von euerer Vertraulichkeit hörte, rief er aus: Nun wundere ich mich nicht mehr über manche Vorzüge, die er besitzt, und die ich mit seinen vielen Mängeln nicht zu vereinigen wusste!
– Ich bin dem Signor Professor sehr verbunden, sagte Anzoleto mit gezwungenem Lachen.
– Nun, er wird schon sehen! sagte Consuelo munter. Und das Publikum wird ihn auch Lügen strafen, den lieben, guten Meister.
– Der liebe, gute Meister, entgegnete der Graf, ist, was Gesang anlangt, der erste Richter und der erste Kenner der Welt. Anzoleto wird noch von Ihnen lernen, und wird sehr wohl daran tun. Aber ich muss wiederholen, dass wir keine Norm für sein Engagement feststellen können, bevor wir nicht die Meinung des Publicums über ihn befragt haben. Er soll debütieren, und wir werden suchen, ihn nach der Billigkeit und nach unserem Wohlwollen, auf welches er rechnen kann, zufriedenzustellen.
– Er soll debütieren, und ich auch, erwiderte Consuelo. Wir sind zu des Herrn Grafen Befehl. Aber keinen Kontrakt, keine Unterschrift vor dem Versuche. das steht fest bei mir …
– Sie sind mit den Bedingungen nicht zufrieden, die ich Ihnen anbiete, Consuelo? Wohlan, bestimmen Sie selbst: da, hier ist die Feder! streichen Sie, setzen Sie hinzu. Mein Name steht darunter.
Consuelo nahm die Feder. Anzoleto wechselte die Farbe, und der Graf, der ihn beobachtete, biss vor Vergnügen in den Zipfel seines Halstuchs, den er zwischen den Fingern drehte. Consuelo machte ein großes X über den Kontrakt und schrieb auf die leere Stelle des Papieres: »Anzoleto und Consuelo werden sich engagieren, unter den Bedingungen, welche der Herr Graf Zustiniani, nach ihrem Debüt im Theater San Samuel nächsten Monat ihnen zu gewähren die Güte haben wird.« Sie unterzeichnete geschwind und reichte dann die Feder ihrem Geliebten.
– Zeichne, ohne hinzusehen, sagte sie zu ihm; du kannst nichts besseres tun, um deinem Wohltäter deine Dankbarkeit und dein Vertrauen an den Tag zu legen.
Anzoleto hatte im Fluge gelesen, ehe er unterschrieb; Lesen und Unterschrift war Sache einer halben Minute. Der Graf las über seine Schulter hinweg.
– Consuelo, sagte er, Sie sind ein sonderbares Mädchen, wahrhaftig, ein bewundernswürdiges Geschöpf. Er zerriss den Kontrakt und reichte Consuelo die Hand. Wollt ihr beide mit mir speisen? Consuelo nahm es an, bat aber den Grafen, sie mit Anzoleto in seiner Gondel zu erwarten, weil sie noch ein wenig Toilette machen müsste.
Das ist nun sicher, sagte sie, als sie allein war, ein Hochzeitkleid werde ich mir kaufen können. Sie zog ihr Indiennekleid an, brachte ihre Haare in Ordnung und sprang, während sie mit voller Stimme eine von Kraft und Frische sprudelnde Passage sang, die Treppe hinunter. Der Graf wartete aus übergroßer Höflichkeit mit Anzoleto auf der Treppe. Sie hatte sich dessen nicht versehen und rannte fast in seine Arme. Indem sie sich hurtig wieder losmachte, ergriff sie seine Hand und küsste sie nach Landessitte mit der Ehrfurcht einer Geringeren, welche den Abstand nicht überschreiten will. Dann wendete sie sich um, fiel ihrem Verlobten um den Hals und sprang vergnügt und mutwillig fort und in die Gondel hinein, ohne das zeremonielle Geleit ihres etwas verdrossenen Beschützers abzuwarten.
15.
Als der Graf sah, dass Consuelo den Lockungen des Gewinnes unzugänglich wäre, versuchte er die Triebfeder der Eitelkeit in Bewegung zu setzen, und bot ihr Schmuck und Geschmeide an: sie lehnte auch dieses ab. Anfangs bildete sich Zustiniani ein, dass sie seine geheimen Absichten durchschaute, aber bald bemerkte er, dass es bei ihr nur eine Art Bauernstolz war, und dass sie keine Belohnung annehmen wollte, ohne sie durch Leistungen zum Vorteile seines Theaters verdient zu haben. Indessen nötigte er ihr doch ein Kleid von weißem Atlas auf: er stellte ihr vor, dass sie mit ihrem Indiennekleide nicht schicklich in seinem Salon erscheinen könnte, und dass er sie bitten müsste, aus Rücksicht für ihn, ihre Volkstracht abzulegen. Sie unterwarf sich und gab ihre schöne Taille den modischen Nähterinnen in die Hände, die sie sich nicht übel zu nutze machten und den Stoff nicht sparten. In zwei Tagen war sie in eine elegante Dame verwandelt; sie musste noch eine Schnur lichter Perlen annehmen, welche ihr der Graf unter dem Titel einer Entschädigung für den Abend, wo sie vor ihm und seinen Freunden gesungen hatte, gab: und sie war auch so noch schön, obwohl nicht wie es zu dem Charakter ihrer Schönheit stimmte, aber wenigstens wie sie sein musste, um gewöhnlichen Augen verständlich zu sein. Dies letztere ließ sich freilich nicht vollständig erreichen. Auf den ersten Anblick fesselte und blendete Consuelo niemanden. Sie war immer blass, und bei ihrer Gewohnheit viel zu arbeiten und bei ihrem sittsamen Wesen hatten ihre Blicke nicht jenes beständige Blitzen, wie es bei Frauen, die stets nur zu glänzen bedacht sind, die Augen anzunehmen pflegen. Ihr Wesen wie ihre Miene war von Grund aus ernst und denkend. Essen, gleichgültige Gespräche führen, sich im Zwange des Umgangs höflich langweilen konnte man sie sehen, ohne zu ahnen, dass sie schön wäre. Flog jedoch über ihre Mienen das selige Lächeln, welches sich der Heiterkeit ihres Herzens so leicht gesellte, so fing man an, sie angenehm zu finden. Wurde sie nun beseelter, nahm sie lebhafteren Anteil an dem was vorging, war sie gerührt, war sie begeistert, erhob sie sich zu Offenbarungen ihres inneren Lebens, zu Betätigungen ihrer verborgenen Kraft, so strömte alles Feuer des Genius und der Liebe von ihr aus; sie war ein anderes Wesen; sie riss hin, entflammte, zerschmetterte, ganz wie es ihr gefiel, und ohne dass sie selbst sich Rechenschaft von dem Geheimnis ihrer Macht gab.
Auch fand sich der Graf durch sein Gefühl für sie befremdet und gequält. Es gab in diesem Weltmann künstlerische Saiten, die noch niemals angeschlagen waren, die aber von ihr berührt, in unbekannten Schwingungen erzitterten. Nur drang diese Offenbarung nicht tief genug in die Seele des Patriziers: er fühlte