Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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und Peter Schönfeld!” – Er kniete vor mir nieder und tat, als schluchze er heftig. Die Narrheit des Menschen wurde mir lästig. – “Sein Sie doch vernünftig”, rief ich ihm zu; der Kellner trat herein, um mein Gepäck zu holen. Belcampo sprang auf, und wieder in seinen lustigen Humor zurückkommend, half er, indem er in einem fort schwatzte, dem Kellner das herbeibringen, was ich noch in der Eile verlangte. “Der Kerl ist ein ausgemachter Hasenfuß, man darf sich mit ihm nicht viel einlassen”, rief der Kellner, indem er die Wagentüre zuschlug. Belcampo schwenkte den Hut und rief: “Bis zum letzten Hauch meines Lebens!” als ich mit bedeutendem Blick den Finger auf den Mund legte.

      Als der Morgen zu dämmern anfing, lag die Stadt schon weit hinter mir, und die Gestalt des furchtbaren, entsetzlichen Menschen, der wie ein unerforschliches Geheimnis mich grauenvoll umfing, war verschwunden. – Die Frage der Postmeister: wohin? rückte es immer wieder aufs neue mir vor, wie ich nun jeder Verbindung im Leben abtrünnig worden und den wogenden Wellen des Zufalls preisgegeben umherstreiche. Aber hatte nicht eine unwiderstehliche Macht mich gewaltsam herausgerissen aus allem, was mir sonst befreundet, nur damit der mir inwohnende Geist in ungehemmter Kraft seine Schwingen rüstig entfalte und rege? Rastlos durchstrich ich das herrliche Land, nirgends fand ich Ruhe, es trieb mich unaufhaltsam fort, immer weiter hinab in den Süden, ich war, ohne daran zu denken, bis jetzt kaum merklich von der Reiseroute abgewichen, die mir Leonardus bezeichnet, und so wirkte der Stoß, mit dem er mich in die Welt getrieben, wie mit magischer Gewalt fort in gerader Richtung.

      In einer finstern Nacht fuhr ich durch einen dichten Wald, der sich bis über die nächste Station ausdehnen sollte, wie mir der Postmeister gesagt und deshalb geraten hatte, bei ihm der Morgen abzuwarten, welches ich, um nur so rasch als möglich ein Ziel zu erreichen, das mir selbst ein Geheimnis war, ausschlug. Schon als ich abfuhr, leuchteten Blitze in der Ferne, aber bald zogen schwärzer und schwärzer die Wolken herauf, die der Sturm zusammengeballt hatte und brausend vor sich her jagte: der Donner hallte furchtbar im tausendstimmigen Echo wider, und rote Blitze durchkreuzten den Horizont, soweit das Auge reichte; die hohen Tannen krachten, bis in die Wurzel erschüttert, der Regen goß in Strömen herab. Jeden Augenblick liefen wir Gefahr, von den Bäumen erschlagen zu werden, die Pferde bäumten sich, scheu geworden durch das Leuchten der Blitze, bald konnten wir kaum noch fort; endlich wurde der Wagen so hart umgeschleudert, daß das Hinterrad zerbrach. So mußten wir nun auf der Stelle bleiben und warten, bis das Gewitter nachließ und der Mond durch die Wolken brach. Jetzt bemerkte der Postillon, daß er in der Finsternis ganz von der Straße abgekommen und in einen Waldweg geraten sei; es war kein anderes Mittel, als diesen Weg, so gut es gehen wollte, zu verfolgen und so vielleicht mit Tagesanbruch in ein Dorf zu kommen. Der Wagen wurde mit einem Baumast gestützt, und so ging es Schritt vor Schritt fort. Bald bemerkte ich, der ich voranging, in der Ferne den Schimmer eines Lichts und glaubte, Hundegebell zu vernehmen; ich hatte mich nicht getäuscht, denn kaum waren wir einige Minuten länger gegangen, als ich ganz deutlich Hunde anschlagen hörte. Wir kamen an ein ansehnliches Haus, das in einem großen, mit einer Mauer umschlossenen Hofe stand. Der Postillion klopfte an die Pforte, die Hunde sprangen tobend und bellend herbei, aber im Hause selbst blieb alles stille und tot, bis der Postillion sein Horn erschallen ließ; da wurde im obern Stock das Fenster, aus dem mir das Licht entgegenschimmerte, geöffnet und eine tiefe rauhe Stimme rief herab: “Christian, Christian!” – “Ja, gestrenger Herr”, antwortete es unten. “Da klopft und bläst es”, fuhr die Stimme von oben fort, “an unserm Tor, und die Hunde sind ganz des Teufels. Nehm er einmal die Laterne und die Büchse No. 3. und sehe er zu, was es gibt.” – Bald darauf hörten wir, wie Christian die Hunde ablockte, und sahen ihn endlich mit der Laterne kommen. Der Postillon meinte, es sei kein Zweifel, wie er gleich, als der Wald begonnen, statt geradeaus zu fahren, seitwärts eingebogen sein müsse, da wir bei der Försterwohnung wären, die von der letzten Station eine Stunde rechts ab liege. – Als wir dem Christian den Zufall, der uns betroffen, geklagt, öffnete er sogleich beide Flügel des Tors und half den Wagen hinein. Die beschwichtigten Hunde schwänzelten und schnüffelten um uns her, und der Mann, der sich nicht vom Fenster entfernt, rief unaufhörlich herab: “Was da, was da? was für eine Karawane?” – ohne daß Christian oder einer von uns Bescheid gegeben. Endlich trat ich, während Christian Pferde und Wagen unterbrachte, ins Haus, das Christian geöffnet, und es kam mir ein großer, starker Mann mit sonneverbranntem Gesicht, den großen Hut mit grünem Federbusch auf dem Kopf, übrigens im Hemde, nur die Pantoffeln an die Füße gesteckt, mit dem bloßen Hirschfänger in der Hand, entgegen, indem er mir barsch entgegenrief: “Woher des Landes? – was turbiert man die Leute in der Nacht, das ist hier kein Wirtshaus, keine Poststation. – Hier wohnt der Revierförster, und das bin ich! – Christian ist ein Esel, daß er das Tor geöffnet.” Ich erzählte ganz kleinmütig meinen Unfall und daß nur die Not uns hier hineingetrieben, da wurde der Mann geschmeidiger, er sagte: “Nun freilich, das Unwetter war gar heftig, aber der Postillon ist doch ein Schlingel, daß er falsch fuhr und den Wagen zerbrach. – Solch ein Kerl muß mit verbundenen Augen im Walde fahren können, er muß darin zu Hause sein wie unsereins.” – Er führte mich herauf, und indem er den Hirschfänger aus der Hand legte, den Hut abnahm und den Rock überwarf, bat er, seinen rauhen Empfang nicht übel zu deuten, da er hier in der abgelegenen Wohnung um so mehr auf der Hut sein müsse, als wohl öfters allerlei liederlich Gesindel den Wald durchstreife und er vorzüglich mit den sogenannten Freischützen, die ihm schon oft nach dem Leben getrachtet, beinahe in offner Fehde liege. “Aber”, fuhr er fort, “die Spitzbuben können mir nichts anhaben, denn mit der Hülfe Gottes verwalte ich mein Amt treu und redlich, und im Glauben und Vertrauen auf ihn und auf mein gut Gewehr biete ich ihnen Trotz.” – Unwillkürlich schob ich, wie ich es noch oft aus alter Gewohnheit nicht lassen konnte, einige salbungsvolle Worte über die Kraft des Vertrauens auf Gott ein, und der Förster erheiterte sich immer mehr und mehr. Meiner Protestationen unerachtet weckte er seine Frau, eine betagte, aber muntre, rührige Matrone, die, wiewohl aus dem Schlafe gestört, doch freundlich den Gast bewillkommte und auf des Mannes Geheiß sogleich ein Abendessen zu bereiten anfing. Der Postillion sollte, so hatte es ihm der Förster als Strafe aufgegeben, noch in derselben Nacht mit dem zerbrochenen Wagen auf die Station zurück, von der er gekommen, und ich von ihm, dem Förster, nach meinem Belieben auf die nächste Station gebracht werden. Ich ließ mir das um so eher gefallen, als mir selbst wenigstens eine kurze Ruhe nötig schien. Ich äußerte deshalb dem Förster, daß ich wohl bis zum Mittag des folgenden Tages dazubleiben wünsche, um mich ganz von der Ermüdung zu erholen, die mir das beständige, unaufhörliche Fahren mehrere Tage hindurch verursacht. “Wenn ich Ihnen raten soll, mein Herr”, erwiderte der Förster, “so bleiben Sie morgen den ganzen Tag über hier und warten Sie bis übermorgen, da bringt Sie mein ältester Sohn, den ich in die fürstliche Residenz schicke, selbst bis auf die nächste Station.” Auch damit war ich zufrieden, indem ich die Einsamkeit des Orts rühmte, die mich wunderbar anziehe. “Nun, mein Herr!” sagte der Förster, “einsam ist es hier wohl gar nicht, Sie müßten denn so nach den gewöhnlichen Begriffen der Städter jede Wohnung einsam nennen, die im Walde liegt, unerachtet es denn doch sehr darauf ankommt, wer sich darin aufhält. Ja, wenn hier in diesem alten Jagdschloß noch so ein griesgramiger alter Herr wohnte wie ehemals, der sich in seinen vier Mauern einschloß und keine Lust hatte an Wald und Jagd, da möchte es wohl ein einsamer Aufenthalt sein, aber seitdem er tot ist und der gnädige Landesfürst das Gebäude zur Försterwohnung einrichten lassen, da ist es hier recht lebendig worden. Sie sind doch wohl so ein Städter, mein Herr, der nichts weiß von Wald und Jagdlust, da können Sie sich’s denn nicht denken, was wir Jägersleute für ein herrlich freudig Leben führen. Ich mit meinen Jägerburschen mache nur eine Familie aus, ja, Sie mögen das nun kurios finden oder nicht, ich rechne meine klugen, anstelligen Hunde auch dazu; die verstehen mich und passen auf mein Wort, auf meinen Wink und sind mir treu bis zum Tode. – Sehen Sie wohl, wie mein Waldmann da mich so verständig anschaut, weil er weiß, daß ich von ihm rede? – Nun, Herr, gibt es beinahe immer was im Walde zu tun, da ist denn nun abends ein Vorbereiten und Wirtschaften, und sowie der Morgen graut, bin ich aus den Federn und trete heraus, ein lustig Jägerstückchen auf meinem Horn blasend. Da rüttelt und rappelt sich alles aus dem Schlafe, die Hunde schlagen an, sie jauchzen vor Mut und Jagdbegier. Die Bursche werfen sich schnell in die Kleider, Jagdtasch’ umgeworfen, Gewehr über der Schulter, treten sie hinein in die Stube, wo meine Alte das Jägerfrühstück bereitet, und nun geht’s heraus in Jubel und Lust.


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