Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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Baumberger wischte sich die Hände an der Schürze ab und trat zu den Männern. Sie schaute sich in der Gaststube um.

      »Ja, alle die sich für mehrere Tage einquartiert hatten sind da.« Sie zögerte. »Nur der eine junge Mann ist net da. Weißt, Xaver, der mit dem auffallenden gelben Halstuch, der gestern dort drüben am Tisch saß. Du erinnerst dich bestimmt. Er hat nur zugehört und wenig geredet. Ein bissel wortkarg war er schon. Der ist net da. Aber das hat nix zu sagen. Er wollte nur für eine Nacht bleiben. Er sei nur auf der Durchreise, hat er gesagt, gestern. Bezahlt hat er gleich.«

      »Mmm!« brummte Leo Gasser. »Wo kam er her und wie heißt er?«

      Meta bekam einen roten Kopf.

      »Toni, das weiß i net. Das wollt i noch aufschreiben, aber i hab’s vergessen. Wie er kommen is, da hat i grad so viel zu tun, mittags. I war am Dampfnudel backen, da mußt aufpassen. Und abends, mei, da hab’ ich es auch vergessen. Ich weiß ja, daß es nicht statthaft ist, jemand zu beherbergen, ohne die Personalien ins Buch zu schreiben. Ist das mir jetzt peinlich.«

      »Da ist nix mehr zu machen. Weißt, wann er fort ist und in welche Richtung er gegangen ist?«

      »Der ist schon fort. Er war einer der ersten. Gefrühstückt hat er auch nicht. Er hat sich Brote gemacht und die in seine Brotdose gepackt. Dann ist er da runter gelaufen, glaub ich jedenfalls, in Richtung Kirch’.«

      Leo Gasser dachte einen Augenblick nach.

      »Nun, da nehme ich an, daß er wieder zum Bus wollte. Wenn er so still war, da denke ich mir, daß es dem bei uns nicht so gefallen hat. Wenn er hätte hier eine Bergwanderung machen wollen, dann hätte er mit den anderen Gästen geredet. Da müssen wir uns keine Sorgen machen, daß ihm was passiert ist. Als das Wetter kam, war der bestimmt schon über alle Berge. Ansonsten hätten wir eine Suchaktion starten müssen. Doch das ist jetzt nicht nötig, denke ich. Solltet ihr was hören, dann gebt mir Bescheid.«

      »Machen wir, Leo! Aber ich glaube auch, daß der schon fort war.«

      Meta jammerte noch ein bißchen darüber, wie peinlich es ihr war, daß sie den Namen nicht aufgeschrieben hatte, aber Leo beruhigte sie.

      Dann wandte er sich an die Gäste:

      »Ruhe, einen Moment bitte!«

      Es wurde ganz still im Raum. Alle schauten ihn erwartungsvoll an, da er ja auch die Uniform der Bergwacht trug.

      »Mein Name ist Leo Gasser. Ich bin von der Bergwacht hier in Waldkogel. Die Bergwachstation unterhält hier ein kleines Büro und ein Lager mit Ausrüstungen für Katastrophen und für Bergungen. Ich leite das Büro hier. Drüben auf der anderen Seite gab es einen Berg­rutsch. Die Straße ist jetzt aber wieder frei. Hat jemand von euch oben im Gebirge etwas gesehen? Gab es da einen Abgang, einen Steinschlag oder eine Schlammlawine oder Ähnliches?«

      Die Gäste schüttelten den Kopf.

      »Gut, das ist alles, das wollte ich nur wissen. Denn es hätte sein können, daß die Bergwacht dann nach einem Mann hätte suchen müssen. Wir glauben zwar, daß er schon abgereist ist, doch wenn es einen Rutsch gegeben hätte, dann wären wir mal schauen gegangen. Danke schön fürs Zuhören!«

      Die Gäste nickten ihm zu und setzten dann die Gespräche fort. Einige gingen auch auf ihre Zimmer.

      *

      Das Unwetter blieb einige Tage Gesprächsstoff im Dorf. Alle waren froh, daß nicht mehr passiert war. Die Almen waren auch alle glimpflich davongekommen. Franzi hatte mit ihrer Mutter durchgesetzt, daß sie den Rest des Sommers auf der Dollinger Alm verbringen konnte. Ihr Vater hatte sie selbst hinaufgebracht. Er hatte auch mit Hilda und Wenzel Oberländer besprochen, daß die beiden alten Leute ein Auge auf die Franzi haben sollten.

      Tagsüber ging Franzi ihrer Arbeit nach. Abends saß sie vor der Almhütte auf der Bank und schaute auf die Berge, die in der Abendsonne rot leuchteten.

      Der Gipfel des »Höllentors« mit seinen markanten Formen sah wirklich aus, wie man sich den Eingang zur Hölle vorstellen konnte. Kein Wunder, daß die Altvordern ihm vor Urzeiten den Namen gegeben hatten, dachte Franzi.

      Plötzlich stockte ihr der Atem. Unwillkürlich griff sie sich an die Brust. Dann rieb sie sich die Stirn, als wollte sie die Bilder verwischen, die sich mit aller Macht in ihr Gedächtnis drängten. Hatten die Gäste nicht laut vom »Höllentor« gesprochen, an dem Abend, als sie unter einem Vorwand die Baumbergers besucht hatte? Sie hatten doch laut die verschiedenen Routen diskutiert. Sie waren sich einig gewesen, daß es dort oben sehr interessant, aber auch gefährlich war. Er, der Fremde, der dort mit am Tisch gesessen hatte, mußte alles gehört haben. Was war, wenn er dort hingegangen war? Stille Wasser sind tief, sagte man. Dieser Fremde war sehr still gewesen. Was war, wenn er dort hinaufgebrochen war?

      Sie schloß die Augen und hörte tief hinein in ihr Innerstes. Dann richtete sie den Blick hinauf zum »Engelssteig« und erflehte Hilfe. Weiter drüben kreisten Adler durch die Lüfte. Es war ganz still. So saß Franzi eine ganze Weile da und versuchte, die Botschaft zu verstehen, die ihr Herz ihr zuflüsterte. Sie erkannte, daß es ein starkes Band gab zwischen ihrem Herzen und dem Herzen des Fremden. Sie war die einzige, die er in seiner Not rufen konnte. Und er rief nach ihr, da war sie sich sicher. Doch was sollte sie tun?

      Unruhig ging sie vor der Hütte auf und ab. Dann warf sie sich ihren Lo­den­umhang um und lief hinüber zu den Oberländers. Sie wollte mit Hilda und Wenzel sprechen, die beiden lebten schon so lange hier oben, die konnte sie bestimmt fragen.

      »Franzi, das ist aber nett, daß du uns besuchen tust! Schade, daß ich keine Zeit hab’. Ich will noch rauf zur Berghütte. Ich habe dem Toni versprochen, ein paar Sachen zu bringen, sobald sein Vater sie raufgeschickt hat. Handwerkszeug, das er dringend braucht zur Renovierung. Der Xaver hat es Wanderern mitgegeben. Die haben das Zeug heute nachmittag hiergelassen.«

      Der alte Wenzel griff nach dem Rucksack. Einer inneren Eingebung folgend, trat Franzi hinzu und nahm ihm den Rucksack ab.

      »Gib ihn mir, Wenzel. Von unserer Alm ist es net ganz so weit. Ich wollte ohnehin den Toni mal besuchen. Wenn ich gleich losgehe, dann schaffe ich das gut, vor dem Einbruch der Dunkelheit wieder zurückzusein. Bin ein bissel schneller auf meinen Füß’ als du. Bist mir net bös, daß ich das so sagen tue. Außerdem haben du und die Hilda so viel für uns gemacht, jetzt mache ich was. Ich komm’ dann morgen rüber und bring’ dir den Rucksack wieder.«

      »Ach, Madl, wer könnt dir schon bös sein! Was wahr ist, muß wahr bleiben. Die Jugend ist nun mal schneller als wir alten Leut’. Sag dem Toni ein herzliches Grüß Gott!«

      Franzi ging los. Mit Toni, dem Bruder ihrer Freundin Ria, konnte sie reden. Er war immer ein anständiger Kerl gewesen. Sie kannte ihn, seit sie Ria kannte. Welch ein Glück, daß er jetzt die Berghütte renovierte und oben war.

      Franzi beeilte sich und kam atemlos bei der Hütte an.

      Toni hackte Holz. Als er sie von weitem kommen sah, schlug er die Axt in den Holzklotz und lief ihr entgegen. Bello, sein Neufundländer, stand bellend vor der Hüttentür.

      »Franzi, du? Gib her! Das ist doch viel zu schwer, Madel.« Er nahm ihr den Rucksack ab. »Was ist, warum konnte der Wenzel das Zeug nicht bringen?«

      »Weil ich nicht wollte!« keuchte Franzi. »Ich muß mit dir reden, Toni. Lieber hätte ich mit Ria gesprochen, aber ich weiß nicht, wann die wieder zu Besuch kommt. Deine Mutter sagt zum Schützenfest, aber das dauert mir zu lange. Bis dorthin kann alles zu spät sein. Alles wird bis dorthin zu spät sein!«

      Toni schaute ihr in die Augen und sah die Verzweiflung.

      »Komm mit rein!«

      Toni Baumberger bot Franzi einen Platz am Kamin an. Sie schaute sich um.

      »Sieht schon richtig gut aus, Toni.«

      »Ja, es wird langsam. Aber langsam geht’s trotzdem. Ist noch viel zu machen. Gut ist, daß ich schon Gäste habe. Das sind alles alte Bergwanderer, die damals schon beim Alois übernachtet hatten. Meistens kommen sie


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