Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz


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sie zu­nächst mit Strand­ha­fer, um sie ge­gen Re­gen­güs­se und Stür­me zu fes­ti­gen. Da­nach be­ka­men sie noch meh­re­re Jah­re hin­durch nur das schnell wu­chern­de di­cke Kraut »Fetthen­ne« ge­nannt zu tra­gen, das sie ganz mit sei­nem dunklen Grün und im Som­mer mit großen ro­ten und gel­ben Blü­ten über­schüt­te­te, bis sie gründ­lich mit Wur­zel­werk durch­floch­ten wa­ren. Dann aber pflanz­te ich die sta­chel­be­wehr­te, sich rasch ver­brei­ten­de Aloe an und in Rei­hen die hoch­stre­ben­de Juk­ka; aus ih­rer mes­ser­schar­fen Blät­ter­kro­ne schoss im Früh­jahr und Herbst der mehr als me­ter­lan­ge Sten­gel mit dem mäch­ti­gen wei­ßen Blü­ten­kan­de­la­ber em­por, der die hol­de Ge­stalt des Mai­blüm­chens ver­rie­sen­facht und sei­ne schne­ei­gen Glo­cken im Mond­licht wie Feen­lei­ber schim­mern lässt. Ich lieb­te je­des ein­zel­ne mei­ner Son­nen­kin­der und sprach sie an, als war­te­ten sie auf den Zu­spruch des Men­schen, was ich heu­te noch über­zeug­ter glau­be als da­mals. Mei­ne Pflan­zung ver­mehr­te sich mit un­glaub­li­cher Schnel­lig­keit, das in­di­sche Gras mit sei­nen ho­hen hel­len Bü­scheln we­del­te im See­wind dar­über, und die dicht­be­wach­se­nen, un­be­tret­ba­ren Hü­gel ga­ben mit ih­ren nach al­len Sei­ten star­ren­den Waf­fen den Ein­druck ei­nes eben­so fan­tas­ti­schen wie wehr­haf­ten Boll­werks, das je­doch treff­lich dem Stil der Land­schaft ent­sprach. Kein Wan­de­rer, der nicht über­rascht vor der dich­ten hoch­ge­türm­ten grü­nen Fül­le in­mit­ten der wei­ten un­be­bau­ten Sand­wüs­te ste­hen­blieb, und man­cher nahm das Bild heim­lich in sei­ner Ka­me­ra mit. – Vi­el­leicht war es kin­disch und ist es in der Wie­de­r­er­we­ckung noch, den Bau des klei­nen Gar­tens so wich­tig zu neh­men. Für mich war er mehr, er war mir die er­füll­te Sehn­sucht ei­nes von vorn­her­ein ins Geis­ti­ge ge­pflanz­ten Da­seins nach sei­nem an­de­ren Pol, dem Stoff­li­chen. Wenn mei­ne Hän­de im Erd­bo­den pflanz­ten und schaff­ten, so war mir als wür­de ich durch die­ses Tun im greif­bar Wirk­li­chen erst ein gan­zer Mensch. Kei­ne vom Gärt­ner ge­schaf­fe­ne noch so große und herr­li­che An­la­ge hät­te mir nur ein Hun­derts­tel von dem Glücks­ge­fühl ge­ge­ben, das mich beim An­schau­en mei­ner ei­ge­nen klei­nen Schöp­fun­gen durch­drang. Sie schie­nen die Lie­be, wo­mit ich sie an­blick­te, zu füh­len und durch ihr freu­di­ges Wachs­tum er­wi­dern zu wol­len. Denn Lie­be ist das ir­di­sche Son­nen­licht; nichts Le­ben­des, und stün­de es auf der un­ters­ten Stu­fe, wi­der­steht ihm.

      Schnell wuchs die Sied­lung. Auf der einen Sei­te, dem Dorf zu, bau­ten sich Hil­de­brands und Fa­so­las, spä­ter die Wit­we des Zoo­lo­gen Dohrn aus Nea­pel mit großen Vil­len an, auf der an­de­ren in der Rich­tung auf den Fi­u­met­to die ver­wit­we­te Frau An­ge­la Böck­lin und ihr Schwie­ger­sohn Bruck­mann, alle in wei­ten Ab­stän­den mit grö­ße­ren Gar­ten­an­la­gen da­zwi­schen. Die neu­en zo­gen ihre Freun­de nach, aber noch wach­te Ed­gar als Pfad­fin­der und ers­ter An­sied­ler über die Zu­las­sung, dass kei­ne ba­nau­si­schen oder sno­bi­schen Ele­men­te ein­dran­gen, die den auf ad­li­ge Frei­heit ge­stell­ten Geist des klei­nen Men­schen­bun­des ge­fähr­det hät­ten. Er durf­te so wäh­le­risch sein, denn es wa­ren al­les Kli­en­ten von ihm, die ihm nach­zo­gen um auch in der Som­mer­fri­sche die Nähe ih­res ärzt­li­chen Be­ra­ters nicht zu ent­beh­ren. Man leb­te wie eine große Fa­mi­lie, fand sich am Strand zu­sam­men, be­such­te sich ge­gen­sei­tig in den aus Schilf er­rich­te­ten, mit Laub­werk ge­deck­ten Ba­de­hüt­ten, wo man hal­be Tage mit ei­ner Ar­beit sit­zen konn­te. Ein mo­di­sches Trei­ben wie in an­de­ren See­bä­dern durf­te es in For­te nicht ge­ben, größ­te Ein­fach­heit war Ge­bot; die Da­men­welt be­gnüg­te sich mit den von mir er­fun­de­nen Meer­ge­wän­dern von grie­chi­schem Schnitt, die so schön im See­wind bausch­ten; am al­ler­schöns­ten lie­ßen sie sich aus der bil­li­gen wei­ßen Nes­sel her­stel­len, die, wenn feucht aus­ge­wun­den, die schön­ge­bro­che­nen Fal­ten er­gab, wie man sie auf der an­ti­ken Plas­tik sieht. Die meis­te Zeit des Ta­ges ge­hör­te dem Bad und dem La­gern auf heißem Sand, wo Ge­sicht und Glie­der bräun­ten. Die Neu­lin­ge mit ih­ren wei­ßen Glied­ma­ßen, die an ab­ge­zo­ge­ne Häs­lein er­in­ner­ten, wur­den aus­ge­lacht, die wei­ßes­ten wa­ren im­mer die Be­su­cher aus Deutsch­land, aber die Son­ne gab auch ih­nen schnell den Stem­pel. Bei ho­hem See­gang wur­den lan­ge Ket­ten ge­bil­det, die sich bei den Hän­den hiel­ten, da­mit das schwä­che­re Ge­schlecht nicht weg­ge­ris­sen wür­de, und dann spran­gen alle mit der Wel­le. Die Vor­keh­rung war nicht un­nütz, denn das Meer hat­te, wenn der Li­bec­cio län­ge­re Zeit blies, un­sicht­ba­re, höchst ge­fähr­li­che Strö­mun­gen, de­nen schwer zu wi­der­ste­hen war; er­leb­te ich es doch ein­mal, dass in nächs­ter Nähe, fast in Greif­wei­te, ein Freund des Hau­ses, der ein ge­üb­ter Schwim­mer war, ohne dass wir es be­merk­ten, mit ver­zwei­fel­ter An­stren­gung um sein Le­ben rang und noch lan­ge da­nach blau­rot im Ge­sicht kaum den Atem wie­der­fin­den konn­te. Auch wur­de bei star­kem Sturm der Grund völ­lig um­ge­wühlt, es ent­stan­den lo­cke­re San­d­ab­la­ge­run­gen, die un­ter dem Fuße wi­chen, und da­ne­ben tie­fe Schach­te, die den un­er­fah­re­nen Schwim­mer mit ei­nem Wir­bel ein­schluck­ten. So kam es, dass je­den Som­mer das Meer sich die eine oder die an­de­re Beu­te un­ter den Ba­den­den ein­fing; es traf nicht die An­sied­ler, die mit al­len Tücken ver­traut wa­ren, nur die schwer zu war­nen­den Zu­ge­reis­ten. Auf Sankt Anna, so hieß es im Volks­mund, habe das Meer jähr­lich das Recht an ein Op­fer. Ret­tungs­an­stal­ten gab es da­mals noch kei­ne, die Ba­de­wär­ter, die sich mit der Zeit am Stran­de ein­fan­den, konn­ten großen­teils sel­ber nicht schwim­men (ein Miss­stand, den der Fa­schis­mus ab­ge­schafft hat), und ein Boot ver­moch­te sich in der to­ben­den Bran­dung nicht zu hal­ten. Drei bis neun Tage brauch­te je­des Mal der Li­bec­cio, bis er sich aus­ge­tobt hat­te. Da­nach schwamm es sich se­lig in der wie­der­be­ru­hig­ten, son­ne­spie­geln­den Flut; glas­hel­le, blau­ge­rän­der­te Me­du­sen, schön zu se­hen wie Blu­men des Mee­res, schwam­men mit; nur ihre Berüh­rung, die ziem­lich stark brann­te, muss­te man ver­mei­den. Aber das­sel­be Glücks­meer, das uns Men­schen­kin­der be­se­lig­te, lock­te die ar­men be­tör­ten Zitro­nen­fal­ter und an­de­re Ta­ges­schmet­ter­lin­ge in den Un­ter­gang; sie konn­ten der glei­ßen­den Flä­che nicht wi­der­ste­hen, flat­ter­ten hin­aus und im­mer wei­ter, bis sie er­mü­det sich nach Rast um­schau­ten. Oft habe ich ih­nen drau­ßen mei­nen Ba­de­hut als Meer­schiff an­ge­bo­ten, um sie heil zu­rück­zu­brin­gen, aber sie woll­ten nicht, ver­such­ten es lie­ber mit der Wel­le, fuh­ren er­schro­cken wie­der auf, um nach we­ni­gen Flü­gel­schlä­gen aber­mals nie­der­zu­ge­hen, wo­bei sie spur­los ver­schwan­den. – Un­ter­des­sen plät­scher­te un­ser Müt­ter­lein won­ne­voll in dem seich­ten Ufer­was­ser, das so durch­wärmt war, dass Ed­gar es das Kin­der­bad nann­te; für sie war es der Jung­brun­nen, der sie durch das gan­ze Jahr ge­sund und frisch er­hielt. Dass ihr Sohn ihr die An­fangs­grün­de des Grie­chi­schen bei­brach­te und dass wir ihr da­nach zu­sam­men die »Alt­grie­chi­schen Un­ter­richts­brie­fe zum Selbst­stu­di­um« von Koch zum Ge­burts­tag ver­ehr­ten, an de­nen sie sich auch al­lein wei­ter­hel­fen konn­te, das vollen­de­te ihr Glück.

      Die kör­per­li­che Sei­te des Hel­lenen­tums ver­wirk­lich­te Van­zet­ti, der Herr des Na­tur­le­bens. Er sam­mel­te die Ju­gend um sich, stell­te Turn­ge­rä­te vor sei­nem Hau­se auf und be­geis­ter­te sie für die da­mals noch we­nig ge­pfleg­te Gym­nas­tik. Wie er sel­ber stolz auf sei­nen Wuchs ei­nes an­ti­ken Rin­gers war und nie an­ders


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