Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke

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Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke - Rainer Maria  Rilke


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Denn sieh, ich sehe seine Widersacher,

       und sie sind mehr als Lügen in der Zeit, –

       und er wird aufstehn in dem Land der Lacher

       und wird ein Träumer heißen: denn ein Wacher

       ist immer Träumer unter Trunkenheit.

      Du aber gründe ihn in deine Gnade,

       in deinem alten Glanze pflanz ihn ein;

       und mich laß Tänzer dieser Bundeslade,

       laß mich den Mund der neuen Messiade,

       den Tönenden, den Täufer sein.

      Ich will ihn preisen. Wie vor einem Heere

       die Hörner gehen, will ich gehn und schrein.

       Mein Blut soll lauter rauschen denn die Meere,

       mein Wort soll süß sein, daß man sein begehre,

       und doch nicht irre machen wie der Wein.

      Und in den Frühlingsnächten, wenn nicht viele

       geblieben sind um meine Lagerstatt,

       dann will ich blühn in meinem Saitenspiele

       so leise wie die nördlichen Aprile,

       die spät und ängstlich sind um jedes Blatt.

      Denn meine Stimme wuchs nach zweien Seiten

       und ist ein Duften worden und ein Schrein:

       die eine will den Fernen vorbereiten,

       die andere muß meiner Einsamkeiten

       Gesicht und Seligkeit und Engel sein.

      Und gib, daß beide Stimmen mich begleiten,

       streust du mich wieder aus in Stadt und Angst.

       Mit ihnen will ich sein im Zorn der Zeiten,

       und dir aus meinem Klang ein Bett bereiten

       an jeder Stelle, wo du es verlangst.

      Die großen Städte sind nicht wahr; sie täuschen

       den Tag, die Nacht, die Tiere und das Kind;

       ihr Schweigen lügt, sie lügen mit Geräuschen

       und mit den Dingen, welche willig sind.

      Nichts von dem weiten wirklichen Geschehen,

       das sich um dich, du Werdender, bewegt,

       geschieht in ihnen. Deiner Winde Wehen

       fällt in die Gassen, die es anders drehen,

       ihr Rauschen wird im Hin-und Wiedergehen

       verwirrt, gereizt und aufgeregt.

      Sie kommen auch zu Beeten und Alleen –:

      Denn Gärten sind, – von Königen gebaut,

       die eine kleine Zeit sich drin vergnügten

       mit jungen Frauen, welche Blumen fügten

       zu ihres Lachens wunderlichem Laut.

       Sie hielten diese müden Parke wach;

       sie flüsterten wie Lüfte in den Büschen,

       sie leuchteten in Pelzen und in Plüschen,

       und ihrer Morgenkleider Seidenrüschen

       erklangen auf dem Kiesweg wie ein Bach.

      Jetzt gehen ihnen alle Gärten nach –

       und fügen still und ohne Augenmerk

       sich in des fremden Frühlings helle Gammen

       und brennen langsam mit des Herbstes Flammen

       auf ihrer Äste großem Rost zusammen,

       der kunstvoll wie aus tausend Monogrammen

       geschmiedet scheint zu schwarzem Gitterwerk.

      Und durch die Gärten blendet der Palast

       (wie blasser Himmel mit verwischtem Lichte),

       in seiner Säle welke Bilderlast

       versunken wie in innere Gesichte,

       fremd jedem Feste, willig zum Verzichte

       und schweigsam und geduldig wie ein Gast.

      Dann sah ich auch Paläste, welche leben;

       sie brüsten sich den schönen Vögeln gleich,

       die eine schlechte Stimme von sich geben.

       Viele sind reich und wollen sich erheben, –

       aber die Reichen sind nicht reich.

      Nicht wie die Herren deiner Hirtenvölker,

       der klaren, grünen Ebenen Bewölker

       wenn sie mit schummerigem Schafgewimmel

       darüber zogen wie ein Morgenhimmel.

       Und wenn sie lagerten und die Befehle

       verklungen waren in der neuen Nacht,

       dann wars, als sei jetzt eine andre Seele

       in ihrem flachen Wanderland erwacht –:

       die dunklen Höhenzüge der Kamele

       umgaben es mit der Gebirge Pracht.

      Und der Geruch der Rinderherden lag

       dem Zuge nach bis in den zehnten Tag,

       war warm und schwer und wich dem Wind nicht aus.

       Und wie in einem hellen Hochzeitshaus

       die ganze Nacht die reichen Weine rinnen:

       so kam die Milch aus ihren Eselinnen.

      Und nicht wie jene Scheichs der Wüstenstämme,

       die nächtens auf verwelktem Teppich ruhten,

       aber Rubinen ihren Lieblingsstuten

       einsetzen ließen in die Silberkämme.

      Und nicht wie jene Fürsten, die des Golds

       nicht achteten, das keinen Duft erfand,

       und deren stolzes Leben sich verband

       mit Ambra, Mandelöl und Sandelholz.

      Nicht wie des Ostens weißer Gossudar,

       dem Reiche eines Gottes Recht erwiesen;

       er aber lag mit abgehärmtem Haar,

       die alte Stirne auf des Fußes Fliesen,

       und weinte, – weil aus allen Paradiesen

       nicht eine Stunde seine war.

      Nicht wie die Ersten alter Handelshäfen,

       die sorgten, wie sie ihre Wirklichkeit

       mit Bildern ohnegleichen überträfen

       und ihre Bilder wieder mit der Zeit;

       und die in ihres goldnen Mantels Stadt

       zusammgefaltet waren wie ein Blatt,

       nur leise atmend mit den weißen Schläfen …

      Das waren Reiche, die das Leben zwangen

       unendlich weit zu sein und schwer und warm.

       Aber der Reichen Tage sind vergangen,

       und keiner wird sie dir zurückverlangen,

       nur mach die Armen endlich wieder arm.

      Sie sind es nicht. Sie sind nur die Nicht-Reichen,

       die ohne Willen sind und ohne Welt;

       gezeichnet mit der letzten Ängste Zeichen

       und überall entblättert und entstellt.

      Zu ihnen drängt sich aller Staub der Städte,

       und aller Unrat hängt sich an sie an.

       Sie sind verrufen


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