Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн книгу.gespielt hat, ist es ein mächtiger Rückgang, um Arbeit spielen zu müssen.«
»Aber immerhin –« begann Billy wieder.
»Ach, es steckt ihnen im Blut«, fiel Hall ihm überlegen ins Wort »und warum nicht? Alle hierzulande haben gespielt, viele Generationen hindurch. Es lag in der Luft, als sie geboren wurden. Sie haben es ihr ganzes Leben lang eingeatmet. Sie haben selber nie im Spiel gewonnen, aber sie schreien immer danach und ziehen den Hut davor.«
»Aber was sollen alle wir Verlierenden tun?« fragte Saxon.
»Nach der Polizei schicken und die Spielhölle schließen«, empfahl Hall. »Es ist kein ehrliches Spiel.«
Saxon runzelte die Stirn.
»Tut, was eure Vorfahren nicht taten«, fuhr er fort. »Führt die volle Demokratie ein.«
Saxon musste an eine Bemerkung von Mercedes denken.
»Eine meiner Freundinnen sagt, Demokratie sei ein Zauber.«
»Das ist sie – in einer heimlichen Spielhölle. Millionen Jungens in den Gemeindeschulen verschlingen die Geschichte von dem Holzhacker, der Präsident von Amerika wurde, und Millionen von würdigen Bürgern schlafen jede Nacht ruhig in dem Bewusstsein, dass sie bei der Verwaltung des Landes mitzureden haben.«
»Sie sprechen wie mein Bruder Tom«, sagte Saxon, die ihn nicht ganz verstand. »Wenn wir uns alle mit der Politik abgeben und schwer arbeiten, um etwas Besseres zu erreichen, dann können wir es vielleicht erreichen – in tausend Jahren oder so. Aber ich will es jetzt haben.« Sie presste leidenschaftlich die Hände gegeneinander. »Ich kann nicht warten; ich will es jetzt haben.«
»Aber das ist es ja gerade, was ich Ihnen erzähle, mein Kind. Das ist das Unglück bei allen Verlierenden. Sie können nicht warten. Sie wollen es jetzt haben – ein Haufen Jetons, und dann wollen sie selbst mitspielen. Nun ja, aber dazu kommt es nicht. Und so ist es auch mit Ihnen, die Sie nach einem Tal im Monde jagen. Das ist es mit Billy, der vor Sehnsucht brennt, mir im Pedro zehn Cent abzugewinnen, und mich im stillen verflucht, weil ich Unsinn schwatze.«
»Na ja – Sie hätten eigentlich das Zeug zu einem guten Agitator«, bemerkte Billy.
»Und ich wäre auch ein guter Agitator geworden, wenn ich nicht zu viel damit zu tun gehabt hätte, den ungesetzlich erworbenen Mammon meines Vaters wieder durchzubringen. Es geht mich nichts an. Lassen Sie ihn verfaulen. Sie würden übrigens ebenso verrückt sein, wenn Sie oben auf dem Kuchen säßen. Es kommt alles aus einer Wurzel – blinde Fledermäuse, ausgehungerte Schweine und ekelhafte dreckige Dummköpfe –«
Aber jetzt legte Frau Hall sich ins Mittel:
»Hör jetzt auf, Mark, sonst bist du nachher nur schlechter Laune.«
Er schüttelte seine mächtige Mähne und lachte ein wenig angestrengt.
»Nein, das bin ich nicht«, sagte er. »Ich werde Billy schon zehn Cent im Pedro abgewinnen. Er hat nicht die geringste Chance.«
Saxon und Billy gediehen ausgezeichnet in der lustigen, ausgesprochen menschlichen Atmosphäre Carmels, und sie genossen vollauf das Gefühl, dass sie wirklich etwas galten. Saxon fühlte, dass sie mehr war als eine Wäschereiarbeiterin, die mit einem unter den Gesetzen der Gewerkschaft stehenden Kutscher verheiratet war. Sie war nicht mehr von dem engen Arbeiterklassenmilieu der Pine Street und der umliegenden Straßen bedrängt. Ihr Dasein war reicher geworden. Es ging ihnen physisch, materiell und geistig besser; und all das spiegelte sich in ihren Zügen und in ihrer ganzen Haltung. Sie wusste, dass Billy nie besser ausgesehen und körperlich nie besser in Form gewesen war. Er schwor, dass er einen Harem hätte, und dass sie seine zweite Frau wäre – doppelt so schön wie die erste, die er geheiratet hätte. Und sie erzählte ihm mit ehrbar niedergeschlagenen Augen, dass Frau Hall und einige andere von den verheirateten Frauen an dem Tage, als sie im Carmelfluss geschwommen waren, ihre Gestalt bewundert hätten. Sie hatten sich um sie gesammelt und sie eine Venus genannt, und sie hatten sie veranlasst, sich zu beugen und verschiedene Stellungen einzunehmen.
Billy verstand sehr gut den Hinweis auf Venus, denn in Halls Wohnzimmer stand eine Marmorvenus mit abgebrochenen Armen, und der Dichter hatte ihm erzählt, dass die ganze Welt sie als das Ideal der weiblichen Gestalt anbetete.
»Ich habe immer gesagt, dass du bergehoch über Annette Kellermann ständest«, sagte Billy, und er sah so stolz und siegesbewusst aus, dass Saxon errötete und zitternd ihr brennendes Gesicht an seiner Brust barg.
Die Männer in der kleinen Kolonie äußerten oft ihre Bewunderung für Saxon, und immer auf die gleiche ungenierte Art. Aber sie missverstand es nicht und verlor nicht die Besinnung. Das war nicht zu fürchten, denn ihre Liebe zu Billy war stärker als je. Und sie machte sich auch keiner übertriebenen Bewunderung schuldig. Sie wusste, was er war, und ihre Liebe war nicht blind. Er hatte keine Büchergelehrsamkeit und wusste nichts von Kunst wie die anderen Männer. Seine Sprache war schlecht, das wusste sie gut, und sie wusste auch, dass sich das nie ändern würde. Und doch hätte sie ihn gegen keinen der anderen eingetauscht, nicht einmal gegen Mark Hall mit dem großen Herzen, diesen Mann, den sie ungefähr ebenso liebte, wie sie seine Frau liebte.
Sie fand auch, dass Billy eine gewisse Gesundheit und einen Gerechtigkeitssinn, eine Redlichkeit hatte, die in eben seinem Wesen wurzelte, und die sie höher schätzte als Bücherweisheit und alle Bankkonten. Diese Gesundheit, dieser Gerechtigkeitssinn und diese Redlichkeit waren es, durch die er Hall an dem Abend, als der Dichter sich in seinem Pessimismus verlaufen wollte, in der Diskussion besiegt hatte. Billy hatte ihn geschlagen, nicht durch Gelehrsamkeit, sondern nur, indem er ganz er selber war und ehrlich die Wahrheit, die in ihm lebte, aussprach. Und das beste war – er wusste nicht einmal, dass er den anderen geschlagen hatte, und hatte den ganzen Beifall als gutmütige Neckerei aufgefasst. Aber Saxon wusste es, wenn sie auch kaum sagen konnte, woher, und sie vergaß nie, wie Shelleys Frau ihr hinterher mit leuchtenden Augen zugeflüstert hatte: »Ach Saxon, wie glücklich Sie sein müssen!«
Hätte Saxon versuchen sollen auszudrücken, was Billy für sie bedeutete, so würde sie es mit dem einen Wort »der Mann« gesagt haben. Das war er immer für sie. Die Bezeichnung »der Mann« stand immer in flammender Strahlenglorie vor ihr, wenn sie an Billy dachte. Zuweilen, wenn sie allein war, konnte sie die Freudentränen kaum unterdrücken bei der Erinnerung, wie er irgendeinen Burschen darauf aufmerksam machen konnte, dass er ihm zu nahe trat. »Du trittst mir auf den Fuß. Mach,