Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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verzog sich nun sein Gesicht zum finstern, durchbohrenden Ernst, er stand auf und blickte mir scharf ins Auge. Ich muß gestehen, selbst das Funkeln seiner Gläser hatte für mich etwas Unerträgliches, Entsetzliches, ich konnte nicht weiterreden; von innerer verzweifelnder Wut grimmig erfaßt, die geballte Faust vor der Stirn, schrie ich laut auf: “Aurelie!” – “Was soll das, was bedeutet der Name?” frug der Richter heftig. – “Ein dunkles Verhängnis opfert mich dem schmachvollen Tode”, sagte ich dumpf, “aber ich bin unschuldig, gewiß … ich bin ganz unschuldig … entlassen Sie mich … haben Sie Mitleiden … ich fühle es, daß Wahnsinn mir durch Nerv und Adern zu toben beginnt … entlassen Sie mich!” – Der Richter, wieder ganz ruhig geworden, diktierte dem Protokollführer vieles, was ich nicht verstand, endlich las er mir eine Verhandlung vor, worin alles, was er gefragt und was ich geantwortet sowie was sich mit Cyrillus zugetragen hatte, verzeichnet war. Ich mußte meinen Namen unterschreiben; dann forderte mich der Richter auf, irgend etwas polnisch und deutsch aufzuzeichnen, ich tat es. Der Richter nahm das deutsche Blatt und gab es dem Pater Cyrillus, der sich unterdessen wieder erholt hatte, mit der Frage in die Hände: “Haben diese Schriftzüge Ähnlichkeit mit der Hand, die Ihr Klosterbruder Medardus schrieb?” – “Es ist ganz genau seine Hand, bis auf die kleinsten Eigentümlichkeiten”, erwiderte Cyrillus und wandte sich wieder zu mir. Er wollte sprechen, ein Blick des Richters wies ihn zur Ruhe. Der Richter sah das von mir geschriebene polnische Blatt sehr aufmerksam durch, dann stand er auf, trat dicht vor mir hin und sagte mit sehr ernstem, entscheidendem Ton:

      “Sie sind kein Pole. Diese Schrift ist durchaus unrichtig, voller grammatischer und orthographischer Fehler. Kein Nationalpole schreibt so, wäre er auch viel weniger wissenschaftlich ausgebildet, als Sie es sind.”

      “Ich bin in Krcziniewo geboren, folglich allerdings ein Pole. Selbst aber in dem Fall, daß ich es nicht wäre, daß geheimnisvolle Umstände mich zwängen, Stand und Namen zu verleugnen, so würde ich deshalb doch nicht der Kapuziner Medardus sein dürfen, der aus dem Kloster in B., wie ich glauben muß, entsprang.”

      “Ach, Bruder Medardus”, fiel Cyrillus ein, “schickte dich unser ehrwürdiger Prior Leonardus nicht im Vertrauen auf deine Treue und Frömmigkeit nach Rom? … Bruder Medardus! um Christus willen, verleugne nicht länger auf gottlose Weise den heiligen Stand, dem du entronnen.”

      “Ich bitte Sie, uns nicht zu unterbrechen”, sagte der Richter und fuhr dann, sich zu mir wendend, fort:

      “Ich muß Ihnen bemerklich machen, wie die unverdächtige Aussage dieses ehrwürdigen Herrn die dringendste Vermutung bewirkt, daß Sie wirklich der Medardus sind, für den man Sie hält. Nicht verhehlen mag ich auch, daß man Ihnen mehrere Personen entgegenstellen wird, die Sie für jenen Mönch unzweifelhaft erkannt haben. Unter diesen Personen befindet sich eine, die Sie, treffen die Vermutungen ein, schwer fürchten müssen. Ja selbst unter Ihren eigenen Sachen hat sich manches gefunden, was den Verdacht wider Sie unterstützt. Endlich werden bald die Nachrichten über Ihre vergebliche Familienumstände eingehen, um die man die Gerichte in Posen ersucht hat… Alles dieses sage ich Ihnen offner, als es mein Amt gebietet, damit Sie sich überzeugen, wie wenig ich auf irgendeinen Kunstgriff rechne, Sie, haben jene Vermutungen Grund, zürn Geständnis der Wahrheit zu bringen. Bereiten Sie sich vor, wie Sie wollen; sind Sie wirklich jener angeklagte Medardus, so glauben Sie, daß der Blick des Richters die tiefste Verhüllung bald durchdringen wird; Sie werden dann auch selbst sehr genau wissen, welcher Verbrechen man Sie anklagt. Sollten Sie dagegen wirklich der Leonard von Krczinski sein, für den Sie sich ausgeben, und ein besonderes Spiel der Natur Sie, selbst rücksichts besonderer Abzeichen, jenem Medardus ähnlich gemacht haben, so werden Sie selbst leicht Mittel finden, dies klar nachzuweisen. Sie schienen mir erst in einem sehr exaltierten Zustande, schon deshalb brach ich die Verhandlung ab, indessen wollte ich Ihnen zugleich auch Raum geben zum reiflichen Nachdenken. Nach dem, was heute geschehen, kann es Ihnen an Stoff dazu nicht fehlen.”

      “Sie halten also meine Angaben durchaus für falsch? … Sie sehen in mir den verlaufenen Mönch Medardus?” – So frug ich; der Richter sagte mit einer leichten Verbeugung: “Adieu, Herr von Krczinski!” und man brachte mich in den Kerker zurück. Die Worte des Richters durchbohrten mein Innres wie glühende Stacheln. Alles, was ich vorgegeben, kam mir seicht und abgeschmackt vor. Daß die Person, der ich entgegengestellt werden und die ich so schwer zu fürchten haben sollte, Aurelie sein mußte, war nur zu klar. Wie sollt’ ich das ertragen! Ich dachte nach, was unter meinen Sachen wohl verdächtig sein könne, da fiel es mir schwer aufs Herz, daß ich noch aus jener Zeit meines Aufenthaltes auf dem Schlosse des Barons von F. einen Ring mit Euphemiens Namen besaß sowie daß Viktorins Felleisen, das ich auf meiner Flucht mit mir genommen, noch mit dem Kapuzinerstrick zugeschnürt war! – Ich hielt mich für verloren! – Verzweifelnd rannte ich den Kerker auf und ab. Da war es, als flüsterte, als zischte es mir in die Ohren: “Du Tor, was verzagst du? Denkst du nicht an Viktorin?” – Laut rief ich: “Ha! nicht verloren, gewonnen ist das Spiel.” Es arbeitete und kochte in meinem Innern! – Schon früher hatte ich daran gedacht, daß unter Euphemiens Papieren sich wohl etwas gefunden haben müsse, was auf Viktorins Erscheinen auf dem Schlosse als Mönch hindeute. Darauf mich stützend, wollte ich auf irgendeine Weise ein Zusammentreffen mit Viktorin, ja selbst mit dem Medardus, für den man mich hielt, vorgeben; jenes Abenteuer auf dem Schlosse, das so fürchterlich endete, als von Hörensagen erzählen und mich selbst, meine Ähnlichkeit mit jenen beiden, auf unschädliche Weise geschickt hineinverflechten. Der kleinste Umstand mußte reiflich erwogen werden; aufzuschreiben beschloß ich daher den Roman, der mich retten sollte! – Man bewilligte mir die Schreibmaterialien, die ich forderte, um schriftlich noch manchen verschwiegenen Umstand meines Lebens zu erörtern. Ich arbeitete mit Anstrengung bis in die Nacht hinein; im Schreiben erhitzte sich meine Phantasie, alles formte sich wie eine gerundete Dichtung, und fester und fester spann sich das Gewebe endloser Lügen, womit ich dem Richter die Wahrheit zu verschleiern hoffte. Die Burgglocke hatte zwölfe geschlagen, als sich wieder leise und entfernt das Podien vernehmen ließ, das mich gestern so verstört hatte. – Ich wollte darauf nicht achten, aber immer lauter pochte es in abgemessenen Schlägen, und dabei fing es wieder an, dazwischen zu lachen und zu ächzen. – Stark auf dem Tisch schlagend, rief ich laut: “Still ihr da drunten!” und glaubte mich so von dem Grauen, das mich befing, zu ermutigen; aber da lachte es gellend und schneidend durch das Gewölbe und stammelte: “Brü-der-lein, Brü-der-lein … zu dir her-auf … herauf … ma-mach auf … mach auf!” – Nun begann es dicht neben mir im Fußboden zu schaben, zu rasseln und zu kratzen, und immer wieder lachte es und ächzte; stärker und immer stärker wurde das Geräusch, das Rasseln, das Kratzen – dazwischen dumpf dröhnende Schläge wie das Fallen schwerer Massen. – Ich war aufgestanden, mit der Lampe in der Hand. Da rührte es sich unter meinem Fuß, ich schritt weiter und sah, wie an der Stelle, wo ich gestanden, sich ein Stein des Pflasters losbröckelte. Ich erfaßte ihn und hob ihn mit leichter Mühe vollends heraus. Ein düstrer Schein brach durch die Öffnung, ein nackter Arm mit einem blinkenden Messer in der Hand streckte sich mir entgegen. Von tiefem Entsetzen durchschauert, bebte ich zurück. Da stammelte es von unten herauf: “Brü-der-lein! Brü-der-lein, Me-dar-dus ist da-da, herauf … nimm, nimm! … brich … brich … in den Wa-Wald … in den Wald!” – Schnell dachte ich Flucht und Rettung; alles Grauen überwunden, ergriff ich das Messer, das die Hand mir willig ließ und fing an, den Mörtel zwischen den Steinen des Fußbodens emsig wegzubrechen. Der, der unten war, drückte wacker herauf. Vier, fünf Steine lagen zur Seite weggeschleudert, da erhob sich plötzlich ein nackter Mensch bis an die Hüften aus der Tiefe empor und starrte mich gespenstisch an mit des Wahnsinns grinsendem, entsetzlichem Gelächter. Der volle Schein der Lampe fiel auf das Gesicht – ich erkannte mich selbst – mir vergingen die Sinne. – Ein empfindlicher Schmerz an den Armen weckte mich aus tiefer Ohnmacht! – Hell war es um mich her, der Kerkermeister stand mit einer blendenden Leuchte vor mir, Kettengerassel und Hammerschläge hallten durch das Gewölbe. Man war beschäftigt, mich in Fesseln zu schmieden. Außer den Hand-und Fußschellen wurde ich mittelst eines Ringes um den Leib und einer daran befestigten Kette an die Mauer gefesselt. “Nun wird es der Herr wohl bleiben lassen, an das Durchbrechen zu denken”, sagte der Kerkermeister. – “Was hat denn der Kerl eigentlich getan?” frug ein Schmiedeknecht. “Ei”, erwiderte der Kerkermeister, “weißt du denn das nicht, Jost? … die ganze


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