Auch Zwerge werfen lange Schatten. Karl Kraus

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Auch Zwerge werfen lange Schatten - Karl  Kraus


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anständigen Frauen empfinden es als die größte Dreistigkeit, wenn man ihnen unter das Bewusstsein greift.

      Das Gesetz enthält leider keine Bestimmung gegen die Männer, die ein unschuldiges junges Mädchen unter der Zusage der Verführung heiraten und wenn das Opfer eingewilligt hat, von nichts mehr wissen wollen.

      Die einen verführen und lassen sitzen; die andern heiraten und lassen liegen. Diese sind die Gewissenloseren.

      Mancher rächt an einer Frau durch Gemeinheit, was er durch Torheit an ihr gesündigt hat.

      Den Frauen gegenüber ist man durch die Gesellschaftsordnung immer nur darauf angewiesen, entweder Bettler oder Räuber zu sein.

      Treu und Glauben im Geschlechtsverkehr ist eine Börsenusance.

      Eine Frau muss wenigstens so geschickt kokettieren können, dass der Gatte es merkt. Sonst hat er gar nichts davon.

      Nur der liebt eine Frau wahrhaft, der auch eine Beziehung zu ihren Liebhabern gewinnt. Im Anfang bildet das immer die größte Sorge. Aber man gewöhnt sich an alles, und es kommt die Zeit, wo man eifersüchtig wird und es nicht verträgt, dass ein Liebhaber untreu wird.

      Es müssen nicht immer Vorzüge des männlichen Charakters oder Geistes sein, was die Frauen zur Untreue veranlasst. Was betrogen wird, ist vor allem die Lächerlichkeit der offiziellen Stellung, die der Besitzer einnimmt. Und dagegen bieten selbst körperliche Vorzüge nicht immer einen Schutz.

      Es genügt, eine Frau anzusehen, um eine tiefe Verachtung für ihre Liebhaber zu gewinnen. Nie aber möchte ich sie mit der Verantwortung für diese belasten.

      Wie viel gäbe er ihr, wenn sie ihn um seiner selbst willen liebte!

      Ich kann mich so bald nicht von dem Eindruck befreien, den ich auf eine Frau gemacht habe.

      Er war so eifersüchtig, dass er die Qualen des Mannes empfand, den er betrog, und der Frau an die Gurgel fuhr.

       Vergleichende Erotik

      So wird das Wunderbild der Venus fertig:

      Ich nehme hier ein Aug, dort einen Mund,

      hier eine Nase, dort der Brauen Rund.

      Es wird Vergangenes mir gegenwärtig.

      Hier weht ein Duft, der längst verweht und weit,

      hier klingt ein Ton, der längst im Grab verklungen.

      Und leben wird durch meine Lebenszeit

      das Venusbild, das meinem Kopf entsprungen.

      Es ist nicht wahr, dass man ohne eine Frau nicht leben kann. Man kann bloß ohne eine Frau nicht gelebt haben.

      Das vom Mann verstoßene »Weibchen« rächt sich. Es ist eine Dame geworden und hat ein Männchen im Haus.

      II. MORAL, CHRISTENTUM

      Sittlichkeit ist das, was ohne unzüchtig zu sein mein Schamgefühl gröblich verletzt.

       Kategorien

      Ob sündig oder sittenrein?

      Ob lebend oder schon begraben?

      Doch teilt ihr sie auch in Gefallene ein

      und solche, die nicht gefallen haben.

      Moralische Verantwortung ist das, was dem Mann fehlt, wenn er es von der Frau verlangt.

      Ein Justizmord der Gesellschaftsordnung macht den andern notwendig. Da sie die Huren in die Familie gesperrt hat, muss sie die Mütter ins Bordell sperren. Es ist einfach eine Platzfrage.

      Die Gesellschaft braucht Frauen, die einen schlechten Charakter haben. Solche, die gar keinen haben, sind ein bedenkliches Element.

      Wie stellen sich denn die Tröpfe, nach deren Plan wir leben müssen, eine »Verworfene« vor? Neunzig unter hundert könnten sie ihren Kindern als Erzieherinnen geben. Es ist eine Freudenhausbackenheit, die selbst durch das Leben in einem Nonnenkloster nicht zu verderben wäre.

      Tugend und Laster sind verwandt wie Kohle und Diamant.

      Erotik ist Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und populärste Hindernis ist die Moral.

      Wie schön, wenn ein Mädchen seine gute Erziehung vergisst!

      Das Virginitätsideal ist das Ideal jener, die entjungfern wollen.

      Wird in Deutschland der dramatische Knoten noch immer aus der Jungfernhaut geschürzt?

      Der verfluchte Kerl, rief sie, hat mich in gesegnete Umstände gebracht!

      „Gefallene Frauen“? In die Ehe gefallene Huren!

      Es


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