Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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Er ließ sich weitläuftig über die mannigfachen Versuchungen des Teufels aus, und mancher Funke fiel in meine Seele, indem der Geistliche den trostlosen Zustand des jungen Gemüts beschrieb, in das sich der Böse den Weg bahnen wolle und worin er nur schwaches Widerstreben fände. Mein Vater fügte manches hinzu, als ob er von mir rede. Nur unbegrenzte Zuversicht, sagte endlich der Geistliche, nur unwandelbares Vertrauen, nicht sowohl zu befreundeten Menschen als zur Religion und ihren Dienern, könne Rettung bringen. Dies merkwürdige Gespräch bestimmte mich, den Trost der Kirche zu suchen und meine Brust durch reuiges Geständnis in heiliger Beichte zu erleichtern. Am frühen Morgen des ändern Tages wollte ich, da wir uns eben in der Residenz befanden, in die dicht neben unserm Hause gelegene Klosterkirche gehen. Es war eine qualvolle, entsetzliche Nacht, die ich zu überstehen hatte. Abscheuliche, frevelige Bilder, wie ich sie nie gesehen, nie gedacht, umgaukelten mich, aber dann mitten drunter stand der Mönch da, mir die Hand wie zur Rettung bietend, und rief: “Sprich es nur aus, daß du mich liebst, und frei bist du aller Not.” Da mußt’ ich unwillkürlich rufen: “Ja, Medardus, ich liebe dich!” – und verschwunden waren die Geister der Hölle! Endlich stand ich auf, kleidete mich an und ging nach der Klosterkirche.

      Das Morgenlicht brach eben in farbigen Strahlen durch die bunten Fenster, ein Laienbruder reinigte die Gänge. Unfern der Seitenpforte, wo ich hineingetreten, stand ein der heiligen Rosalia geweihter Altar, dort hielt ich ein kurzes Gebet und schritt dann auf den Beichtstuhl zu, in dem ich einen Mönch erblickte. Hilf, heiliger Himmel! – es war Medardus! Kein Zweifel blieb übrig, eine höhere Macht sagte es mir. Da ergriff mich wahnsinnige Angst und Liebe, aber ich fühlte, daß nur standhafter Mut mich retten könne. Ich beichtete ihm selbst meine sündliche Liebe zu dem Gottgeweihten, ja mehr als das! … Ewiger Gott! in dem Augenblicke war es mir, als hätte ich schon oft in trostloser Verzweiflung den heiligen Banden, die den Geliebten fesselten, geflucht, und auch das beichtete ich. “Du selbst, du selbst, Medardus, bist es, den ich so unaussprechlich liebe.” Das waren die letzten Worte, die ich zu sprechen vermochte, aber nun floß lindernder Trost der Kirche, wie des Himmels Balsam, von den Lippen des Mönchs, der mir plötzlich nicht mehr Medardus schien. Bald darauf nahm mich ein alter, ehrwürdiger Pilger in seine Arme und führte mich langsamen Schrittes durch die Gänge der Kirche zur Hauptpforte hinaus. Er sprach hochheilige, herrliche Worte, aber ich mußte entschlummern wie ein unter sanften, süßen Tönen eingewiegtes Kind. Ich verlor das Bewußtsein. Als ich erwachte, lag ich angekleidet auf dem Sofa meines Zimmers. “Gott und den Heiligen Lob und Dank, die Krisis ist vorüber, sie erholt sich!” rief eine Stimme. Es war der Arzt, der diese Worte zu meinem Vater sprach. Man sagte mir, daß man mich des Morgens in einem erstarrten, todähnlichen Zustande gefunden und einen Nervenschlag befürchtet habe. Du siehst, meine liebe, fromme Mutter, daß meine Beichte bei dem Mönch Medardus nur ein lebhafter Traum in einem überreizten Zustande war, aber die heilige Rosalia, zu der ich oft flehte und deren Bildnis ich ja auch im Traum anrief, hat mir wohl alles so erscheinen lassen, damit ich errettet werden möge aus den Schlingen, die mir der arglistige Böse gelegt. Verschwunden war aus meinem Innern die wahnsinnige Liebe zu dem Trugbilde im Mönchsgewand. Ich erholte mich ganz und trat nun erst heiter und unbefangen in das Leben ein. –Aber, gerechter Gott, noch einmal sollte mich jener verhaßte Mönch auf entsetzliche Weise bis zum Tode treffen. Für eben jenen Medardus, dem ich im Traum gebeichtet, erkannte ich augenblicklich den Mönch, der sich auf unserm Schlosse eingefunden. “Das ist der Teufel, mit dem die Mutter gesprochen, hüte dich, hüte dich! – er stellt dir nach!” so rief der unglückliche Hermogen immer in mich hinein. Ach, es hätte dieser Warnung nicht bedurft. Von dem ersten Moment an, als mich der Mönch mit vor freveliger Begier funkelnden Augen anblickte und dann in geheuchelter Verzückung die heilige Rosalia anrief, war er mir unheimlich und entsetzlich. Du weißt alles Fürchterliche, was sich darauf begab, meine gute liebe Mutter. Ach aber, muß ich es nicht Dir auch gestehen, daß der Mönch mir desto gefährlicher war, als sich tief in meinem Innersten ein Gefühl regte dem gleich, als zuerst der Gedanke der Sünde in mir entstand und als ich ankämpfen mußte gegen die Verlockung des Bösen? Es gab Augenblicke, in denen ich Verblendete den heuchlerischen frommen Reden des Mönchs traute, ja in denen es mir war, als strahle aus seinem Innern der Funke des Himmels, der mich zur reinen überirdischen Liebe entzünden könne. Aber dann wußte er mit verruchter List, selbst in begeisterter Andacht, eine Glut anzufachen, die aus der Hölle kam. Wie den mich bewachenden Schutzengel sandten mir dann die Heiligen, zu denen ich inbrünstig flehte, den Bruder. – Denke Dir, liebe Mutter, mein Entsetzen, als hier, bald nachdem ich zum erstenmal bei Hofe erschienen, ein Mann auf mich zutrat, den ich auf den ersten Blick für den Mönch Medardus zu erkennen glaubte, unerachtet er weltlich gekleidet ging. Ich wurde ohnmächtig, als ich ihn sah. In den Armen der Fürstin erwacht, rief ich laut: “Er ist es, er ist es, der Mörder meines Bruders.” – “Ja, er ist es”, sprach die Fürstin, “der verkappte Mönch Medardus, der dem. Kloster entsprang; die auffallende Ähnlichkeit mit seinem Vater Francesko…” Hilf, heiliger Himmel, indem ich diesen Namen schreibe, rinnen eiskalte Schauer mir durch alle Glieder. Jenes Bild meiner Mutter war Francesko .. das trügerische Mönchsgebilde, das mich quälte, hatte ganz seine Züge! – Medardus, ihn erkannte ich als jenes Gebilde in dem wunderbaren Traum der Beichte. Medardus ist Franceskos Sohn, Franz, den Du, meine gute Mutter, so fromm erziehen ließest und der in Sünde und Frevel geriet. Welche Verbindung hatte meine Mutter mit jenem Francesko, daß sie sein Bild heimlich aufbewahrte und bei seinem Anblick sich dem Andenken einer seligen Zeit zu überlassen schien? – Wie kam es, daß in diesem Bilde Hermogen den Teufel sah und daß es den Grund legte zu meiner sonderbaren Verirrung? Ich versinke in Ahnungen und Zweifel. – Heiliger Gott, bin ich denn entronnen der bösen Macht, die mich umstrickt hielt? – Nein, ich kann nicht weiterschreiben, mir ist, als würd’ ich von dunkler Nacht befangen und kein Hoffnungsstern leuchte, mir freundlich den Weg zeigend, den ich wandeln soll!

      (Einige Tage später.)

      Nein! Keine finstere Zweifel sollen mir die hellen Sonnentage verdüstern, die mir aufgegangen sind. Der ehrwürdige Pater Cyrillus hat Dir, meine teure Mutter, wie ich weiß, schon ausführlich berichtet, welch eine schlimme Wendung der Prozeß Leonards nahm, den meine Übereilung den bösen Kriminalgerichten in die Hände gab. Daß der wirkliche Medardus eingefangen wurde, daß sein vielleicht verstellter Wahnsinn bald ganz nachließ, daß er seine Freveltaten eingestand, daß er seine gerechte Strafe erwartet und .. doch nicht weiter, denn nur zu sehr würde das schmachvolle Schicksal des Verbrechers, der als Knabe Dir so teuer war, Dein Herz verwunden. – Der merkwürdige Prozeß war das einzige Gespräch bei Hofe. Man hielt Leonard für einen verschmitzten, hartnäckigen Verbrecher, weil er alles leugnete. – Gott im Himmel! – Dolchstiche waren mir manche Reden, denn auf wunderbare Weise sprach eine Stimme in mir: “Er ist unschuldig, und das wird klar werden wie der Tag.” – Ich empfand das tiefste Mitleid mit ihm, gestehen mußte ich es mir selbst, daß mir sein Bild, rief ich es mir wieder zurück, Regungen erweckte, die ich nicht mißdeuten konnte. Ja! – ich liebte ihn schon unaussprechlich, als er der Welt noch ein freveliger Verbrecher schien. Ein Wunder mußte ihn und mich retten, denn ich starb, sowie Leonard durch die Hand des Henkers fiel. Er ist schuldlos, er liebt mich, und bald ist er ganz mein. So geht eine dunkle Ahnung aus frühen Kindesjahren, die mir eine feindliche Macht arglistig zu vertrüben suchte, herrlich, herrlich auf in regen wonnigem Leben. O gib mir, gib dem Geliebten Deinen Segen, Du fromme Mutter! –Ach könnte Dein glückliches Kind nur ihre volle Himmelslust recht ausweinen an Deinem Herzen! – Leonard gleicht ganz jenem Francesko, nur scheint er größer, auch unterscheidet ihn ein gewisser charakteristischer Zug, der seiner Nation eigen (Du weißt, daß er ein Pole ist), von Francesko und dem Mönch Medardus sehr merklich. Albern war es wohl überhaupt, den geistreichen, gewandten, herrlichen Leonard auch nur einen Augenblick für einen entlaufenen Mönch anzusehen. Aber so stark ist noch der fürchterliche Eindruck jener gräßlichen Szenen auf unserm Schlosse, daß oft, tritt Leonard unvermutet zu mir herein und blickt mich an mit seinem strahlenden Auge, das ach nur zu sehr jenem Medardus gleicht, mich unwillkürliches Grausen befällt und ich Gefahr laufe, durch mein kindisches Wesen den Geliebten zu verletzen. Mir ist, als würde erst des Priesters Segen die finstere Gestalten bannen, die noch jetzt recht feindlich manchen Wolkenschatten in mein Leben werfen. Schließe mich und den Geliebten in Dein frommes Gebet, meine teure Mutter! – Der Fürst wünscht, daß die Vermählung bald vor sich gehe; den Tag schreibe ich Dir, damit Du Deines Kindes gedenken


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