Tom Sawyers Abenteuer und Streiche, Tom Sawyer als Detektiv & Huckleberry Finns Fahrten (Illustrierte Ausgabe). Марк Твен

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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche, Tom Sawyer als Detektiv & Huckleberry Finns Fahrten (Illustrierte Ausgabe) - Марк Твен


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vor! Wo bist du denn wieder mal so lange gewesen?“

      Tom wollte seine Zuflucht zu einer Lüge nehmen, als er zwei lange, helle Zöpfe einen Rücken herabhängen sah und sie infolge geheimer Sympathie erkannte. Und daneben, auf der Mädchen-Seite, war der einzigste Freiplatz! Sofort entgegnete er: „Ich mußte mit Huckleberry Finn etwas besprechen.“

      Des Lehrers Pulse stockten, er starrte hilflos um sich. Alles Geräusch der Arbeitenden verstummte. Die Schüler glaubten, dieser kühne Bursche habe den Verstand verloren.

      Der Lehrer fragte nochmals: „Du — du mußtest was?“

      „Mit Huckleberry Finn sprechen.“

      Ein Irrtum war nicht mehr denkbar.

      „Thomas Sawyer, das ist die staunenerregendste Antwort, die ich je erhalten habe. Darauf kann nur die Rute antworten. Zieh die Jacke aus!“

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      Des Lehrers Arm arbeitete, bis er völlig ermattet und die Rute kaput war. Dann hieß es: „So, nun geh, und setz dich zu den Mädchen! Und laß dir das zur Warnung dienen!“

      Das Kichern, welches jetzt durch das Schulzimmer ging, schien Tom in Verlegenheit zu bringen, in Wahrheit aber war es vielmehr die wundervolle Nähe seines unbekannten Idols und die mit Ehrfurcht gemischte Freude dieses Glücksfalls. Er ließ sich auf dem Ende der Bank nieder, und das Mädchen wandte sich ab, indem es ostentativ den Kopf drehte. Kichern, Flüstern und Tuscheln erfüllten das Zimmer, aber Tom saß mäuschenstill, die Arme auf das lange Pult vor sich gelegt, und schien eifrig zu lernen. Nach und nach legte sich die allgemeine Beschäftigung mit ihm, und das gewöhnliche Schulsummen füllte wieder die Luft. Sofort begann Tom verstohlen glänzende Blicke auf das Mädchen zu werfen. Dieses merkte es, schnitt ihm ‘ne Grimasse und drehte für die Zeit einer Minute den Kopf von ihm ab. Als sie vorsichtig wieder herumsah, lag ein Pfirsich vor ihr. Sie stieß ihn weg. Tom schob ihn ihr liebenswürdig wieder zu; sie schob ihn nochmals fort, aber weniger heftig. Tom legte ihn geduldig zum dritten Mal auf ihren Platz. „Bitte — nimm, ich hab‘ noch mehr!“ Das Mädchen lächelte bei dieser Anrede, machte aber sonst kein Zeichen des Einverständnisses. Nun begann der Bursche etwas auf seine Tafel zu zeichnen, wobei er sein Werk sorgfältig mit der Hand bedeckte. Eine Zeitlang tat das Mädel gleichgültig; aber ihre Neugier begann sich doch bald bemerkbar zu machen durch begehrliche Blicke. Tom arbeitete weiter, ohne eine Ahnung davon. Das Mädel bewerkstelligte eine Art Verrenkung, um einen Blick auf Toms Werk werfen zu können, der aber merkte noch immer nichts.

      Schließlich gab sie nach und flüsterte zögernd: „Laß mich sehen!“

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      Tom enthüllte sofort eine klägliche Karikatur eines Hauses mit zwei schiefen Giebeln und korkzieherförmigem Rauch über dem Schornstein. Das Interesse der Kleinen an dem Werk wurde immer lebhafter, sie vergaß alles darüber. Als es beendet war, betrachtete sie es einen Moment und flüsterte dann: „Zu niedlich! Mach einen Mann!“

      Der Künstler errichtete im Vordergrund einen Mann, einen wahren Mastbaum. Er hätte mit Leichtigkeit über das Haus wegsteigen können; aber die Kleine war nicht kritisch. Sie war zufrieden mit dem Monstrum.

      „Ein wundervoller Mann — jetzt mach mich, wie ich daher komme!“

      Tom malte so etwas wie ein Zifferblatt, darüber einen Vollmond auf einem Strohhalm von Hals, und Arme, in deren ausgespreizten Fingern ein mächtiger Fächer steckte. Das Mädchen sagte: „Reizend, Tom. Ich wollte, ich könnte auch zeichnen.“

      „‘s ist ganz leicht,“ flüsterte Tom, „ich will‘s dich lehren.“

      „Ja, willst du? Wann?“

      „Am Mittag. Gehst du zum Essen nach Haus?“

      „Wenn du bleibst, bleib ich auch.“

      „Na, gut also. — Wie heißt du denn?“

      „Becky Thatcher. — Und du? Ach, ich weiß: Thomas Sawyer.“

      „So heiß ich, wenn ich was getan hab‘. Wenn ich brav bin, nennt man mich Tom. Du wirst mich Tom nennen, nicht wahr?“

      „Ja.“

      Nun begann Tom etwas auf die Tafel zu kritzeln, was das Mädchen wieder nicht sehen sollte. Aber sie ließ sich nicht mehr abweisen. Sie verlangte, es zu sehen.

      „Es ist nichts,“ sagte Tom gleichgültig.

      „Es ist doch was.“

      „Nein, es ist nichts. Du brauchst‘s nicht zu sehen.“

      „Doch, ich will‘s sehen. Ich will. — Laß mich sehen, bitte!“

      „Ich will‘s dir sagen.“

      „Nein, ich will nicht — ich will, ich will, ich will es sehen!“

      „Aber du sagst es doch niemand? So lang du lebst?“

      „Nein, ich sag‘s niemand. Jetzt laß mich sehen!“ Und sie legte ihre kleine Hand auf seine, und ein kleines Handgemenge folgte. Tom tat, als wehre er sich im Ernst, ließ aber doch seine Hand langsam abgleiten, bis die Worte sichtbar wurden:

      „Ich liebe dich!“

      „Garstiger Junge!“ Dabei gab sie ihm einen kleinen Klaps, schien aber doch nicht allzu böse zu sein.

      Gerade in diesem schönen Moment fühlte Tom einen schweren Griff am Ohr und eine unwiderstehlich emporziehende Gewalt. So wurde er durch das Schulzimmer eskortiert und auf seinen eigenen Platz befördert, unter einem Kreuzfeuer von Spott und Gelächter der ganzen Schule. Dann blieb der Lehrer während eines schrecklichen Augenblickes neben ihm stehen und kehrte dann endlich auf seinen Thron zurück, ohne ein Wort gesprochen zu haben. Aber obwohl Toms Ohr schmerzte, war sein Herz doch voll Jubel.

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      Als die Schule wieder beruhigt war, machte Tom einen sehr ehrenwerten Versuch, zu arbeiten, aber der Sturm in ihm war zu heftig. Dann sollte er lesen und brachte ein klägliches Gestümper zu Tage, in der Geographiestunde machte er Seen zu Bergen, Berge zu Flüssen, Flüsse zu Erdteilen, bis das Chaos wieder hereinbrach. Schließlich beim Buchstabieren wühlte er sich durch eine Menge einzelner Worte und Silben, bis er sich völlig festgerannt hatte und die Zinn-Medaille, die er vor Monaten als besondere Auszeichnung gewonnen hatte, wieder abgeben mußte.

      Siebentes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Je gewissenhafter Tom sich bemühte, seine Gedanken an das Buch zu fesseln, um so mehr schweiften sie in die Ferne. So gab er es schließlich mit einem Seufzer auf und gähnte. Es wollte ihm scheinen, als werde es heute niemals Mittagszeit. Die Luft stand bewegungslos; kein Hauch. Es war der schläfrigste aller schläfrigen Tage. Das halb erstickte Murmeln der fünfundzwanzig Kinder, die da so eifrig studierten, lullte Toms Seele ein, gleich dem Gesumse der Bienen. Draußen im prallen Sonnenschein reckte Cardiff Hill sein im saftigsten Grün prangendes Haupt durch den schimmernden Schleier der Luft, die aus der Ferne gesehen, die Farbe des Purpurs angenommen hatte — infolge der großen Hitze. Ein paar Vögel wiegten sich auf müßigen Schwingen hoch im Zenith. Sonst war kein Lebewesen sichtbar, außer ein paar Kühen, und die schliefen auch. Toms Herz lechzte nach Freiheit oder wenigstens irgend welcher Beschäftigung, um damit diese traurigen Stunden totzuschlagen. Seine Hand wanderte in die Tasche, und über sein Gesicht huschte ein Schimmer freudiger Dankbarkeit, ihm selbst unbewußt. Dann wurde die Zündholzschachtel ans Tageslicht befördert. Er befreite die Wanze und setzte sie vor sich auf die Bank. Das unvernünftige Tier wurde wahrhaftig von demselben Ausdruck des Dankes verschönt, aber


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