Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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ihre große und einzige wirkliche Liebe. Ich denke, daß Urban mein Vater ist, also ist er dein Großvater.«

      Stephan, der sonst niemals um Worte verlegen war, sank sprachlos auf eine der Kisten.

      »Nun schau nicht so! Wir müssen packen!«

      Ursula, die sehr paktisch und tatkräftig war, rannte hinunter zum Telefon. Die Gärtnerei verfügte über Lastwagen. Ursula machte einen Rundruf bei den Angestellten. Binnen einer halben Stunde waren alle zur Stelle. Wie ein Feldwebel kommandierte Ursula von der Diele aus die Leute. Nach einer Stunde war der Speicher leer und auch die kleine Dachwohnung ihrer Mutter eingeräumt.

      Ursula und Gaudenz sprachen noch kurz mit dem Buchhalter, der sie während ihrer Abwesenheit vertreten sollte.

      Dann setzte sich ein Konvoi aus vier kleinen Lastwagen, angeführt von dem Personenwagen, den Ursula steuerte, in Bewegung. Stephan saß auf dem Rücksitz und las im Schein der Taschenlampe die Briefe seiner Großmutter immer und immer wieder.

      *

      Irgendwann zwischen Nacht und Morgengrauen erreichten sie den Fuchsbichler Hof.

      »Auf dich ist wirklich Verlaß, Ursula! Du bist genauso voller Tatkraft wie…«, sagte Agnes.

      »Wie mein Vater, der Urban Fuchsbichler!« vollendete Ursula den Satz ihrer Mutter.

      »Seit wann weißt du es? Wie hast du es erfahren?«

      »Später, Mutter! Später!«

      »Die Sachen können erst mal drüben in die große Scheune gestellt werden. Ich kümmere mich dann die Tage darum.«

      Ein stattlicher älterer Herr trat aus dem Haus. Ursula musterte ihn. Sie erkannte sofort die Ähnlichkeit zwischen ihr selbst und ihm.

      »Ursula, i bin dein Vater! I bin der Urban Fuchsbichler! Willkommen, Tochter! Laß dir gleich sagen, daß i nix von deiner Existenz gewußt hab’. Glaub mir, sonst wärst net ohne mich aufgewachsen.«

      Ursula schaute ihm in die Augen und reichte ihm die Hand.

      Er hielt ihre Hand mit beiden Händen fest.

      »Lieber spät als nie! So heißt es in einem alten Sprichwort.«

      »Des ist wahr! Bei Gott! Des ist wirklich wahr!«

      Er ließ einfach Ursulas Hand nicht los. Sie lächelte ihn an.

      »Dann komm her, Papa! Umarme mich! Egal, wie es gewesen is. Wir sind eine Familie!«

      Dann lagen sich Vater und Tochter zum ersten Mal in den Armen. Beide waren gerührt und wischten sich die Augen.

      »Fesch ist unser Madl, Agnes! Wirklich fesch! Nun, die Clara, die kenne ich ja schon. Des is auch ein ganz fesches Madl. So ein Madl, kann nur eine fesche Mutter haben.«

      »Wo ist Clara?«

      »Clara hat sich verliebt.« Agnes schaute hinauf zum Sternenhimmel und lächelte.

      »Ursula, Clara ist bei ihrem Liebsten auf der Berghütte. Wahrscheinlich sind sie im Augenblick unter dem Sternenhimmel genauso glücklich wie wir hier unten.«

      Dann stellte Agnes den Rest der Familie vor.

      »Das ist Emil, der einzige Sohn von Urban. Seine Frau Ruth!«

      »I grüß dich schön, Ursula! Wir sind also Halbgeschwister.«

      Sie reichten sich die Hand.

      »Wollen wir net reingehen?« fragte Ruth.

      »Geht schon mal rein! Ihr alle, bis auf die Ursula und i. I will des mit meiner Halbschwester gleich regeln.«

      »Was gibt es zu regeln? Geht’s um den Hof?«

      »Nein, den Hof bekommt später mal die Clara und ihr Mann. Des is schon alles klar. I muß mit dir über was anderes sprechen, Ursula. I weiß zwar, daß des alles a bissel schnell geht. Aber das haben wir net zu verantworten. Da ist eine höhere Macht dran schuld. Wir müssen uns jetzt nur fügen.«

      Ursula warf ihrer Mutter einen Blick zu.

      »Geh mit Emil! Es ist besser, wenn ihr euch gleich aussprecht.«

      Emil ging voraus zur Bank oberhalb der Pferdekoppel. Dort saßen sie im Mondschein. Emil erzählte Ursula sein Leben. Er sprach von seiner Krankheit, von seiner Frau, von Bruno und auch von Clara.

      »So, jetzt weißt alles! I hab’ nur einen Wunsch! Der Bruno und die Clara sollen glücklich werden.«

      »Ja, das sollen sie! Gut, ich bin einverstanden, Emil. Wir müssen niemandem sagen, daß ich deine Halbschwester bin. Es muß niemand erfahren, daß Bruno nicht dein leiblicher Sohn ist. Das kann alles in der Familie bleiben. Ich habe wie du dasselbe Ziel. Clara soll glücklich sein. Es liegt bei ihr, wieweit sie Bruno alles erzählt. Verschweigt sie, daß sie Urbans Enkelin ist, dann schweigen wir auch. Sagt sie es ihm und sagt sie ihm, daß er nicht dein Sohn ist, dann fügen wir uns auch.«

      »Hoffentlich bekommt der Bub keinen Knacks!« sagte Emil leise.

      »Ich denke, daß er Clara liebt. Diese Liebe wird ihm eine Stütze sein.«

      »Ja!« Emil zeigte im heraufziehenden Morgengrauen hinauf zu den Berggipfeln.

      »Des dort, der Gipfel, den nennen wir ›Engelssteig‹. Wir sagen, daß sich dort die Engel treffen, weil’s dort einen Zugang zum Himmel gibt. Weil des so nah bei Waldkogel is, da kann man denken, daß die Engel uns hier besonders beschützen. I hoff, sie passen gut auf – auf deine Clara und meinen Bruno.«

      Der Gipfel des »Engelssteig« zeichnete sich scharfkantig gegen den heller werdenden Horizont ab.

      »Das werden sie. Es ist doch schon ein Wunder geschehen. Clara hat die Briefe gefunden. Ihr Weg führte sie nach Waldkogel. Der erste Mensch, der ihr hier begegnete, war Bruno. Durch diese Ereignisse fanden meine Mutter und unser Vater zusammen. Wir sollten darauf vertrauen, daß alles gut wird.«

      »Ja, das werden wir.«

      Sie gingen hinein. Dort fanden sie Urban und Stephan in einem eifrigen Gespräch über Chemie. Stephans Augen leuchteten.

      »Eigentlich müßte ich euch böse sein, daß ihr mir einen solch verständnisvollen Großvater so lange vorenthalten habt. Endlich habe ich jemanden, mit dem ich über die Themen sprechen kann, die mich interessieren und der mich nicht für eine Laborratte hält.«

      Urban strahlte. Er warf sich nun richtig in die Brust und fühlte sich als Familienoberhaupt einer großen Familie.

      »So, jetzt hört mal her! Die Clara ist versorgt, denk i. Jetzt mach i was für den Stephan. Der Bub ist begabt. Der muß an einer Privatuniversität studieren. Des bezahl i. Und da duld ich keine Einwände. Des is mei gutes Recht als Großvater.«

      Stephan konnte sein Glück net fassen und fiel Urban um den Hals.

      »Also organisieren, das mußt du, Bub. Mußt mir nur sagen, wo du hinwillst.«

      »Ich würde gern nach Kanada gehen!«

      Urban Fuchsbichler schlug mit der Hand auf die Tischplatte, daß es knallte.

      »Des is eine beschlossene Sach, Stephan. Wir, die Agnes und i, besuchen dich dann. Wir machen dann unsere verspätete Hochzeitsreise.«

      Bianca, die dabei saß, gähnte.

      »Oh, dich haben wir ganz vergessen, Madl.«

      »Ist schon okay, Herr Fuchsbichler! Ich will ja später Familientherapeutin werden. Ich war eine aufmerksame Beobachterin. Ich habe heute viel gelernt, mehr als ich jemals in Büchern lesen konnte.«

      Stephan sah Bianca an.

      »Dann willst du eine eigene Praxis aufmachen? Wo?«

      Bianca strahlte den spendablen Herrn an und meinte: »Ich sag dann Bescheid!«

      Tagsüber waren einige der Pensionsgäste abgereist, und somit gab es genug


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