Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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Strahl; es war der unbeschreibliche Ausdruck der glühendsten Sehnsucht, der Aurelien fremd schien. Aber so flammte der Liebesblick jenes geheimnisvollen Wesens am Beichtstuhl, das ich oft in süßen Träumen sah. “Können Sie mir jemals verzeihen!” lispelte Aurelie. Da stürzte ich, wahnsinnig vor namenlosem Entzücken, vor ihr hin, ich ergriff ihre Hände! – “Aurelie … Aurelie … für dich Marter! … Tod!” Ich fühlte mich sanft emporgehoben – Aurelie sank an meine Brust, ich schwelgte in glühenden Küssen. Aufgeschreckt durch ein nahes Geräusch, wand sie sich endlich los aus meinen Armen, ich durfte sie nicht zurückhalten. “Erfüllt ist all mein Sehnen und Hoffen”, sprach sie leise, und in dem Augenblick sah ich die Fürstin den Gang heraufkommen. Ich trat hinein in das Gebüsch und wurde nun gewahr, daß ich wunderlicherweise einen dürren grauen Stamm für ein Kruzifix gehalten.

      Ich fühlte keine Ermattung mehr, Aureliens Küsse durchglühten mich mit neuer Lebenskraft; es war mir, als sei jetzt hell und herrlich das Geheimnis meines Seins aufgegangen. Ach, es war das wunderbare Geheimnis der Liebe, das sich nun erst in rein strahlender Glorie mir erschlossen. Ich stand auf dem höchsten Punkt des Lebens; abwärts mußte es sich wenden, damit ein Geschick erfüllt werde, das die höhere Macht beschlossen. – Diese Zeit war es, die mich wie ein Traum aus dem Himmel umfing, als ich das aufzuzeichnen begann, was sich nach Aureliens Wiedersehen mit mir begab. Dich Fremden, Unbekannten! der du einst diese Blätter lesen wirst, bat ich, du solltest jene höchste Sonnenzeit deines eigenen Lebens zurückrufen, dann würdest du den trostlosen Jammer des in Reue und Buße ergrauten Mönchs verstehen und einstimmen in seine Klagen. Noch einmal bitte ich dich jetzt, laß jene Zeit im Innern dir aufgehen, und nicht darf ich dann dir’s sagen, wie Aureliens Liebe mich und alles um mich her verklärte, wie reger und lebendiger mein Geist das Leben im Leben erschaute und ergriff, wie mich, den göttlich Begeisterten, die Freudigkeit des Himmels erfüllte. Kein finstrer Gedanke ging durch meine Seele, Aureliens Liebe hatte mich entsündigt, ja! auf wunderbare Weise keimte in mir die feste Oberzeugung auf, daß nicht ich jener ruchlose Frevler auf dem Schlosse des Barons von F. war, der Euphemien – Hermogen erschlug, sondern daß der wahnsinnige Mönch, den ich im Försterhause traf, die Tat begangen. Alles, was ich dem Leibarzt gestand, schien mir nicht Lüge, sondern der wahre geheimnisvolle Hergang der Sache zu sein, der mir selbst unbegreiflich blieb. – Der Fürst hatte mich empfangen wie einen Freund, den man verloren glaubt und wiederfindet; dies gab natürlicherweise den Ton an, in den alle einstimmen mußten, nur die Fürstin, war sie auch milder als sonst, blieb ernst und zurückhaltend.

      Aurelie gab sich mir mit kindlicher Unbefangenheit ganz hin, ihre Liebe war ihr keine Schuld, die sie der Welt verbergen mußte, und ebensowenig vermochte ich auch nur im mindesten das Gefühl zu verhehlen, in dem allein ich nur lebte. Jeder bemerkte mein Verhältnis mit Aurelien, niemand sprach darüber, weil man in des Fürsten Blicken las, daß er unsre Liebe, wo nicht begünstigen, doch stillschweigend dulden wolle. So kam es, daß ich zwanglos Aurelien öfter, manchmal auch wohl ohne Zeugen sah. – Ich schloß sie in meine Arme, sie erwiderte meine Küsse, aber es fühlend, wie sie erbebte in jungfräulicher Scheu, konnte ich nicht Raum geben der sündlichen Begierde; jeder frevelige Gedanke erstarb in dem Schauer, der durch mein Innres glitt. Sie schien keine Gefahr zu ahnen, wirklich gab es für sie keine, denn oft, wenn sie im einsamen Zimmer neben mir saß, wenn mächtiger als je ihr Himmelsreiz strahlte, wenn wilder die Liebesglut in mir aufflammen wollte, blickte sie mich an so unbeschreiblich milde und keusch, daß es mir war, als vergönne es der Himmel dem büßenden Sünder, schon hier auf Erden der Heiligen zu nahen. Ja, nicht Aurelie, die heilige Rosalia selbst war es, und ich stürzte zu ihren Füßen und rief laut: “O du, fromme, hohe Heilige, darf sich denn irdische Liebe zu dir im Herzen regen?” – Dann reichte sie mir die Hand und sprach mit süßer, milder Stimme: “Ach, keine hohe Heilige bin ich, aber wohl recht fromm und liebe dich gar sehr!”

      Ich hatte Aurelien mehrere Tage nicht gesehen, sie war mit der Fürstin auf ein nahe gelegenes Lustschloß gegangen. Ich ertrug es nicht länger, ich rannte hin. – Am späten Abend angekommen, traf ich im Garten auf eine Kammerfrau, die mir Aureliens Zimmer nachwies. Leise, leise öffnete ich die Tür – ich trat hinein – eine schwüle Luft, ein wunderbarer Blumengeruch wallte mir sinnebetäubend entgegen. Erinnerungen stiegen in mir auf wie dunkle Träume! Ist das nicht Aureliens Zimmer auf dem Schlosse des Barons, wo ich… Sowie ich dies dachte, war es, als erhöbe sich hinter mir eine finstre Gestalt, und: “Hermogen!” rief es in meinem Innern! Entsetzt rannte ich vorwärts, nur angelehnt war die Türe des Kabinetts. Aurelie kniete, den Rücken mir zugekehrt, vor einem Taburett, auf dem ein aufgeschlagenes Buch lag. Voll scheuer Angst blickte ich unwillkürlich zurück – ich schaute nichts, da rief ich im höchsten Entzücken: “Aurelie, Aurelie!” – Sie wandte sich schnell um, aber noch ehe sie aufgestanden, lag ich neben ihr und hatte sie fest umschlungen. “Leonard! mein Geliebter!” -lispelte sie leise. Da kochte und gärte in meinem Innern rasende Begier, wildes, sündiges Verlangen. Sie hing kraftlos in meinen Armen; die genestelten Haare waren aufgegangen und fielen in üppigen Locken über meine Schultern, der jugendliche Busen quoll hervor – sie ächzte dumpf – ich kannte mich selbst nicht mehr! – Ich riß sie empor, sie schien erkräftigt, eine fremde Glut brannte in ihrem Auge, feuriger erwiderte sie meine wütenden Küsse. Da rauschte es hinter uns wie starker, mächtiger Flügelschlag; ein schneidender Ton, wie das Angstgeschrei des zum Tode Getroffenen, gellte durch das Zimmer. – “Hermogen!” schrie Aurelie und sank ohnmächtig hin aus meinen Armen. Von wildem Entsetzen erfaßt, rannte ich fort! – Im Flur trat mir die Fürstin, von einem Spaziergange heimkehrend, entgegen. Sie blickte mich ernst und stolz an, indem sie sprach: “Es ist mir in der Tat sehr befremdlich, Sie hier zu sehen, Herr Leonard!” – Meine Verstörtheit im Augenblick bemeisternd, antwortete ich in beinahe bestimmterem Ton, als es ziemlich sein mochte, daß man oft gegen große Anregungen vergebens ankämpfe und daß oft das unschicklich Scheinende für das Schicklichste gelten könne! – Als ich durch die finstre Nacht der Residenz zueilte, war es mir, als liefe jemand neben mir her und als flüstere eine Stimme: “I … Imm … Immer bin ich bei di … dir … Brü … Brüderlein … Brüderlein Medardus!” – Blickte ich um mich her, so merkte ich wohl, daß das Phantom des Doppeltgängers nur in meiner Phantasie spuke; aber nicht los konnte ich das entsetzliche Bild werden, ja es war mir endlich, als müsse ich mit ihm sprechen und ihm erzählen, daß ich wieder recht albern gewesen sei und mich habe schrecken lassen von dem tollen Hermogen; die heilige Rosalia sollte denn nun bald mein – ganz mein sein, denn dafür wäre ich Mönch und habe die Weihe erhalten. Da lachte und stöhnte mein Doppeltgänger, wie er sonst getan, und stotterte: “Aber sehn … schnell … schnell!” – “Gedulde dich nur”, sprach ich wieder, “gedulde dich nur, mein Junge! Alles wird gut werden. Den Hermogen habe ich nur nicht gut getroffen, er hat solch ein verdammtes Kreuz am Halse, wie wir beide, aber mein flinkes Messerchen ist noch scharf und spitzig.” – “Hi … hi hi … tri … triff gut … triff gut!” – So verflüsterte des Doppeltgängers Stimme im Sausen des Morgenwindes, der von dem Feuerpurpur herstrich, welches aufbrannte im Osten. Eben war ich in meiner Wohnung angekommen, als ich zum Fürsten beschieden wurde. Der Fürst kam mir sehr freundlich entgegen. “In der Tat, Herr Leonard!” fing er an, “Sie haben sich meine Zuneigung im hohen Grade erworben; nicht verhehlen kann ich’s Ihnen, daß mein Wohlwollen für Sie wahre Freundschaft geworden ist. Ich möchte Sie nicht verlieren, ich möchte Sie glücklich sehen. Oberdem ist man Ihnen für das, was Sie gelitten haben, alle nur mögliche Entschädigung zu gewähren schuldig. Wissen Sie wohl, Herr Leonard! wer Ihren bösen Prozeß einzig und allein veranlaßte? wer Sie anklagte?” “Nein, gnädigster Herr!”

      “Baronesse Aurelie! … Sie erstaunen? Ja ja, Baronesse Aurelie, mein Herr Leonard, die hat Sie (er lachte laut auf), die hat Sie für einen Kapuziner gehalten! – Nun bei Gott! sind Sie ein Kapuziner, so sind Sie der liebenswürdigste, den je ein menschliches Auge sah! – Sagen Sie aufrichtig, Herr Leonard, sind Sie wirklich so ein Stück von Klostergeistlichen?” – “Gnädigster Herr, ich weiß nicht, welch ein böses Verhängnis mich immer zu dem Mönch machen will, der …”

      “Nun nun! – ich bin kein Inquisitor! – Fatal wär’s doch, wenn ein geistliches Gelübde Sie bände. – Zur Sache! – Möchten Sie nicht für das Unheil, das Baronesse Aurelie Ihnen zufügte, Rache nehmen?” –

      “In


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