Das Narrenschiff. Sebastian Brant

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Das Narrenschiff - Sebastian Brant


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      und tut in Sünden blind verharren;

      alle Gassen und Straßen sind voll Narren,

      die treiben Torheit an jedem Ort

      und wollen es doch nicht haben Wort.

      Drum hab’ ich gedacht zu dieser Frist,

      wie ich den Narren Schiff’ ausrüst’:

      Galeere, Füst1, Krack2, Naue3, Bark,

      Kiel, Weidling4, Bagger, Rennschiff stark,

      auch Schlitten, Karre, Schiebkarr’, Wagen:

      Es könnt’ ein Schiff nicht alle tragen,

      die jetzt sind in der Narren Zahl;

      ein Teil sucht Fuhrwerk überall,

      der stiebt umher gleichwie die Immen,

      versucht es, zu dem Schiff zu schwimmen:

      Ein jeder will der erste sein.

      Viel Narren und Toren kommen drein,

      deren Bildnis ich hier hab’ gemacht.

      Wär’ jemand, der die Schrift veracht’,

      oder einer, der sie nicht könnt’ lesen,

      der sieht im Bilde5 wohl sein Wesen

      und schaut in diesem, wer er ist,

      wem gleich er sei, was ihm gebrist.

      Den Narrenspiegel ich dies nenne,

      in dem ein jeder Narr sich kenne;

      wer selbst er sei, wird dem vertraut,

      der in den Narrenspiegel schaut.

      Wer sich recht spiegelt, der lernt wohl,

      daß er nicht weis’ sich achten soll,

      nicht von sich halten, was nicht ist,

      denn niemand lebt, dem nichts gebrist

      oder der sagen darf fürwahr,

      daß er sei weis’ und nicht ein Narr;

      denn wer sich für einen Narren hält,

      wird bald den Weisen zugesellt,

      wer aber immer will weise sein,

      ist fatuus6, der Gevatter mein,

      der sich zu mir recht übel stellt,

      wenn er dies Büchlein nicht behält.

      Hier ist die wahre Narrenweide;

      ein jeder findet, was ihn kleide,

      und auch wozu er sei geboren,

      warum so viele sind der Toren;

      welch hohes Ansehen Weisheit fand,

      wie trübselig der Narren Stand.

      Hier findet man der Welten Lauf,

      drum ist dies Büchlein gut zum Kauf.

      Zu Scherz und Ernst und allem Spiel

      trifft man hier Narren, wie man will;

      ein Weiser sieht, was ihm behagt,

      ein Narr gern von den Brüdern sagt.

      Hier hat man Toren, arm und reich,

      schlim schlem7, gleich findet gleich.

      Die Kappe schneid’ ich manchem Mann,

      er nimmt es sich trotzdem nicht an;

      wenn ich beim Namen ihn genannt,

      spräch’ er, ich hätt’ ihn nicht erkannt.

      Doch hoff’ ich, daß die Weisen alle

      drin finden werden, was gefalle,

      und sagen dann mit Wissenheit8,

      daß ich gab recht und gut Bescheid.

      Und da ich das von ihnen weiß,

      geb’ ich um Narren einen Schweiß;

      sie müssen hören Wahrheit alle,

      ob ihnen es auch nicht gefalle.

      Wiewohl Terentius9 saget, daß

      wer Wahrheit spricht, erlanget Haß;

      und wer sich lange schneuzen tut,

      der wirft zuletzt von sich das Blut;

      und wenn man coleram10 anregt,

      so wird die Galle oft bewegt.

      Darum beacht’ ich, was man spricht

      mit Worten hinterm Rücken, nicht,

      noch wenn man schilt die gute Lehr’.

      Ich habe solcher Narren mehr,

      denen Weisheit nicht gefället wohl,

      dies Büchlein ist derselben voll.

      Doch bitt’ ich jeden, daß er mehr

      ansehen woll’ Vernunft und Ehr’

      als mich und dies mein schwach Gedicht.

      Ich hab’ fürwahr ohn’ Mühe nicht

      so viele Narrn zuhauf gebracht:

      Gar oft hab’ ich gewacht die Nacht,

      die schliefen, deren ich gedacht,

      oder saßen vielleicht bei Spiel und Wein,

      wo sie gedachten wenig mein;

      ein Teil in Schlitten fuhr umher

      im Schnee, wo sie gefroren sehr;

      ein Teil trieb Kindereien just;

      die andern schätzten den Verlust,

      der sie desselben Tags betroffen,

      und welchen Gewinn sie könnten hoffen,

      und wie sie morgen wollten lügen

      geschwätzig, verkaufen und manchen trügen.

      Um solchen nachzudenken allen,

      wie mir Weis’, Wort und Werk gefallen,

      hab’ ich, kein Wunder ist’s, gar oft

      gewacht, wann niemand es gehofft,

      damit man tadle nicht mein Werk. –

      In diesen Spiegel sollen schauen

      die Menschen alle, Männer, Frauen;

      die einen mit den andern ich mein’:

      Die Männer sind nicht Narrn allein,

      man findet auch Närrinnen viel,

      denen ich Kopftuch, Schleier und Wil11

      mit Narrenkappen hier bedecke.

      Auch Mädchen haben Narrenröcke;

      sie wollen jetzt tragen offenbar,

      was sonst für Männer schändlich war:

      Spitze Schuh’ und ausgeschnittne Röcke,

      daß


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