Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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menschlichen Augen, und der Jäger steht, kaum atmend, mit gespanntem Hahn regungslos, wie eingewurzelt auf der Stelle. – Und wenn nun das Wild herausspringt aus dem Dickicht und die Schüsse knallen und die Hunde stürzen hinterdrein, ei Herr, da klopft einem das Herz, und man ist ein ganz andrer Mensch. Und jedesmal ist solch ein Ausziehen zur Jagd was Neues, denn immer kommt was ganz Besonderes vor, was noch nicht dagewesen. Schon dadurch, daß das Wild sich in die Zeiten teilt, so daß nun dies, dann jenes sich zeigt, wird das Ding so herrlich, daß kein Mensch auf Erden es satt haben kann. Aber, Herr, auch der Wald schon an und vor sich selbst, der Wald ist ja so lustig und lebendig, daß ich mich niemals einsam fühle. Da kenne ich jedes Plätzchen und jeden Baum, und es ist mir wahrhaftig so, als wenn jeder Baum, der unter meinen Augen aufgewachsen und nun seine blanken, regen Wipfel in die Lüfte streckt, mich auch kennen und lieb haben müßte, weil ich ihn gehegt und gepflegt, ja ich glaube ordentlich, wenn es manchmal so wunderbar rauscht und flüstert, als spräche es zu mir mit ganz eignen Stimmen, und das wäre eigentlich das wahre Lobpreisen Gottes und seiner Allmacht und ein Gebet, wie man es gar nicht mit Worten auszusprechen vermag. – Kurz, ein rechtschaffener, frommer Jägersmann führt ein gar lustig, herrlich Leben, denn es ist ihm ja wohl noch etwas von der alten, schönen Freiheit geblieben, wie die Menschen so recht in der Natur lebten und von all dem Geschwänzel und Geziere nichts wußten, womit sie sich in ihren gemauerten Kerkern quälen, so daß sie auch ganz entfremdet sind all den herrlichen Dingen, die Gott um sie hergestellt hat, damit sie sich daran erbauen und ergötzen sollen, wie es sonst die Freien taten, die mit der ganzen Natur in Liebe und Freundschaft lebten, wie man es in den alten Geschichten lieset.”

      Alles das sagte der alte Förster mit einem Ton und Ausdruck, daß man wohl überzeugt sein mußte, wie er es tief in der Brust fühle, und ich beneidete ihn in der Tat um sein glückliches Leben, um seine im Innersten tiefbegründete ruhige Gemütsstimmung, die der meinigen so unähnlich war. Im ändern Teil des, wie ich jetzt wahrnahm, ziemlich weitläuftigen Gebäudes wies mir der Alte ein kleines, nett aufgeputztes Gemach an, m welchem ich meine Sachen bereits vorfand, und verließ mich, indem er versicherte, daß mich der frühe Lärm im Hause nicht wecken würde, da ich mich von der übrigen Hausgenossenschaft ganz abgesondert befinde und daher so lange ruhen könne, als ich wolle, nur erst, wenn ich hinabrufe, würde man mir das Frühstück bringen, ich aber ihn, den Alten, erst beim Mittagsessen wiedersehen, da er früh mit den Burschen in den Wald ziehe und vor Mittag nicht heimkehre. Ich warf mich auf das Lager und fiel, ermüdet wie ich war, bald in tiefen Schlaf, aber es folterte mich ein entsetzliches Traumbild. – Auf ganz wunderbare Weise fing der Traum mit dem Bewußtsein des Schlafs an, ich sagte mir nämlich selbst: “Nun, das ist herrlich, daß ich gleich eingeschlafen bin und so fest und ruhig schlummere, das wird mich von der Ermüdung ganz erlaben; nur muß ich ja nicht die Augen öffnen.” Aber demunerachtet war es mir, als könne ich das nicht unterlassen, und doch wurde mein Schlaf dadurch nicht unterbrochen: da ging die Türe auf, und eine dunkle Gestalt trat hinein, die ich zu meinem Entsetzen als mich selbst im Kapuzinerhabit, mit Bart und Tonsur erkannte. Die Gestalt kam näher und näher an mein Bett, ich war regungslos, und jeder Laut, den ich herauszupressen suchte, erstickte in dem Starrkrampf, der mich ergriffen. Jetzt setzte sich die Gestalt auf mein Bett und grinsete mich höhnisch an. “Du mußt jetzt mit mir kommen”, sprach die Gestalt, “wir wollen auf das Dach steigen, unter die Wetterfahne, die ein lustig Brautlied spielt, weil der Uhu Hochzeit macht. Dort wollen wir ringen miteinander, und wer den ändern herabstößt, ist König und darf Blut trinken.” – Ich fühlte, wie die Gestalt mich packte und in die Höhe zog, da gab mir die Verzweiflung meine Kraft wieder. “Du bist nicht ich, du bist der Teufel”, schrie ich auf und griff wie mit Krallen dem bedrohlichen Gespenst ins Gesicht, aber es war, als bohrten meine Finger sich in die Augen wie in tiefe Höhlen, und die Gestalt lachte von neuem auf in schneidendem Ton. In dem Augenblick erwachte ich, wie von einem plötzlichen Ruck emporgeschüttelt. Aber das Gelächter dauerte fort im Zimmer. Ich fuhr in die Höhe, der Morgen brach in lichten Strahlen durch das Fenster, und ich sah vor dem Tisch, den Rücken mir zugewendet, eine Gestalt im Kapuzinerhabit stehen. – Ich erstarrte vor Schreck, der grauenhafte Traum trat ins Leben. – Der Kapuziner stöberte unter den Sachen, die auf dem Tische lagen. Jetzt wandte er sich, und mir kam aller Mut wieder, als ich ein fremdes Gesicht mit schwarzem, verwildertem Barte erblickte, aus dessen Augen der gedankenlose Wahnsinn lachte: gewisse Züge erinnerten entfernt an Hermogen. – Ich beschloß abzuwarten, was der Unbekannte beginnen werde, und nur irgendeiner schädlichen Unternehmung Einhalt zu tun. Mein Stilett lag neben mir, ich war deshalb und schon meiner körperlichen Leibesstärke wegen, auf die ich bauen konnte, auch ohne weitere Hülfe des Fremden mächtig. Er schien mit meinen Sachen wie ein Kind zu spielen, vorzüglich hatte er Freude an dem roten Portefeuille, das er hin und her gegen das Fenster wandte und dabei auf seltsame Weise in die Höhe sprang. Endlich fand er die Korbflasche mit dem Rest des geheimnisvollen Weins; er öffnete sie und roch daran, da bebte es ihm durch alle Glieder, er stieß einen Schrei aus, der dumpf und grauenvoll im Zimmer widerklang. Eine helle Glocke im Hause schlug drei Uhr, da heulte er, wie von entsetzlicher Qual ergriffen, aber dann brach er wieder aus in das schneidende Gelächter, wie ich es im Traum gehört; er schwenkte sich in wilden Sprüngen, er trank aus der Flasche und rannte dann, sie von sich schleudernd, zur Türe hinaus. Ich stand schnell auf und lief ihm nach, aber er war mir schon aus dem Gesichte, ich hörte ihn die entfernte Treppe hinabpoltern und einen dumpfen Schlag wie von einer hart zugeworfenen Türe. Ich verriegelte mein Zimmer, um eines zweiten Besuchs überhoben zu sein, und warf mich aufs neue ins Bette. Zu erschöpft war ich nun, um nicht bald wieder einzuschlafen; erquickt und gestärkt erwachte ich, als schon die Sonne ins Gemach hineinfunkelte. – Der Förster war, wie er es gesagt hatte, mit seinen Söhnen und den Jägerburschen in den Wald gezogen; ein blühendes, freundliches Mädchen, des Försters jüngere Tochter, brachte mir das Frühstück, während die ältere mit der Mutter in der Küche beschäftigt war. Das Mädchen wußte gar lieblich zu erzählen, wie sie hier alle Tage froh und friedlich zusammen lebten und nur manchmal es Tumult von vielen Menschen gäbe, wenn der Fürst im Revier jage und dann manchmal im Hause übernachte. So schlichen ein paar Stunden hin, da war es Mittag, und lustiger Jubel und Hörnerklang verkündeten den Förster, der mit seinen vier Söhnen, herrlichen, blühenden Jünglingen, von denen der jüngste kaum fünfzehn Jahr alt sein mochte, und drei Jägerburschen heimkehrte. – Er frug, wie ich denn geschlafen und ob mich nicht der frühe Lärm vor der Zeit geweckt habe; ich mochte ihm das überstandene Abenteuer nicht erzählen, denn die lebendige Erscheinung des grauenhaften Mönchs hatte sich so fest an das Traumbild gereiht, daß ich kaum zu unterscheiden vermochte, wo der Traum übergegangen sei ins wirkliche Leben. – Der Tisch war gedeckt, die Suppe dampfte, der Alte zog sein Käppchen ab, um das Gebet zu halten, da ging die Türe auf, und der Kapuziner, den ich in der Nacht gesehen, trat hinein. Der Wahnsinn war aus seinem Gesichte verschwunden, aber er hatte ein düstres, störrisches Ansehen. “Sein Sie willkommen, ehrwürdiger Herr!” rief ihm der Alte entgegen, – “sprechen Sie das Gratias und speisen Sie dann mit uns.” – Da blickte er um sich mit zornfunkelnden Augen und schrie mit fürchterlicher Stimme: “Der Satan soll dich zerreißen mit deinem ehrwürdigen Herrn und deinem verfluchten Beten; hast du mich nicht hergelockt, damit ich der dreizehnte sein soll und du mich umbringen lassen kannst von dem fremden Mörder? – Hast du mich nicht in diese Kutte gesteckt, damit niemand den Grafen, deinen Herrn und Gebieter, erkennen soll? – Aber hüte dich, Verfluchter, vor meinem Zorn!” – Damit ergriff der Mönch einen schweren Krug, der auf dem Tische stand, und schleuderte ihn nach dem Alten, der nur durch eine geschickte Wendung dem Wurf auswich, der ihm den Kopf zerschmettert hätte. Der Krug flog gegen die Wand und zerbrach in tausend Scherben. Aber in dem Augenblick packten die Jägerbursche den Rasenden und hielten ihn fest. “Was!” rief der Förster, “du verruchter, gotteslästerlicher Mensch, du wagst es, hier wieder mit deinem rasenden Beginnen unter fromme Leute zu treten, du wagst es, mir, der ich dich aus viehischem Zustande, aus der ewigen Verderbnis errettet, aufs neue nach dem Leben zu trachten? – Fort mit dir in den Turm!” – Der Mönch fiel auf die Knie, er flehte heulend um Erbarmen, aber der Alte sagte: “Du mußt in den Turm und darfst nicht eher wieder hieher kommen, bis ich weiß, daß du dem Satan entsagt hast, der dich verblendet, sonst mußt du sterben.” Da schrie der Mönch auf wie im trostlosen Jammer der Todesnot, aber die Jägerbursche brachten ihn fort und berichteten, wiederkehrend, daß der Mönch ruhiger geworden, sobald er in das Turmgemach getreten.


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