Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн книгу.in den seinen hielt, stieg ihm das Blut unerklärlich heftig zu Kopfe, und er bekam einen Schwindelanfall.
»Sie kennen sich schon?!« rief Frau Sheffield erstaunt.
»Wir haben uns auf dem Wege von Dyea getroffen«, antwortete Frona. »Wenn man sich auf diesem Wege begegnet ist, vergisst man einander nie.«
»Nein, wie romantisch!« strahlte Frau Sheffield. »Hat er Ihnen das Leben gerettet oder so etwas? Es sieht doch ganz danach aus! Und Sie haben mir kein Wort davon gesagt, Herr Corliss! Erzählt doch endlich, ich sterbe vor Neugier.«
Frona antwortete: »Er hat mir Gastfreundschaft erwiesen, das ist genug. Seine Bratkartoffeln sind erster Klasse, und sein Kaffee ist fabelhaft … wenn man sehr hungrig ist.«
Dann wurde Vance einem gutgewachsenen Leutnant der berittenen Polizei vorgestellt, der am Kamin stand und mit einem lebhaften kleinen Mann das ewige Verpflegungsproblem erörterte.
Es war eine richtige Gesellschaft, ein Fünfuhrtee mit Musik. Der Tee wurde aus chinesischem Porzellan getrunken, lauter wohlgekleidete Leute in weißen Hemden und mit steifen Kragen standen in Gruppen beisammen. Vance fand sich sofort in die gewohnte Atmosphäre und bewegte sich sicher von Gespräch zu Gespräch, sehr zum Neid von Del Bishop, der stocksteif in dem ersten Stuhl klebte, auf den er gestoßen war, und der sich sehr unglücklich fühlte. Er hatte sich nur auf eine Minute hereingewagt, um »Hallo, Miss Frona!« zu sagen, und saß jetzt wie eine Ratte in der Falle. Wie kam man aus einer so vornehmen Gesellschaft wieder heraus? Wie viel Schritte brauchte man, um zur Tür zu kommen? Wie verabschiedete man sich? Gab man reihum die Hand oder verbeugte man sich nur vor Miss Frona? Er war entschlossen, sich nicht vom Platze zu rühren, bis einer der Herren ihm den Abschied vormachte.
Vance hatte den Goldgräber sofort wiedererkannt, obwohl er ihn nur eine Sekunde lang durch seine Zeltöffnung in Happy Camp gesehen hatte. Das war der Mann, dem er es verdankte, dass Fräulein Frona für jene eine Nacht ohne Unterkunft war … Ein braver Mann, der im richtigen Augenblick selbst den Weg verloren hatte.
Bald zog Dave Harney, der Bonanza-König, Vance ins Gespräch. Er fühlte sich verpflichtet, hier so aufzutreten, wie es seinen Millionen entsprach, und obwohl er sein ganzes Leben lang nur die Gastfreundschaft des offenen Zeltes gekannt hatte, bei Fleischtöpfen, in die jeder hineingriff, machte es ihm Freude, einmal im Leben den Salonhelden zu spielen. Wie ein richtiger König hielt er Cercle, indem er an jeden, der ihm in die Quere kam, ein paar huldvolle Worte richtete, meist törichte Fragen, auf die es keine Antwort gab. Dabei sah er verliebt in einen Spiegel, denn so in der Verkleidung eines Stadtherrn hatte er sich selten gesehen. Frona hatte in diesen wenigen Wochen merkwürdige Verheerungen in Dawson angerichtet.
Den Höhepunkt des Nachmittags schuf Harney, als er Frona bat, das rührende Lied »Für dich hab’ ich mein Heim verlassen …« zu singen. Sie kannte es nicht; er ließ sich herbei, ihr die ersten Takte vorzusummen, sodass sie ihn nur zu begleiten brauchte. Dann riss eine Erinnerung an die Jugend ihn hin, er stimmte seinen gewaltigen Bass, der keineswegs wohlklingend war, und tremolierte die rührendsten Stellen, dass es eine Katze erbarmt hätte. Del Bishop, der sich dieser Seele verwandt fühlte, brummte den Refrain mit. Es war ein erhebender Vortrag. Bishop fand endlich den Mut, sich von seinem Stuhl zu erheben und allen Leuten auf die Schulter zu schlagen.
Er kam spät nach Hause und weckte seinen Zeltgenossen: »Großartig war das bei Welses! Das nächste Mal nehme ich dich mit, alter Junge! Also, so gut habe ich mich im Leben noch nicht amüsiert.«
Als Vance sich verabschiedete, flüsterte Frona ihm zu: »Es ist zu dumm, keine drei Worte haben wir miteinander gesprochen …«
*
Nicht ohne Kampf hatte Vance Corliss sich von der Kultur getrennt, in der er aufgewachsen war, als ein ehrenvoller und glänzend bezahlter Posten im wilden Alaska ihn abrief. Jetzt fand er bei Frona etwas von dem Verlorenen wieder. Sie war eine Frau, die in seinen Kreisen und mit seinen geistigen Interessen gelebt hatte. Zugleich aber spürte er aus ihrem Wesen einen reinen, scharfen Duft wie von frischer Erde. Sie hatte studiert, aber sie war kein Blaustrumpf geworden, sondern noch tief verwachsen mit dem Boden, dem sie entsprossen war. Keine Frau auf Erden hätte wie sie die Brücke sein können, die Corliss mit dieser Fremde verband; keine andere hätte es vermocht, ihm die Tage in dieser Verbannung voll und schön zu machen. Wie in ihrer persönlichen Atmosphäre, so fand er auch in ihrem Haus alles, wonach er sich in seiner kahlen Zelle sehnte. Er reiste gern – denn er war jung und abenteuerfroh – mit dem Hundegespann und dem braven Burschen Bishop, den er in seinen Dienst genommen hatte, tief in das Land hinein, kampierte, wie nur irgendein Goldgräber, im Zelt, am Lagerfeuer, aß seinen gebratenen Speck dreimal am Tag und schützte sich die Haut mit Fischtran gegen Gletscherbrand. Aber es war herrlich, in solchen Nächten, wenn die groben, oft zotigen Goldgräberwitze, immer dieselben, erzählt wurden, wenn man seinen Whiskytee aus Blechschalen trank und tage- oder wochenlang keinen Tropfen Wasser an den Körper bekam, still von einem Zimmer zu träumen wie Fronas Empfangsraum. Von den weichen Teppichen, den herrlichen Bildern, dem Flügel und einer jungen Dame, deren kultivierte Persönlichkeit diesen ganzen Raum durchdrang.
Fronas einziger Fehler war in Vances Augen ihr burschikoses Wesen. Aber wenn sie dann lachte und sich an seiner Beschämung weidete, empfand er, dass dies alles eine Art Verkleidung war, die sie gewählt hatte, um zu fühlen, wie sehr er sie verehrte. Prüde war sie nicht, aber was er weibliches Schamgefühl nannte und nicht missen konnte, besaß sie, wie seine Mutter es besessen hatte, und auch in der steten Umgebung der rauesten Männer würde sie es nie verlieren.
Er liebte das Flammen ihres Haares in der Sonne, sein goldenes Funkeln am Kaminfeuer. Er liebte ihren Mund und ihre Wangen. Er liebte ihre zierliche Gestalt mit den federnden Muskeln und war glücklich, wenn er neben ihr gehen durfte, wenn sie ihre Schritte den seinen anpasste. Alles an ihr liebte er.
*
In der Bar, wo es hoch herging, saß Vance Corliss mit Oberst Trethaway zusammen, und mitten im Tohuwabohu trinkender, spielender, singender Männer führten sie ein ernstes Gespräch über wichtige Fragen ihres Berufs. Der Oberst sah mit sechzig Jahren und schlohweißem Haar noch wie ein junger Mann aus. Seine Augen strahlten im klarsten Blau, seine Bewegungen waren voll von jugendlichem Temperament, und sein Geist arbeitete exakt, stets bedient von einem unfehlbaren Gedächtnis. Trethaway war ein alter Mineningenieur und vertrat in Alaska ebenso große amerikanische Interessen