Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe

Читать онлайн книгу.

Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe - Wilhelm  Raabe


Скачать книгу
murrend, einige gebrannte Wasser heraus zusamt seinem Aderlaßapparat.

      Mit alledem beladen schiffte Simone Spada über den Strom zurück, und Ehrn Valentin Fichtner begleitete ihn willigen Herzens.

      Erleichternden Herzens aber sah Monika den Kahn über die blinkenden Wogen tanzen. Nun durfte sie ohne Furcht, gestört zu werden, ihren Schatz von neuem hervorziehen und mit Muße nachschauen, was der Klaus eigentlich schrieb. Scheu, in lieblichster Schamhaftigkeit, wich sie dem Sonnenstrahl aus, welcher durch das Fenster in das Gemach fiel, in das dämmerigste Eckchen zog sie sich zurück und las:

      »Allerliebstes Herzlieb, wir reiten, wir reiten, wir reiten! Wir sind gesattelt und gespornt und stehen schon mit einem Fuß im Bügel! Daß es doch das liebe Glück so gut mit einem Taugenichts meinen kann! Um Pfingsten sind wir schon im Feld mit dem Wrisberger. Dreißig Fähnlein Knechte und etlich Reiterfahnen sammelt er, und wir ziehen ihm zu, der Graf zu Pyrmont mit Wagen, Roß und Mann, und ich mit, gegen die Hispanier. Wir reiten in Flandern, allwo der große Krieg schon losgehet. Es ist allhier auf dem Schloß ein lustiger Lärm mit Waffenputzen und Zureiten der Rosse und allem, was sonsten darzu gehöret. – Daß ich Dir erzähle: es ist hier zu Pyrmont ein fürnehmer Herr ankommen, genannt der Ritter von Kamplan. Solchen hat der Wrisberger hergeführt, auf daß er meinen Grafen aufbiete ins Feld gegen die Spanier. Nun war freilich im Anfang der Trunk meinem Herrn Grafen sauer, und wollte er nicht recht dran, aber nun will er, und alle Leute sagen, daran sei nur die schöne fremde Maid, die Fausta, welche der blinde Zauberer im vorigen Jahr vom Teufel befreiet hat, schuld. Sie gehet immer noch um allhier auf dem Schloß, hat auch große Macht, und ich will es dahingestellt sein lassen, ob Wahres an dem ist, was die Leute schwatzen. Früher mochten wir alle im Stall und in der Küche sie nicht; aber wenn sie unsern gnädigen Herrn Philipp wirklich herum-und in den Krieg gebracht hat, so hat sie nun doch ein gut Werk getan. – Dem Wichtelkaspar hab ich einen Tritt gegeben. Er hat gestanden, daß er den Brief verloren hat, den ich Dir um Sankt Gallus schrieb. Da könnt ich wohl auf Antwort harren! Es ist hier jetzt am heiligen Born keine Menschenseel zu finden, das große Getümmel hat sich verlaufen wie Wasser durch ein Sieb. – Der Schloßkaplan Bellin hat mir auf der Landkarten anzeigen müssen, wohinaus das Flandern eigentlich lieget. Ach, der Weg gehet leider Gottes nicht durchs Städtlein Holzminden und nicht vorüber an Eurer Gartenmauer. Juchhe – aber der Rückweg! Sperre nur die Augen auf, Herzlieb – heut übers Jahr sind wir Mann und Frau! In der Neujahrsnacht hab ich um Mitternacht aus einer Büchsenkugel das Blei gegossen, und es sind zwei verbundene Herzen daraus worden. O wie hab ich mich gefreuet über solches gute Vorzeichen! Dem Herrn Vater wird es wohl auch lieb sein, daß ich gegen die Spanier ausziehe – meinest du nicht, Monika? Ich weiß, er hat eine große Tücke auf sie, und Euern Johannes haben sie ja auch erschossen. Drunten in Flandern soll die allerherrlichste Beut zu machen sein, sagen die Alten, welche schon einmal dorten waren. Die Leute sind allda so reich, daß sie ihre Stuben mit eitel Silbergülden pflastern, und die Bettlermäntel sind aus lauter Sammet und Seide zusammengeflicket. Heiliger Gott, wenn ich doch einmal auf solchen Silbergüldenfußboden den Fuß zuerst setzte! Das sollte eine Lust werden, Monika.«

      Hier unterbrach die Lesende plötzlich ihre Lektüre, ließ den tollen Brief halb erschrocken in den Schoß sinken und seufzte:

      »Ach du lieber Gott, das mag alles wohl so sein und ist auch recht gut; aber in Flandern sind auch die allerschönsten Mädchen – solches stehet schon im Liede! – , wie leichtlich mag das ein Unglück geben; ach, es würde mir das Herze abstoßen!«

      Von neuem nahm sie das Schreiben des Liebsten auf und las weiter:

      »Auch gibt es in Flandern die allerköstlichsten Schätze, so man aus fernen Weltteilen als wie aus Asia und Africa auch India bringet, denn um das ganze Land fließet das große Weltmeer. Aber über das Weltmeer brauchen wir nicht zu schiffen, um hineinzukommen, und das ist auch recht gut. – Wann ich ihn lassen kann, so will ich Dir einen Affen heimbringen oder einen Papagoyenvogel. Einen schwarzen Mohrenmenschen zu erbeuten, darauf steht mein ganzer Sinn. Ihre kurfürstlichen Gnaden von Brandenburg ließen sich von einem solchen kohlpechrabenschwarzen Ungeheuer die Schleppen tragen, und mein ich, es würde sich gar hübsch lassen, wenn hinter meinem lilienweißen und rosenroten Herzlieb auch solch ein schwarz Ding herzöge. – Herzallerliebste Monika, weine nur ja nicht deine Augen rot, weilen ich in so ferne Länder ziehe; wenn ich in Holzminden geblieben wäre, würd ich dich nimmermehr erangeln mit Fischfangen und fangen mit Vogelstellen. Du bleibest ewiglich mein alleredelst Vögelein und Fischlein; aber Du mußt mich lieb behalten in Deinem Herzen und kein falsch Wort und Werk zwischen uns aufkommen lassen nun und nimmer.«

      An dieser rührenden Stelle ankommend, ließ die kleine Monika den Brief zum zweitenmal in den Schoß sinken, und abermals seufzte sie recht tief. Aber dieses Mal lächelte sie trotz ihrem Geseufz und sagte:

      »Nein, nun und nimmermehr! Ach, der gute Knab!« Und abermals senkte sie ihr holdes Näselein herab auf das Schreiben, welches also seines wunderlichen Weges weiter lief:

      »Wie ich Dir schon geschrieben habe, heißet Fausta die fremde, stolze Maid, so hier auf dem Schloß umgehet, und ich glaube doch, daß sie den Grafen, meinen Herrn, verhext hat. Ich möcht mich wahrlich nicht trauen; meinem Grafen alles das zu sagen, was die Leut auf den Dörfern und zu Lügde über ihn und die Maid in die Ohren flüstern. Und der Kamplan steckt mit der Fausta unter einer Deck, das ist fest und sicher, und ich weiß recht gut, wer stockblind ist und die Leute hängen lässet, wenn sie ihm die Augen öffnen wollen! – Hab neulich einen wandernden Pfaffen aus Paderborn predigen hören mit großem Wunder. Redete er auch von den bösen Geistern und ihrer Macht, und sagte er aus: im Anfang habe der Herrgott das ganze Gezücht in einer großen Tonne verschlossen gehalten und den Luzifer, der damalen noch ein allerheiligster Erzengel gewesen, darauf als Wacht gesetzet, auf daß kein Unhuld ausschlüpfe. Aber die Bösen seien so fein, daß sie durch die allerengste Ritze aus-und eingehen könnten, und so sei das große Unglück geschehen, daß sie allesamt eines Tages in den heiligen Engel fuhren, als er bei greulich heißer Witterung auf seiner Tonne eingeschlafen war. Da sei der Luzifer vom schrecklichen Bauchgrimmen aufgeweckt und habe einen greulichen Tanz im Himmel angefangen, habe Töpfe und Pfannen, Sessel, Tische und Bänke zerschmissen und sei umhergesprungen wie ein Verrückter. Kein Mittel habe anschlagen wollen, und endlich sei dem lieben Gott nichts übrig geblieben als das letzte Mittel – er habe also den Luzifer aus dem Himmel und der ewigen Seligkeit herausgeworfen, als worauf solcher in dem grausamen Fall wohl einen Teil des bösen Gezüchtes von ihm gegeben habe, einen andern Teil aber auch habe im Leibe behalten müssen. – Nun hätte ich wohl gewünschet, daß der Herr Vater, der Herr Pastore, diesen Pfaffen hätte predigen hören, das würd ein schöner Lärm in dem Waldkirchlein worden sein! – Doch was ich sagen wollt – ich glaub, wenn aus der Fausta ein Teil der bösen Geister ausgetrieben ist vom blinden Zauberer, so ist doch ein nicht kleiner Teil zurückgeblieben in ihr. Wer solches doch meinem Grafen sagen wollt! …

      Was schwatz ich doch für töricht Zeug, wenn ich von Rechts wegen heulen sollt vor Herzbrechen, weilen ich Abschied nehmen muß von meinem Lieb und in den Krieg ziehen muß! Aber ich bin so froh und so voller guter Hoffnung, daß die Monika nun binnen kürzester Frist meine eheleibliche Frau ist, daß ich um alles Unglück in der Welt nicht zu heulen vermöcht.

      Also soll es darbey verbleiben: frisch Herz und Blut und frommen Mut, bis der Klaus in Ehren wiederkehrt und die allersüßeste Braut heimholt!

      Franz Lindwurm, mein Reitersgesell, so gen Münden zur Hochzeit fahrt, bringt dieses Brieflein von dem

      Klaus Eckenbrecher, dem Kriegsmann und Bräutigam.

       In diesem Jahr 1557 am 25sten des Hornung.

      Um eines schönen Mägdleins Kranz

       Setzt Klaus sein Blut an jede Schanz;

       Um eines schönen Mägdleins Kuß

       Wagt Klaus sein Blut zu Roß und Fuß.«

      »Eia!« jubelte Monika über diesen Schlußvers, ließ aber in demselben Augenblick zum dritten und letzten Mal den Brief des hoffnungsreichen Eckenbrechers in den Schoß sinken und setzte klagend hinzu; »Ach lieber, lieber, lieber Gott, so ist es denn also fest und sicher, und er gehet wirklich in den abscheulichen


Скачать книгу