Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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daß ich mich nun wohl erinnere, in Gedanken laut aufgelacht zu haben, um so weniger könne das aber von solch wunderlicher Wirkung gewesen sein, als der Hofmarschall mich ja ganz sanft gefragt hätte, worüber ich mich so erfreue. “Ei, Ei!” – fuhr der Leibarzt fort, “das will nichts bedeuten, der Hofmarschall ist solch ein homo impavidus, der sich aus dem Teufel selbst nichts macht. Er blieb in seiner ruhigen Dolcezza, obgleich erwähnter Konsistorialpräsident wirklich meinte, der Teufel habe aus Ihnen, mein Teurer! auf seine Weise gelächelt, und unsere schöne Aurelie von solchem Grausen und Entsetzen ergriffen wurde, daß alle Bemühungen der Herrschaft, sie zu beruhigen, vergebens blieben und sie bald die Gesellschaft verlassen mußte, zur Verzweiflung sämtlicher Herren, denen sichtlich das Liebesfeuer aus den exaltierten Toupets dampfte! In dem Augenblick, als Sie, werter Herr Leonard, so lieblich lachten, soll Aurelie mit schneidendem, in das Herz dringenden Ton: >Hermogen!< gerufen haben. Ei, Ei! was mag das bedeuten? – Das könnten Sie vielleicht wissen –Sie sind überhaupt ein lieber, lustiger, kluger Mann, Herr Leonard, und es ist mir nicht unlieb, daß ich Ihnen Franceskos merkwürdige Geschichte anvertraut habe, das muß recht lehrreich für Sie werden!” – Immerfort hielt der Leibarzt meinen Arm fest und sah mir starr in die Augen. – “Ich weiß”, sagte ich, mich ziemlich unsanft losmachend, “ich weiß Ihre wunderliche Reden nicht zu deuten, mein Herr, aber ich muß gestehen, daß, als ich Aurelien von den geschmückten Herren umlagert sah, denen, wie Sie witzig bemerken, das Liebesfeuer aus den exaltierten Toupets dampfte, mir eine sehr bittre Erinnerung aus meinem früheren Leben durch die Seele fuhr und daß ich, von recht grimmigem Hohn über mancher Menschen töricht Treiben ergriffen, unwillkürlich hell auflachen mußte. Es tut mir leid, daß ich, ohne es zu wollen, so viel Unheil angerichtet habe, und ich büße dafür, indem ich mich selbst auf einige Zeit vom Hofe verbanne. Mag mir die Fürstin, mag mir Aurelie verzeihen.” “Ei, mein lieber Herr Leonard”, versetzte der Leibarzt, “man hat ja wohl wunderliche Anwandlungen, denen man leicht widersteht, wenn man sonst nur reinen Herzens ist.” – “Wer darf sich dessen rühmen hienieden?” frug ich dumpf in mich hinein. Der Leibarzt änderte plötzlich Blick und Ton. “Sie scheinen mir”, sprach er milde und ernst, “Sie scheinen mir aber doch wirklich krank. – Sie sehen blaß und verstört aus – Ihr Auge ist eingefallen und brennt seltsam in rötlicher Glut … Ihr Puls geht fieberhaft … Ihre Sprache klingt dumpf … soll ich Ihnen etwas aufschreiben?” – “Gift!” sprach ich kaum vernehmbar. – “Ho ho!” rief der Leibarzt, “steht es so mit Ihnen? Nun, nun, statt des Gifts das niederschlagende Mittel zerstreuender Gesellschaft. – Es kann aber auch sein, daß … Wunderlich ist es aber doch … vielleicht –” “Ich bitte Sie, mein Herr!” rief ich ganz erzürnt, “ich bitte Sie, mich nicht mit abgebrochenen, unverständlichen Reden zu quälen, sondern lieber geradezu alles …” – “Halt!” unterbrach mich der Leibarzt, “halt … es gibt die wunderlichsten Täuschungen, mein Herr Leonard, beinahe ist’s mir gewiß, daß man auf augenblicklichen Eindruck eine Hypothese gebaut hat, die vielleicht in wenigen Minuten in nichts zerfällt. Dort kommt die Fürstin mit Aurelien, nützen Sie dieses zufällige Zusammentreffen, entschuldigen Sie Ihr Betragen … Eigentlich … mein Gott! eigentlich haben Sie ja auch nur gelacht … freilich auf etwas wunderliche Weise, wer kann aber dafür, daß schwachnervige Personen darüber erschrecken. Adieu!”

      Der Leibarzt sprang mit der ihm eignen Behendigkeit davon. Die Fürstin kam mit Aurelien den Gang herab. – Ich erbebte. – Mit aller Gewalt raffte ich mich zusammen. Ich fühlte nach des Leibarztes geheimnisvollen Reden, daß es nun galt, mich auf der Stelle zu behaupten. Keck trat ich den Kommenden entgegen. Als Aurelie mich ins Auge faßte, sank sie mit einem dumpfen Schrei wie tot zusammen, ich wollte hinzu, mit Abscheu und Entsetzen winkte mich die Fürstin fort, laut um Hülfe rufend. Wie von Furien und Teufeln gepeitscht, rannte ich fort durch den Park. Ich schloß mich in meine Wohnung ein und warf mich, vor Wut und Verzweiflung knirschend, aufs Lager! – Der Abend kam, die Nacht brach ein, da hörte ich die Haustüre aufschließen, mehrere Stimmen murmelten und flüsterten durcheinander, es wankte und tappte die Treppe herauf – endlich pochte man an meine Türe und befahl mir, im Namen der Obrigkeit, aufzumachen. Ohne deutliches Bewußtsein, was mir drohen könne, glaubte ich zu fühlen, daß ich nun verloren sei. Rettung durch Flucht – so dachte ich und riß das Fenster auf. – Ich erblickte Bewaffnete vor dem Hause, von denen mich einer sogleich bemerkte. “Wohin?” rief er mir zu, und in dem Augenblick wurde die Türe meines Schlafzimmers gesprengt. Mehrere Männer traten herein; bei dem Leuchten der Laterne, die einer von ihnen trug, erkannte ich sie für Polizeisoldaten. Man zeigte mir die Ordre des Kriminalgerichts, mich zu verhaften, vor; jeder Widerstand wäre töricht gewesen. Man warf mich in den Wagen, der vor dem Hause hielt, und als ich, an den Ort, der meine Bestimmung schien, angekommen, frug, wo ich mich befände, so erhielt ich zur Antwort: “In den Gefängnissen der obern Burg.” Ich wußte, daß man hier gefährliche Verbrecher während des Prozesses einsperre. Nicht lange dauerte es, so wurde mein Bette gebracht, und der Gefangenwärter frug mich, ob ich noch etwas zu meiner Bequemlichkeit wünsche. Ich verneinte das und blieb endlich allein. Die lange nachhallenden Tritte und das Auf-und Zuschließen vieler Türen ließen mich wahrnehmen, daß ich mich in einem der innersten Gefängnisse auf der Burg befand. Auf mir selbst unerklärliche Weise war ich während der ziemlich langen Fahrt ruhig geworden, ja in einer Art Sinnesbetäubung erblickte ich alle Bilder, die mir vorübergingen, nur in blassen, halberloschenen Farben. Ich erlag nicht dem Schlaf, sondern einer Gedanken und Phantasie lähmenden Ohnmacht. Als ich am hellen Morgen erwachte, kam mir nur nach und nach die Erinnerung dessen, was geschehen und wo ich hingebracht worden. Die gewölbte, ganz zellenartige Kammer, wo ich lag, hätte mir kaum ein Gefängnis geschienen, wenn nicht das kleine Fenster stark mit Eisenstäben vergittert und so hoch angebracht gewesen wäre, daß ich es nicht einmal mit ausgestreckter Hand erreichen, viel weniger hinausschauen konnte. Nur wenige Sonnenstrahlen fielen sparsam hinein; mich wandelte die Lust an, die Umgebungen meines Aufenthaltes zu erforschen, ich rückte daher mein Bette heran und stellte den Tisch darauf. Eben wollte ich hinaufklettern, als der Gefangenwärter hereintrat und über mein Beginnen sehr verwundert schien. Er frug mich, was ich da mache, ich erwiderte, daß ich nur hinausschauen wollen; schweigend trug er Tisch, Bette und den Stuhl fort und schloß mich sogleich wieder ein. Nicht eine Stunde hatte es gedauert, als er, von zwei anderen Männern begleitet, wieder erschien und mich durch lange Gänge treppauf, treppab führte, bis ich endlich in einen kleinen Saal eintrat, wo mich der Kriminalrichter erwartete. Ihm zur Seite saß ein junger Mann, dem er in der Folge alles, was ich auf die an mich gerichtete Fragen erwidert hatte, laut in die Feder diktierte. Meinen ehemaligen Verhältnissen bei Hofe und der allgemeinen Achtung, die ich in der Tat so lange genossen hatte, mochte ich die höfliche Art danken, mit der man mich behandelte, wiewohl ich auch die Oberzeugung darauf baute, daß nur Vermutungen, die hauptsächlich auf Aureliens ahnendes Gefühl beruhen konnten, meine Verhaftung veranlaßt hatten. Der Richter forderte mich auf, meine bisherigen Lebensverhältnisse genau anzugeben; ich bat ihn, mir erst die Ursache meiner plötzlichen Verhaftung zu sagen; er erwiderte, daß ich über das mir schuld gegebene Verbrechen zu seiner Zeit genau genug vernommen werden solle. Jetzt komme es nur darauf an, meinen ganzen Lebenslauf bis zur Ankunft in der Residenz auf das genaueste zu wissen, und er müsse mich daran erinnern, daß es dem Kriminalgericht nicht an Mitteln fehlen würde, auch dem kleinsten von mir angegebenen Umstände nachzuspüren, weshalb ich denn ja der strengsten Wahrheit treu bleiben möge. Diese Ermahnung, die der Richter, ein kleiner, dürrer Mann mit fuchsroten Haaren, mit heiserer, lächerlich quäkender Stimme mir hielt, indem er die grauen Augen weit aufriß, fiel auf einen fruchtbaren Boden; denn ich erinnerte mich nun, daß ich in meiner Erzählung den Faden genau so aufgreifen und fortspinnen müsse, wie ich ihn angelegt, als ich bei Hofe meinen Namen und Geburtsort angab. Auch war es wohl nötig, alles Auffallende vermeidend, meinen Lebenslauf ins Alltägliche, aber weit Entfernte, Ungewisse zu spielen, so daß die weitern Nachforschungen dadurch auf jeden Fall weit aussehend und schwierig werden mußten. In dem Augenblick kam mir auch ein junger Pole ins Gedächtnis, mit dem ich auf dem Seminar in B. studierte; ich beschloß, seine einfachen Lebensumstände mir anzueignen. So gerüstet, begann ich in folgender Art: “Es mag wohl sein, daß man mich eines schweren Verbrechens beschuldigt, ich habe indessen hier unter den Augen des Fürsten und der ganzen Stadt gelebt, und es ist während der Zeit meines Aufenthaltes kein Verbrechen verübt worden, für dessen Urheber ich gehalten werden oder dessen Teilnehmer ich


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