Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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zermalmst im Zorne mir die Rippen!< – rief der Wirt keuchend. >Nicht eher, feiger Schwächling<, fuhr der Doktor fort, >bis süßer Dampf des Punsches, Sinn umnebelnd, Nase kitzelt, nicht eher laß ich dich, du ganz unwerter Wird< – Aber nun schoß Ewson grimmig auf den Doktor los und schalt: >Unwürd’ger Green! grün soll’s dir werden vor den Augen, ja greinen sollst du gramerfüllt, wenn du nicht abläßt von schmachvoller Tat!< – Nun, dacht’ ich, würde Zank und Tumult losbrechen, aber der Doktor sagte: >So will ich, feiger Ohnmacht spottend, ruhig sein und harrn des Göttertranks, den du bereitet, würd’ger Ewson.< – Er ließ den Wirt los, der eiligst davonsprang, setzte sich mit einer Catos Miene an den Tisch, ergriff die gestopfte Pfeife und blies große Dampfwolken von sich. – >Ist das nicht, als wäre man im Theater?< sagte der freundliche Amtmann zu mir, >aber der Doktor, der sonst kein teutsches Buch in die Hand nimmt, fand zufällig Schlegels Shakespeare bei mir, und seit der Zeit spielt er, nach seinem Ausdruck, uralte bekannte Melodien auf einem fremden Instrumente. Sie werden bemerkt haben, daß sogar der Wirt rhythmisch spricht, der Doktor hat ihn sozusagen eingejambt.< – Der Wirt brachte den dampfenden Punschnapf, und unerachtet Ewson und Green schwuren, er sei kaum trinkbar, so stürzten sie doch ein großes Glas nach dem ändern hinab. Wir führten ein leidlich Gespräch. Green blieb wortkarg, nur dann und wann gab er auf komische Weise, die Opposition behauptend, etwas von sich. So sprach z. B. der Amtmann von dem Theater in der Stadt, und ich versicherte, der erste Held spiele vortrefflich. – >Das kann ich nicht finden<, fiel sogleich der Doktor ein, >glauben Sie nicht, daß, hätte der Mann sechsmal besser gespielt, er des Beifalls viel würd’ger sein würde?< Ich mußte das notgedrungen zugeben und meinte nur, daß dies sechsmal besser Spielen dem Schauspieler not tue, der die zärtlichen Väter ganz erbärmlich tragiere. – >Das kann ich nicht finden<, sagte Green wieder, >der Mann gibt alles, was er in sich trägt! Kann er dafür, daß seine Tendenz sich zum Schlechten hinneigt? Er hat es aber im Schlechten zu rühmlicher Vollkommenheit gebracht, man muß ihn deshalb loben!< – Der Amtmann saß mit seinem Talent, die beiden anzuregen zu allerlei tollen Einfällen und Meinungen, in ihrer Mitte wie das exzitierende Prinzip, und so ging es fort, bis der starke Punsch zu wirken anfing. Da wurde Ewson ausgelassen lustig, er sang mit krächzender Stimme Nationallieder, er warf Perücke und Rock durchs Fenster in den Hof und fing an, mit den sonderbarsten Grimassen auf so drollige Weise zu tanzen, daß man sich vor Lachen hätte ausschütten mögen. Der Doktor blieb ernsthaft, hatte aber die seltsamsten Visionen. Er sah den Punschnapf für eine Baßgeige an und wollte durchaus darauf herumstreichen, mit dem Löffel Ewsons Lieder akkompagnierend, wovon ihn nur des Wirts dringendste Protestationen abhalten konnten. – Der Amtmann war immer stiller und stiller geworden, am Ende stolperte er in eine Ecke des Zimmers, wo er sich hinsetzte und heftig zu weinen anfing. Ich verstand den Wink des Wirts und frug den Amtmann um die Ursache seines tiefen Schmerzes. – >Ach, ach!< brach er schluchzend los, >der Prinz Eugen war doch ein großer Feldherr, und dieser heldenmütige Fürst mußte sterben. Ach! ach!< – und damit weinte er heftiger, daß ihm die hellen Tränen über die Backen liefen. Ich versuchte ihn über den Verlust dieses wackern Prinzen des längst vergangenen Jahrhunderts möglichst zu trösten, aber es war vergebens. Der Doktor Green hatte indessen eine große Lichtschere ergriffen und fuhr damit unaufhörlich gegen das offene Fenster. – Er hatte nichts Geringeres im Sinn, als den Mond zu putzen, der hell hineinschien. Ewson sprang und schrie, als wäre er besessen von tausend Teufeln, bis endlich der Hausknecht, des hellen Mondscheins unerachtet, mit einer großen Laterne in das Zimmer trat und laut rief: >Da bin ich, meine Herren, nun kann’s fortgehen.< Der Doktor stellte sich dicht vor ihm hin und sprach, ihm die Dampfwolken ins Gesicht blasend: >Willkommen, Freund! Bist du der Squenz, der Mondschein trägt und Hund und Dornbusch? Ich habe dich geputzt, Halunke, darum scheinst du hell! Gut Nacht denn, viel des schnöden Safts hab ich getrunken, gut Nacht, mein werter Wirt, gut Nacht mein Pylades!< – Ewson schwur, daß kein Mensch zu Hause gehen solle, ohne den Hals zu brechen, aber niemand achtete darauf, vielmehr nahm der Hausknecht den Doktor unter den einen, den Amtmann, der noch immer über den Verlust des Prinzen Eugen lamentierte, unter den ändern Arm, und so wackelten sie über die Straße fort nach dem Amtshause. Mit Mühe brachten wir den närrischen Ewson in sein Zimmer, wo er noch die halbe Nacht auf der Flöte tobte, so daß ich kein Auge zutun und mich erst im Wagen schlafend von dem tollen Abend im Gasthause erholen konnte.”

      Die Erzählung des Leibarztes wurde oft durch lauteres Gelächter, als man es wohl sonst im Zirkel eines Hofes hören mag, unterbrochen. Der Fürst schien sich sehr ergötzt zu haben. “Nur eine Figur”, sagte er zum Leibarzt, “haben Sie in dem Gemälde zu sehr in den Hintergrund gestellt, und das ist Ihre eigne, denn ich wette, daß Ihr zuzeiten etwas boshafter Humor den närrischen Ewson sowie den pathetischen Doktor zu tausend tollen Ausschweifungen verleitet hat und daß Sie eigentlich das exzitierende Prinzip waren, für das Sie den lamentablen Amtmann ausgeben.” – “Ich versichere, gnädigster Herr!” erwiderte der Leibarzt, “daß dieser aus seltner Narrheit komponierte Klub so in sich abgerundet war, daß alles Fremde nur dissoniert hätte. Um in dem musikalischen Gleichnis zu bleiben, waren die drei Menschen der reine Dreiklang, jeder verschieden, im Ton aber harmonisch mitklingend, der Wirt sprang hinzu wie eine Septime.” – Auf diese Weise wurde noch manches hin-und hergesprochen, bis sich, wie gewöhnlich, die fürstliche Familie in ihre Zimmer zurückzog und die Gesellschaft in der gemütlichsten Laune auseinanderging. – Ich bewegte mich heiter und lebenslustig in einer neuen Welt. Je mehr ich in den ruhigen, gemütlichen Gang des Lebens in der Residenz und am Hofe eingriff, je mehr man mir einen Platz einräumte, den ich mit Ehre und Beifall behaupten konnte, desto weniger dachte ich an die Vergangenheit sowie daran, daß mein hiesiges Verhältnis sich jemals ändern könne. Der Fürst schien ein besonderes Wohlgefallen an mir zu finden, und aus verschiedenen flüchtigen Andeutungen konnte ich schließen, daß er mich auf diese oder jene Weise in seiner Umgebung festzustellen wünschte. Nicht zu leugnen war es, daß eine gewisse Gleichförmigkeit der Ausbildung, ja eine gewisse angenommene gleiche Manier in allem wissenschaftlichen und künstlerischen Treiben, die sich vom Hofe aus über die ganze Residenz verbreitete, manchem geistreichen und an unbedingte Freiheit gewöhnten Mann den Aufenthalt daselbst bald verleidet hätte; indessen kam mir, sooft auch die Beschränkung, welche die Einseitigkeit des Hofes hervorbrachte, lästig wurde, das frühere Gewöhnen an eine bestimmte Form, die wenigstens das Äußere regelt, dabei sehr zustatten. Mein Klosterleben war es, das hier, freilich unmerklicherweise, noch auf mich wirkte. – Sosehr mich der Fürst auszeichnete, sosehr ich mich bemühte, die Aufmerksamkeit der Fürstin auf mich zu ziehen, so blieb diese doch kalt und verschlossen. Ja! meine Gegenwart schien sie oft auf besondere Weise zu beunruhigen, und nur mit Mühe erhielt sie es über sich, mir wie den ändern ein paar freundliche Worte zuzuwerfen. Bei den Damen, die sie umgaben, war ich glücklicher; mein Äußeres schien einen günstigen Eindruck gemacht zu haben, und indem ich mich oft in ihren Kreisen bewegte, gelang es mir bald, diejenige wunderliche Weltbildung zu erhalten, welche man Galanterie nennt und die in nichts anderm besteht, als die äußere körperliche Geschmeidigkeit, vermöge der man immer da, wo man steht oder geht, hinzupassen scheint, auch in die Unterhaltung zu übertragen. Es ist die sonderbare Gabe, über nichts mit bedeutenden Worten zu schwatzen und so den Weibern ein gewisses Wohlbehagen zu erregen, von dem, wie es entstanden, sie sich selbst nicht Rechenschaft geben können. Daß diese höhere und eigentliche Galanterie sich nicht mit plumpen Schmeicheleien abgeben kann, fließt aus dem Gesagten, wiewohl in jenem interessanten Geschwätz, das wie ein Hymnus der Angebeteten erklingt, eben das gänzliche Eingehen in ihr Innerstes liegt, so daß ihr eignes Selbst ihnen klar zu werden scheint und sie sich in dem Reflex ihres eignen Ichs mit Wohlgefallen spiegeln. – - Wer hätte nun noch den Mönch in mir erkennen sollen! – Der einzige mir gefährliche Ort war vielleicht nur noch die Kirche, in welcher es mir schwer wurde, jene klösterliche Andachtsübungen, die ein besonderer Rhythmus, ein besonderer Takt auszeichnet, zu vermeiden. Der Leibarzt war der einzige, der das Gepräge, womit alles wie gleiche Münze ausgestempelt war, nicht angenommen hatte, und dies zog mich zu ihm hin, so wie er sich deshalb an mich anschloß, weil ich, wie er recht gut wußte, anfangs die Opposition gebildet und meine freimütigen Äußerungen, die dem für kecke Wahrheit empfänglichen Fürsten eindrangen, das verhaßte Pharospiel mit einemmal verbannt hatten. So kam es denn, daß wir oft zusammen waren und bald über Wissenschaft und Kunst, bald über das Leben, wie es sich vor uns ausbreitete,


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