Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus Cusanus

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Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus


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es ist über allem Gegensatze. Es ist eben deshalb über aller Bejahung und Verneinung, alles, was es nach unseren Begriffen ist, ist es ebenso, als daß es dasselbe auch nicht ist (omne id, quod concipitur esse, non magis est, quam non est) und umgekehrt, es ist in der Weise das Einzelne (hoc), daß es zugleich alles ist, und in der Weise alles, daß es nichts von allem ist, und in der Weise am meisten dieses, daß es dieses auch am wenigsten ist. Sage ich: Gott, die absolute Größe, ist das Licht, so heißt dies nichts anderes, als: Gott ist am meisten (maxime) Licht, er, der am wenigsten (minime) Licht ist. Das absolut Größte wäre nicht alles Mögliche in Wirklichkeit, wenn es nicht unendlich wäre, der Begriff (via rationis) in seinem (dem kontradiktorischen) Prinzip nicht verbinden kann; denn wir stehen auf dem Boden dessen, was uns die Betrachtung der Natur offenbart, die, weit von der unendlichen Kraft abstehend, ihre unendlichen kontradiktorischen Gegensätze nicht vereinigen kann.

      FÜNFTES KAPITEL

      Das Größte ist Eines

      Ohne Zahl kann die Vielheit der Dinge nicht bestehen; denn ohne Zahl gibt es keine Unterscheidung, Ordnung, Proportion, Harmonie. Wäre die Zahl selbst unendlich, so wäre dasselbe der Fall. Denn daß die Zahl unendlich und daß sie gar nicht ist, kommt auf Eines heraus. Man kommt daher bei der Zahl in aufsteigender Richtung auf kein absolut Größtes. Wäre bei der absteigenden Richtung dasselbe der Fall, so wäre wieder alle Ordnung, Proportionen etc. unmöglich. Man muß daher in der Zahl auf ein Kleines kommen, das nicht kleiner sein kann, und dies ist die Einheit. Sie ist als das schlechthin Kleinste mit dem schlechthin Größten identisch; diese Einheit kann nicht selbst Zahl sein, wohl aber ist sie das Prinzip aller Zahl, weil das Kleinste, und das Ende aller Zahl, weil das Größte. Diese absolute Einheit, die keinen Gegensatz hat, ist das absolut Größte – Gott. Sie ist nicht der Vervielfältigung fähig, weil sie alles ist, was sein kann. Sie kann daher selbst nie Zahl werden. Die Zahl hat uns also zu der Einsicht geführt, Gott sei die absolute Einheit, vermöge welcher er alles wirklich ist, was sein kann. Wer daher sagte, es gebe mehrere Götter, der würde soviel sagen, als, es gebe keinen Gott und kein Universum …

      SECHSTES KAPITEL

      Das Größte ist die absolute Notwendigkeit32

      Im Vorhergehenden ist gezeigt, daß außer dem einen Größten alles endlich und begrenzt ist. Das Endliche und Begrenzte hat notwendig etwas, von dem es seinen Anfang und Begrenzung hat. Und da man nicht sagen kann, jenes absolute Größte sei größer als ein gegebenes Endliches, da man nicht so ins Unendliche fortsteigen kann, da sonst das Größte von der Natur des Endlichen wäre, so ist das absolut Größte notwendig, als Anfang und Ende alles Endlichen. Überdies könnte nichts sein, wenn jenes nicht wäre. Wäre das Endliche aus sich, so existierte es, bevor es existiert, und in den Ursachen und Prinzipien gibt es, wie die Regel sagt, keinen Regressus in infinitum. Sodann müssen wir sagen: Das Größte hat keinen Gegensatz, weder das konkrete Sein, noch das Nichtsein. Wie läßt es sich also denken, das Größte könne nicht sein, da gar nicht sein (minime esse) bei ihm heißt: am meisten sein (maxime esse)? Es läßt sich also kein Sein denken ohne das Sein. Ferner: Die größte Wahrheit ist das absolut Größte. Nun aber die größte alle denkbaren Fälle erschöpfende Wahrheit ist die, daß das absolut Größte entweder sei oder nicht sei, oder sei und nicht sei, oder endlich weder sei noch nicht sei. Welches Glied dieser Disjunktion du als das am meisten wahre (maxime verum) bezeichnen magst, so ist der Beweis damit geliefert, denn ich habe jedesmal die größte Wahrheit, die das schlechthin Größte ist. Wenn gleich auch das Wort Sein keine präzise Bezeichnung für das Größte ist, das alle Namen übersteigt, so muß doch dieser Name noch am ehesten ihm zukommen.

      Durch diese und unendlich viele ähnliche Beweise vom Standpunkte der Wissenschaft des Nichtwissens erhellt, daß das schlechthin Größte notwendig existiere, weshalb es die absolute Notwendigkeit ist.

      SIEBENTES KAPITEL

      Von der dreifachen und einen Ewigkeit

      Es hat keine Nation gegeben, die nicht Gott verehrte und an ihn als das absolut Größte glaubte. Wir finden von Minar in den Büchern der Altertümer aufgezeichnet, daß die Sissenier hauptsächlich die Einheit angebetet. Pythagoras dagegen, zu seiner Zeit von unerschüttertem Ansehen, faßte jene Einheit als eine dreifache auf. Um die Wahrheit hiervon zu erforschen, müssen wir den Blick des Geistes erhöhen und nach unsern Prämissen sagen:

      Was allem Anderssein vorhergeht, ist ohne Zweifel ewig; denn das Anderssein ist soviel als das Veränderlichsein. Das Anderssein besteht aber aus einem und einem andern, es ist daher, wie die Zahl, nach der Einheit; diese geht ihm naturgemäß (naturaliter) voran; sie ist somit ewig. Alle Ungleichheit ist aus einem Gleichen und etwas darüber (excedente), sie geht also der Gleichheit nach; denn sie kann durch Wegnehmen des darüber Hinausgehenden in Gleichheit verwandelt werden. Die Gleichheit geht also naturgemäß der Ungleichheit, die das Anderssein ist, vorher, sie ist also ewig.

      Die Einheit endlich ist entweder Verbindung (connexio) oder Ursache der Verbindung. Verbunden ist, was zugleich geeint ist. Die Zweiheit dagegen (binarius) ist Trennung oder Ursache der Trennung. Wie nun die Einheit der Natur nach der Zweiheit vorhergeht, so auch die Verbindung der Trennung. Folglich ist die Verbindung, wie die Einheit, ewig.

      Nun kann es aber nicht mehrere Ewigkeiten geben, sonst wäre etwas vor der Ewigkeit, was unmöglich ist. Auch würde sonst eines dem andern fehlen, und es wäre daher keine der drei Ewigkeiten vollkommen; es wäre etwas ewig, was nicht ewig wäre, da es nicht vollkommen ist. Folglich sind Einheit, Gleichheit und Verbindung Eines (unum). Das ist die Dreieinigkeit, welche Pythagoras, der erste unter allen Philosophen, die Zierde Italiens und Griechenlands, als Gegenstand der Anbetung lehrte.

      Wir wollen jedoch noch einiges Bestimmtere über die Zeugung (generatione) der Gleichheit aus der Einheit beifügen.

      ACHTES KAPITEL

      Von der ewigen Zeugung

      Zeigen wir nun ganz kurz, daß aus der Einheit die Gleichheit der Einheit erzeugt werde, und die Verbindung aus der Einheit und der Gleichheit der Einheit hervorgehe.

      Die Einheit ist das Sein (unitas dicitur quasi onitas von

ν = ens, woher entitas). Gott ist das Sein der Dinge, denn er ist das Prinzip des Seins. Die Gleichheit der Einheit ist daher die Gleichheit des Seins, d. i. daß in einem Dinge nicht mehr und nicht weniger ist, nichts darüber, nichts unter seinem Sein. Ist in einem Wesen mehr, so ist es ein Monstrum, ist weniger, so findet keine Zeugung der Gleichheit aus der Einheit statt. Denn Zeugung (generatio) ist Wiederholung der Einheit oder Vermehrung derselben Natur, wie z. B. der Sohn. Diese Zeugung findet sich nur im Irdischen, aber die Zeugung der Einheit aus der Einheit ist eine Wiederholung der Einheit (una unitatis repetitio) oder die Einheit einmal, wodurch die Einheit kein anderes, wie bei zwei, drei etc. erzeugt, sondern nur die Gleichheit der Einheit, was nichts anderes heißen will, als: Die Einheit erzeugt die Einheit, und diese Zeugung ist ewig.

      NEUNTES KAPITEL

      Von dem ewigen Hervorgehen der Verbindung

      Wie die Zeugung der Einheit aus der Einheit eine einmalige Wiederholung der Einheit ist, so ist das Hervorgehen aus beiden die Einigung (unitio) der Widerholung jener Einheit, oder besser: die Einigung der Einheit und der Gleichheit der Einheit. Sie heißt ein Hervorgehen (processio), weil sie gleichsam eine Ausdehnung vom einen auf das andere ist. Wenn zwei Dinge gleich sind, so breitet sich gleichsam die Gleichheit von dem einen auf das andere aus, sie verbindet und verknüpft sie. Mit Recht sagt man daher, die Verbindung gehe aus der Einheit und Gleichheit der Einheit hervor, denn die Verbindung (connexio) bezieht sich nicht bloß auf eines, sondern die Einheit geht aus der Einheit in die Gleichheit und von der Gleichheit der Einheit in die Einigung (unitionem) hervor. Sie dehnt sich also von dem einen in das andere aus. Nicht von einem Gezeugt-werden


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