Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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und ich will mich dir ganz ergeben; mehr Wein, mehr Wein!” Es habe dem Christian übrigens wirklich geschienen, als taumle der Mönch wie betrunken, unerachtet er nicht begriffen, wie der Mönch an irgendein starkes, berauschendes Getränk gekommen sein könne. – Nun nahm ich nicht länger Anstand, das überstandene Abenteuer zu erzählen, wobei ich nicht vergaß, der ausgeleerten Korbflasche zu gedenken. “Ei, das ist schlimm”, sagte der Förster, “doch Sie scheinen mir ein mutiger, frommer Mann, ein anderer hätte des Todes sein können vor Schreck.” Ich bat ihn, mir näher zu sagen, was es mit dem wahnsinnigen Mönch für eine Bewandtnis habe. “Ach”, erwiderte der Alte, “das ist eine lange, abenteuerliche Geschichte, so was taugt nicht beim Essen. Schlimm genug schon, daß uns der garstige Mensch, eben als wir, was uns Gott beschert, froh und freudig genießen wollten, mit seinem freveligen Beginnen so gestört hat; aber nun wollen wir auch gleich an den Tisch.” Damit zog er sein Mützchen ab, sprach andächtig und fromm das Gratias, und unter lustigen, frohen Gesprächen verzehrten wir das ländliche, kräftig und schmackhaft zubereitete Mahl. Dem Gast zu Ehren ließ der Alte guten Wein heraufbringen, den er mir nach patriarchalischer Sitte aus einem schönen Pokal zutrank. Der Tisch war indessen abgeräumt, die Jägerbursche nahmen ein paar Hörner von der Wand und bliesen ein Jägerlied. – Bei der zweiten Wiederholung fielen die Mädchen singend ein, und mit ihnen wiederholten die Försterssöhne im Chor die Schlußstrophe. – Meine Brust erweiterte sich auf wunderbare Weise: seit langer Zeit war mir nicht im Innersten so wohl gewesen als unter diesen einfachen, frommen Menschen. Es wurden mehrere gemütliche, wohltönende Lieder gesungen, bis der Alte aufstand und mit dem Ausruf: “Es leben alle brave Männer, die das edle Weidwerk ehren”, sein Glas leerte; wir stimmten alle ein, und so war das frohe Mahl, das mir zu Ehren durch Wein und Gesang verherrlicht wurde, beschlossen.

      Der Alte sprach zu mir: “Nun, mein Herr, schlafe ich ein halbes Stündchen, aber dann gehen wir in den Wald, und ich erzähle es Ihnen, wie der Mönch in mein Haus gekommen und was ich sonst von ihm weiß. Bis dahin tritt die Dämmerung ein, dann gehen wir auf den Anstand, da es, wie mir Franz sagt, Hühner gibt. Auch Sie sollen ein gutes Gewehr erhalten und Ihr Glück versuchen.” Die Sache war mir neu, da ich als Seminarist zwar manchmal nach der Scheibe, aber nie nach Wild geschossen; ich nahm daher des Försters Anerbieten an, der höchlich darüber erfreut schien und mir mit treuherziger Gutmütigkeit in aller Eil noch vor dem Schlaf, den er zu tun gedachte, die ersten, unentbehrlichsten Grundsätze der Schießkunst beizubringen suchte.

      Ich wurde mit Flinte und Jagdtasche ausgerüstet, und so zog ich mit dem Förster in den Wald, der die Geschichte von dem seltsamen Mönch in folgender Art anfing:

      “Künftigen Herbst sind es schon zwei Jahre her, als meine Bursche im Walde oft ein entsetzliches Heulen vernahmen, das, sowenig Menschliches es auch hatte, doch, wie Franz, mein jüngst angenommener Lehrling, meinte, von einem Menschen herrühren mochte. Franz war dazu bestimmt, von dem heulenden Ungetüm geneckt zu werden, denn wenn er auf den Anstand ging, so verscheuchte das Heulen, welches sich dicht bei ihm hören ließ, die Tiere, und er sah zuletzt, wenn er auf ein Tier anlegen wollte, ein borstiges unkenntliches Wesen aus dem Gebüsch springen, das seinen Schuß vereitelte. Franz hatte den Kopf voll von all den spukhaften Jägerlegenden, die ihm sein Vater, ein alter Jäger, erzählt, und er war geneigt, das Wesen für den Satan selbst zu halten, der ihm das Weidhandwerk verleiden oder ihn sonst verlocken wolle. Die anderen Bursche, selbst meine Söhne, denen auch das Ungetüm aufgestoßen, pflichteten ihm endlich bei, und um so mehr war mir daran gelegen, dem Dinge näher auf die Spur zu kommen, als ich es für eine List der Freischützen hielt, meine Jäger vom Anstand wegzuschrecken. – Ich befahl deshalb meinen Söhnen und den Burschen, die Gestalt, falls sie sich wieder zeigen sollte, anzurufen, und falls sie nicht stehen oder Bescheid geben sollte, nach Jägerrecht ohne weiteres nach ihr zu schießen. – Den Franz traf es wieder, der erste zu sein, dem das Ungetüm auf dem Anstand in den Weg trat. Er rief ihm zu, das Gewehr anlegend, die Gestalt sprang ins Gebüsch, Franz wollte hinterdrein knallen, aber der Schuß versagte, und nun lief er voll Angst und Schrecken zu den ändern, die von ihm entfernt standen, überzeugt, daß es der Satan sei, der ihm zum Trutz das Wild verscheuche und sein Gewehr verzaubere; denn in der Tat traf er, seitdem ihn das Ungetüm verfolgte, kein Tier, so gut er sonst geschossen. Das Gerücht von dem Spuk im Walde verbreitete sich, und man erzählte schon im Dorfe, wie der Satan dem Franz in den Weg getreten und ihm Freikugeln angeboten und noch anderes tolles Zeug mehr. – Ich beschloß, dem Unwesen ein Ende zu machen und das Ungetüm, das mir selbst noch niemals aufgestoßen, auf den Stätten, wo es sich zu zeigen pflegte, zu verfolgen. Lange wollte es mir nicht glücken; endlich, als ich an einem neblichten Novemberabend gerade da, wo Franz das Ungetüm zuerst erblickt, auf dem Anstand war, rauschte es mir ganz nahe im Gebüsch, ich legte leise das Gewehr an, ein Tier vermutend, aber eine gräßliche Gestalt mit rotfunkelnden Augen und schwarzen, borstigen Haaren, mit Lumpen behangen, brach hervor. Das Ungetüm stierte mich an, indem es entsetzliche heulende Töne ausstieß. Herr! – es war ein Anblick, der dem Beherztesten Furcht einjagen könnte, ja mir war es, als stehe wirklich der Satan vor mir, und ich fühlte, wie mir der Angstschweiß ausbrach. Aber im kräftigen Gebet, das ich mit starker Stimme sprach, ermutigte ich mich ganz. Sowie ich betete und den Namen Jesus Christus aussprach, heulte wütender das Ungetüm und brach endlich in entsetzliche gotteslästerliche Verwünschungen aus. Da rief ich: >Du verfluchter, bübischer Kerl, halt ein mit deinen gotteslästerlichen Reden und gib dich gefangen, oder ich schieße dich nieder.< Da fiel der Mensch wimmernd zu Boden und bat um Erbarmen. Meine Bursche kamen herbei, wir packten den Menschen und führten ihn nach Hause, wo ich ihn in den Turm bei dem Nebengebäude einsperren ließ und den nächsten Morgen den Vorfall der Obrigkeit anzeigen wollte. Er fiel, sowie er in den Turm kam, in einen ohnmächtigen Zustand. Als ich den ändern Morgen zu ihm ging, saß er auf dem Strohlager, das ich ihm bereiten lassen, und weinte heftig. Er fiel mir zu Füßen und flehte mich an, daß ich mit ihm Erbarmen haben solle; schon seit mehreren Wochen habe er im Walde gelebt und nichts gegessen als Kräuter und wildes Obst, er sei ein armer Kapuziner aus einem weit entlegenen Kloster und aus dem Gefängnisse, in das man ihn wahnsinnshalber gesperrt, entsprungen. Der Mensch war in der Tat in einem erbarmungswürdigen Zustande, ich hatte Mitleiden mit ihm und ließ ihm Speise und Wein zur Stärkung reichen, worauf er sich sichtlich erholte. Er bat mich auf das eindringendste, ihn nur einige Tage im Hause zu dulden und ihm ein neues Ordenshabit zu verschaffen, er wolle dann selbst nach dem Kloster zurückwandeln. Ich erfüllte seinen Wunsch, und sein Wahnsinn schien wirklich nachzulassen, da die Paroxysmen minder heftig und seltner wurden. In den Ausbrüchen der Raserei stieß er entsetzliche Reden aus, und ich bemerkte, daß er, wenn ich ihn deshalb hart anredete und mit dem Tode drohte, in einen Zustand innerer Zerknirschung überging, indem er sich kasteite, ja sogar Gott und die Heiligen anrief, ihn von der Höllenqual zu befreien. Er schien sich dann für den heiligen Antonius zu halten, so wie er in der Raserei immer tobte: er sei Graf und gebietender Herr, und er wolle uns alle ermorden lassen, wenn seine Diener kämen. In den lichten Zwischenräumen bat er mich, um Gottes willen ihn nicht zu verstoßen, weil er fühle, daß nur sein Aufenthalt bei mir ihn heilen könne. Nur ein einziges Mal gab es noch einen harten Auftritt mit ihm, und zwar, als der Fürst hier eben im Revier gejagt und bei mir übernachtet hatte. Der Mönch war, nachdem er den Fürsten mit seiner glänzenden Umgebung gesehen, ganz verändert. Er blieb störrisch und verschlossen, er entfernte sich schnell, wenn wir beteten, es zuckte ihm durch alle Glieder, wenn er nur ein andächtiges Wort hörte, und dabei schaute er meine Tochter Anne mit solchen lüsternen Blicken an, daß ich beschloß, ihn fortzubringen, um allerlei Unfug zu verhüten. In der Nacht vorher, als ich den Morgen meinen Plan ausführen wollte, weckte mich ein durchdringendes Geschrei auf dem Gange, ich sprang aus dem Bette und lief schnell mit angezündetem Licht nach dem Gemach, wo meine Töchter schliefen. Der Mönch war aus dem Turm, wo ich ihn allnächtlich eingeschlossen, gebrochen und in viehischer Brunst nach dem Gemach meiner Töchter gerannt, dessen Türe er mit einem Fußtritt sprengte. Zum Glück hatte den Franz ein unausstehlicher Durst aus der Kammer, wo die Bursche schlafen, hinausgetrieben, und er wollte gerade nach der Küche gehen, um sich Wasser zu schöpfen, als er den Mönch über den Gang poltern hörte. Er lief herbei und packte ihn gerade in dem Augenblick, als er die Türe einstieß, von hinten her; aber der Junge war zu schwach, den Rasenden zu bändigen, sie balgten sich unter dem Geschrei der erwachten Mädchen in der Türe, und ich kam gerade in dem Augenblick herzu, als der Mönch den


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