Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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dieselbe Anmut in jeder ihrer Bewegungen, derselbe geistvolle Blick des Auges, dieselbe freie Stirne, das himmlische Lächeln. – Nur schien sie mir im Wüchse voller und jünger als die Äbtissin. Sie redete liebreich mit mehreren Frauenzimmern, die sich eben in der Allee befanden, während der Fürst mit einem ernsten Mann im interessanten, eifrigen Gespräch begriffen schien. – Die Kleidung, das Benehmen der fürstlichen Familie, ihre Umgebung, alles griff ein in den Ton des Ganzen. Man sah wohl, wie die anständige Haltung in einer gewissen Ruhe und anspruchslosen Zierlichkeit, in der sich die Residenz erhielt, von dem Hofe ausging. Zufällig stand ich bei einem aufgeweckten Mann, der mir auf alle mögliche Fragen Bescheid gab und manche muntere Anmerkung einzuflechten wußte. Als die fürstliche Familie vorüber war, schlug er mir vor, einen Gang durch den Park zu machen und mir, dem Fremden, die geschmackvollen Anlagen zu zeigen, welche überall in demselben anzutreffen; das war mir nun ganz recht, und ich fand in der Tat, daß überall der Geist der Anmut und des geregelten Geschmacks verbreitet, wiewohl mir oft in den im Park zerstreuten Gebäuden das Streben nach der antiken Form, die nur die grandiosesten Verhältnisse duldet, den Bauherrn zu Kleinlichkeiten verleitet zu haben schien. Antike Säulen, deren Kapitaler ein großer Mann beinahe mit der Hand erreicht, sind wohl ziemlich lächerlich. Ebenso gab es in entgegengesetzter Art im ändern Teil des Parks ein paar gotische Gebäude, die sich in ihrer Kleinheit gar zu kleinlich ausnahmen. Ich glaube, daß das Nachahmen gotischer Formen beinahe noch gefährlicher ist als jenes Streben nach dem Antiken. Denn ist es auch allerdings richtig, daß kleine Kapellen dem Baumeister, der rücksichts der Größe des Gebäudes und der darauf zu verwendenden Kosten eingeschränkt ist, Anlaß genug geben, in jenem Stil zu bauen, so möchte es doch wohl mit den Spitzbogen, bizarren Säulen, Schnörkeln, die man dieser oder jener Kirche nachahmt, nicht getan sein, da nur der Baumeister etwas Wahrhaftiges in der Art leisten wird, der sich von dem tiefen Sinn – wie er in den alten Meistern wohnte, welche das willkürlich, ja das heterogen Scheinende so herrlich zu einem sinnigen, bedeutungsvollen Ganzen zu verbinden wußten – beseelt fühlt. Es ist mit einem Wort der seltene Sinn für das Romantische, der den gotischen Baumeister leiten muß, da hier von dem Schulgerechten, an das er sich bei der antiken Form halten kann, nicht die Rede ist. Ich äußerte alles dieses meinem Begleiter; er stimmte mir vollkommen bei und suchte nur für jene Kleinigkeiten darin eine Entschuldigung, daß die in einem Park nötige Abwechslung und selbst das Bedürfnis, hie und da Gebäude als Zufluchtsort bei plötzlich einbrechendem Unwetter oder auch nur zur Erholung, zum Ausruhen zu finden, beinahe von selbst jene Mißgriffe herbeiführe. – Die einfachsten, anspruchslosesten Gartenhäuser, Strohdächer, auf Baumstämme gestützt und in anmutige Gebüsche versteckt, die eben jenen angedeuteten Zweck erreichten, meinte ich dagegen, wären mir lieber als alle jene Tempelchen und Kapellchen; und sollte denn nun einmal gezimmert und gemauert werden, so stehe dem geistreichen Baumeister, der rücksichts des Umfanges und der Kosten beschränkt sei, wohl ein Stil zu Gebote, der, sich zum antiken oder zum gotischen hinneigend, ohne kleinliche Nachahmerei, ohne Anspruch, das grandiose, alte Muster zu erreichen, nur das Anmutige, den dem Gemüte des Beschauers wohltuenden Eindruck bezwecke. “Ich bin ganz Ihrer Meinung”, erwiderte mein Begleiter, “indessen rühren alle diese Gebäude, ja die Anlage des ganzen Parks von dem Fürsten selbst her, und dieser Umstand beschwichtigt, wenigstens bei uns Einheimischen, jeden Tadel. – Der Fürst ist der beste Mensch, den es auf der Welt geben kann, von jeher hat er den wahrhaft landesväterlichen Grundsatz, daß die Untertanen nicht seinetwegen da wären, er vielmehr der Untertanen wegen da sei, recht an den Tag gelegt. Die Freiheit, alles zu äußern, was man denkt; die Geringfügigkeit der Abgaben und der daraus entspringende niedrige Preis aller Lebensbedürfnisse; das gänzliche Zurücktreten der Polizei, die nur dem boshaften Übermute ohne Geräusch Schranken setzt und weit entfernt ist, den einheimischen Bürger sowie den Fremden mit gehässigem Amtseifer zu quälen; die Entfernung alles soldatischen Unwesens, die gemütliche Ruhe, womit Geschäfte, Gewerbe getrieben werden: alles das wird Ihnen den Aufenthalt in unserm Ländchen erfreulich machen. Ich wette, daß man Sie bis jetzt noch nicht nach Namen und Stand gefragt hat und der Gastwirt keinesweges, wie in ändern Städten, in der ersten Viertelstunde mit dem großen Buche unterm Arm feierlich angerückt ist, worin man genötigt wird, seinen eignen Steckbrief mit stumpfer Feder und blasser Tinte hineinzukritzeln. Kurz, die ganze Einrichtung unseres kleinen Staats, in dem die wahre Lebensweisheit herrscht, geht von unserm herrlichen Fürsten aus, da vorher die Menschen, wie man mir gesagt hat, durch albernen Pedantismus eines Hofes, der die Ausgabe des benachbarten großen Hofes in Taschenformat war, gequält wurden. Der Fürst liebt Künste und Wissenschaft, daher ist ihm jeder geschickte Künstler, jeder geistreiche Gelehrte willkommen, und der Grad seines Wissens nur ist die Ahnenprobe, die die Fähigkeit bestimmt, in der nächsten Umgebung des Fürsten erscheinen zu dürfen. Aber eben in die Kunst und Wissenschaft des vielseitig gebildeten Fürsten hat sich etwas von dem Pedantismus geschlichen, der ihn bei seiner Erziehung einzwängte und der sich jetzt in dem sklavischen Anhängen an irgendeine Form ausspricht. Er schrieb und zeichnete den Baumeistern mit ängstlicher Genauigkeit jedes Detail der Gebäude vor, und jede geringe Abweichung von dem aufgestellten Muster, das er mühsam aus allen nur möglichen antiquarischen Werken herausgesucht, konnte ihn ebenso ängstigen, als wenn dieses oder jenes dem verjüngten Maßstab, den ihm die beengten Verhältnisse aufdrangen, sich durchaus nicht fügen wollte. Durch eben das Anhängen an diese oder jene Form, die er liebgewonnen, leidet auch unser Theater, das von der einmal bestimmten Manier, der sich die heterogensten Elemente fügen müssen, nicht abweicht. Der Fürst wechselt mit gewissen Lieblingsneigungen, die aber gewiß niemals irgend jemandem zu nahe treten. Als der Park angelegt wurde, war er leidenschaftlicher Baumeister und Gärtner, dann begeisterte ihn der Schwung, den seit einiger Zeit die Musik genommen, und dieser Begeisterung verdanken wir die Einrichtung einer ganz vorzüglichen Kapelle. – Dann beschäftigte ihn die Malerei, in der er selbst das Ungewöhnliche leistet. Selbst bei den täglichen Belustigungen des Hofes findet dieser Wechsel statt. – Sonst wurde viel getanzt, jetzt wird an Gesellschaftstagen eine Pharobank gehalten, und der Fürst, ohne im mindesten eigentlicher Spieler zu sein, ergötzt sich an den sonderbaren Verknüpfungen des Zufalls, doch bedarf es nur irgendeines Impulses, um wieder etwas anderes an die Tagesordnung zu bringen. Dieser schnelle Wechsel der Neigungen hat dem guten Fürsten den Vorwurf zugezogen, daß ihm diejenige Tiefe des Geistes fehle, in der sich, wie in einem klaren, sonnenhellen See, das farbenreiche Bild des Lebens unverändert spiegelt; meiner Meinung nach tut man ihm aber unrecht, da eine besondere Regsamkeit des Geistes nur ihn dazu treibt, diesem oder jenem nach erhaltenem Impuls mit besonderer Leidenschaft nachzuhängen, ohne daß darüber das ebenso Edle vergessen oder auch nur vernachlässigt werden sollte. Daher kommt es, daß Sie diesen Park so wohl erhalten sehen, daß unsere Kapelle, unser Theater fortdauernd auf alle mögliche Weise unterstützt und gehoben, daß die Gemäldesammlung nach Kräften bereichert wird. Was aber den Wechsel der Unterhaltungen bei Hofe betrifft, so ist das wohl ein heitres Spiel im Leben, das jeder dem regsamen Fürsten zur Erholung vom ernsten, oft mühevollen Geschäft recht herzlich gönnen mag.”

      Wir gingen eben bei ganz herrlichen, mit tiefem malerischem Sinn gruppierten Gebüschen und Bäumen vorüber, ich äußerte meine Bewunderung, und mein Begleiter sagte: “Alle diese Anlagen, diese Pflanzungen, diese Blumengruppen sind das Werk der vortrefflichen Fürstin. Sie ist selbst vollendete Landschaftsmalerin und außerdem die Naturkunde ihre Lieblingswissenschaft. Sie finden daher ausländische Bäume, seltene Blumen und Pflanzen, aber nicht wie zur Schau ausgestellt, sondern mit tiefem Sinn so geordnet und in zwanglose Partien verteilt, als wären sie ohne alles Zutun der Kunst aus heimatlichem Boden entsprossen. – Die Fürstin äußerte einen Abscheu gegen all die aus Sandstein unbeholfen gemeißelten Götter und Göttinnen, Najaden und Dryaden, wovon sonst der Park wimmelte. Diese Standbilder sind deshalb verbannt worden, und Sie finden nur noch einige gute Kopien nach der Antike, die der Fürst gewisser ihm teurer Erinnerungen wegen gern im Park behalten wollte, die aber die Fürstin so geschickt – mit zartem Sinn des Fürsten innerste Willensmeinung ergreifend – aufstellen zu lassen wußte, daß sie auf jeden, dem auch die geheimeren Beziehungen fremd sind, ganz wunderbar wirken.” Es war später Abend geworden, wir verließen den Park, mein Begleiter nahm die Einladung an, mit mir im Gasthofe zu speisen, und gab sich endlich als den Inspektor der fürstlichen Bildergalerie zu erkennen.

      Ich äußerte ihm, als wir bei der Mahlzeit vertrauter geworden, meinen herzlichen Wunsch, der fürstlichen Familie näherzutreten,


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