Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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Adres­se von der Woh­nung ha­ben!« Er such­te sie her­aus und gab sie durch. »So, und nun schnells­tens auf eure Pos­ten! In die Fa­brik kann üb­ri­gens der Er­satz­mann al­lein ge­hen, und das erst mor­gen früh. Da wer­den sie ihm den Mann schon zei­gen! Ich sage dort Be­scheid. Und in ei­ner Stun­de bin ich selbst in sei­ner Woh­nung …«

      Er hat­te aber so viel zu dik­tie­ren und zu te­le­fo­nie­ren, dass er erst sehr viel spä­ter zur Woh­nung der Eva Klu­ge kam. Sei­ne Leu­te sah er nicht, und an der Tür klin­gel­te er um­sonst. So blieb auch ihm nur die Nach­ba­rin, die Gesch.

      »Der Klu­ge? Sie mei­nen den Klu­ge? Nee, der wohnt hier nich. Hier wohnt bloß sei­ne Frau, lie­ber Mann, die lässt den schon längst nicht mehr in die Woh­nung. Die ist aber ver­reist. Wo er wohnt? Wie soll ich das wis­sen, lie­ber Mann? Der treibt sich doch nur so rum, im­mer mit Wei­bern. Ich hab we­nigs­tens mal so was ge­hört, aber ich will nischt ge­sagt ha­ben. Die Frau hat mir schon Vor­wür­fe ge­nug ge­macht, weil ich dem Mann mal in ihre Woh­nung ge­hol­fen habe.«

      »Hö­ren Sie mal, Frau Gesch«, sag­te Esche­rich und war in den Flur der Woh­nung ein­ge­tre­ten, da sie ihm die Tür vor der Nase zu­schla­gen woll­te. »Nun er­zäh­len Sie mir mal rei­ne­weg al­les, was Sie von den Klu­ges wis­sen!«

      »Wie komm ich denn dazu, lie­ber Mann, und wie kom­men Sie dazu, hier ein­fach in mei­ne Woh­nung …«

      »Ich bin näm­lich der Kom­missar Esche­rich von der Ge­hei­men Staats­po­li­zei, und wenn Sie mei­nen Aus­weis se­hen wol­len …«

      »Nee, nee!«, rief die Gesch ab­weh­rend und war er­schro­cken bis an die Wand der Kü­che zu­rück­ge­wi­chen. »Nischt will ich sehn, nischt will ich hö­ren! Und von den Klu­ges habe ich Ih­nen schon al­les ge­sagt, was ich weiß!«

      »Nun, ich den­ke, das wer­den Sie sich noch über­le­gen, Frau Gesch, wenn Sie mir hier näm­lich nichts er­zäh­len wol­len, dann müss­te ich Sie nach der Prinz-Al­brecht-Stra­ße auf die Ge­sta­po ein­la­den zu ei­nem rich­ti­gen Ver­hör. Das wür­de Ih­nen be­stimmt kei­nen Spaß ma­chen. Hier un­ter­hal­ten wir uns doch nur ein biss­chen in al­ler Ge­müt­lich­keit, nichts wird auf­ge­schrie­ben …«

      »Ja doch, Herr Kom­missar. Aber ich habe wirk­lich nichts mehr zu er­zäh­len. Ich weiß doch von de­nen gar nichts.«

      »Wie Sie wol­len, Frau Gesch. Ma­chen Sie sich dann fer­tig, ich habe un­ten ein paar Leu­te, Sie kön­nen gleich mit­kom­men. Und le­gen Sie Ihrem Mann – Sie ha­ben doch einen Mann? Aber na­tür­lich ha­ben Sie einen Mann! –, also le­gen Sie Ihrem Mann mal einen Zet­tel hin: ›Bin auf der Ge­sta­po. Rück­kunft un­be­stimmt!‹ Also los, Frau Gesch! Schrei­ben Sie den Zet­tel!«

      Die Gesch war blass ge­wor­den, ihre Glie­der flo­gen, die Zäh­ne klap­per­ten in ih­rem Mund.

      »So was wer­den Sie doch nicht tun, lie­ber, lie­ber Herr!«, fleh­te sie.

      Er ant­wor­te­te mit ge­spiel­ter Grob­heit: »Na­tür­lich wer­de ich so was tun, Frau Gesch, wenn Sie mir näm­lich wei­ter eine selbst­ver­ständ­li­che Aus­kunft ver­wei­gern. Also sei­en Sie ver­nünf­tig, set­zen Sie sich hier­her und er­zäh­len Sie mir al­les, was Sie von den Klu­ges wis­sen. Wie ist denn die Frau?«

      Na­tür­lich nahm die Gesch Ver­nunft an. Im Grun­de war er ein sehr lie­ber Herr, die­ser Herr von der Ge­sta­po, ganz an­ders, als sie sich sol­che Her­ren vor­ge­stellt hat­te. Und na­tür­lich er­fuhr Kom­missar Esche­rich al­les, was es eben bei der Gesch zu er­fah­ren gab. So­gar von dem SS-Mann Kar­le­mann hör­te er, denn was die Eck­knei­pe wuss­te, das wuss­te die Gesch na­tür­lich auch. Der tüch­ti­gen Ex-Brief­trä­ge­rin Eva Klu­ge hät­te es das Herz ab­ge­drückt, wenn sie ge­hört hät­te, wie sehr sie und ihr ehe­ma­li­ger Lieb­ling Kar­le­mann in der Leu­te Mun­de wa­ren.

      Als Kom­missar Esche­rich von der Gesch schied, ließ er nicht nur ein paar Zi­gar­ren für den Mann zu­rück, son­dern er hat­te auch der Ge­sta­po eine eif­ri­ge, un­be­zahl­te und un­be­zahl­ba­re Spio­nin ge­won­nen. Sie wür­de nicht nur auf die Woh­nung der Klu­ges stän­dig ein Auge ha­ben, son­dern auch über­all im Haus und in den Schlan­gen vor den Ge­schäf­ten lau­schen und den lie­ben Kom­missar stets so­fort an­ru­fen, wenn sie was er­fuhr, was er brau­chen konn­te.

      In Ver­folg die­ser Un­ter­hal­tung rief Kom­missar Esche­rich sei­ne bei­den Leu­te wie­der ab. Die Wahr­schein­lich­keit, dass man den Klu­ge in der Woh­nung sei­ner Frau er­wi­sch­te, war nach dem Er­fah­re­nen ganz ge­ring, au­ßer­dem pass­te die Gesch auf die Woh­nung auf. Dann ging Kom­missar Esche­rich noch auf das Post­amt und zu der Par­tei­dienst­stel­le und zog wei­te­re Er­kun­di­gun­gen über die­se Frau Klu­ge ein. Nie konn­te man wis­sen, wozu so was gut war.

      Esche­rich hät­te de­nen auf der Post und der Par­tei ganz gut sa­gen kön­nen, dass er einen Zu­sam­men­hang zu ken­nen glaub­te zwi­schen dem Par­tei­austritt der Frau Klu­ge und den Schand­ta­ten ih­res Soh­nes in Po­len. Er hät­te auch die Adres­se von Frau Klu­ge im Rup­pin­schen ver­ra­ten kön­nen, hat­te er sich doch von dem Brief von der Klu­ge an die Gesch, als sie die Schlüs­sel schick­te, die An­schrift no­tiert. Aber Esche­rich tat das nicht, er frag­te viel, aber Aus­künf­te gab er nicht. Wohl war das die Par­tei und das Post­amt, also et­was Amt­li­ches, aber die Ge­sta­po ist nicht da­für da, an­de­ren in ih­ren Ge­schäf­ten zu hel­fen. Da­für ist sie sich zu gut – und in die­sem Punk­te we­nigs­tens teil­te Kom­missar Esche­rich die all­ge­mei­ne Ge­sta­po-Ein­bil­dung voll­kom­men.

      Das muss­ten auch die Her­ren in der Fa­brik er­fah­ren. Sie tru­gen Uni­form, und sie wa­ren, in der Rang­stu­fe und auch vom Ge­halt aus ge­se­hen, si­cher et­was sehr viel Hö­he­res als der farb­lo­se Kom­missar. Aber er blieb da­bei: »Nein, mei­ne Her­ren, was ge­gen den Klu­ge vor­liegt, das ist al­lein Sa­che der Ge­hei­men Staats­po­li­zei. Dar­über sage ich nichts. Ih­nen er­öff­ne ich nur, dass Sie den Klu­ge an­stands­los kom­men und ge­hen las­sen, wie er Lust hat, dass es kei­ne An­schnau­ze­rei­en und Verängs­ti­gun­gen mehr gibt und dass Sie den durch mich aus­ge­wie­se­nen Be­am­ten an­stands­los Zu­lass in Ihrem Be­trieb ge­ben und ihre Ar­beit, so­weit das in Ih­rer Macht steht, un­ter­stüt­zen wer­den. Ha­ben wir uns nun ver­stan­den?«

      »Ich bit­te um eine schrift­li­che Be­stä­ti­gung die­ser An­ord­nun­gen!«, rief der Of­fi­zier. »Und das heu­te noch!«

      »Heu­te noch? Das wird ein biss­chen spät. Aber viel­leicht mor­gen. Vor mor­gen kommt der Klu­ge be­stimmt nicht. Wenn er über­haupt wie­der hier­her­kommt! Also dann, Heil Hit­ler, mei­ne Her­ren!«

      »Gott­ver­dam­mich!«, knirsch­te der Of­fi­zier. »Die­se Ker­le wer­den im­mer an­ma­ßen­der! Die gan­ze Ge­sta­po soll der Hen­ker ho­len! Die den­ken, weil sie je­den Deut­schen ein­ste­cken kön­nen, dür­fen sie sich al­les er­lau­ben. Aber ich bin Of­fi­zier, ich bin so­gar Be­rufs­of­fi­zier …«

      »Was ich noch sa­gen woll­te …«, der Kopf Esche­richs er­schi­en wie­der im Tür­spalt, »hat der Mann viel­leicht hier noch Pa­pie­re, Brie­fe, per­sön­li­ches Ei­gen­tum?«

      »Da müs­sen Sie sei­nen Meis­ter nach fra­gen! Der hat einen Schlüs­sel zu sei­nem Schrank …«

      »Also schön«, sag­te Esche­rich und sank auf einen Stuhl. »Da fra­gen Sie denn also den Meis­ter da­nach, Herr Ober­leut­nant! Aber wenn es Ih­nen nicht zu viel Mühe macht, ein biss­chen schnell, ja?«

      Ei­nen


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