Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz

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Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz


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Schuß genügte?«

       »Bah, das Tier kam ja ganz nahe, und so hat der Schuß eine furchtbare Wirkung gethan. Schaut nur her, nicht nur die Spitze, sondern der halbe Pfeil ist in die Schaufel eingedrungen.«

       »Die Jäger müssen ganz in der Nähe sein; sicherlich nehmen sie das Tier für sich in Anspruch.«

       »Ich gebe es ihnen nicht!« entgegnete Zbyszko. »Es ist auf der Heerstraße erlegt, und die Straße ist keines Herrn.«

       »Wenn jedoch der Abt jagen sollte?«

       »Selbst wenn es der Abt ist, darf er mir meine Beute nicht nehmen.«

       Mittlerweile stürzte eine Meute Hunde aus dem Walde, die sich zuerst auf das Tier warfen, sich aber dann sofort unter einander zu bekriegen begannen.

       »Jetzt werden auch die Jäger kommen!« rief Zych. »Oh, schaut nur! Einer von ihnen sprengt den anderen weit voran, doch sie sehen das Tier nicht. Hopp, hopp, hierher, hierher! Hier liegt es, hier!«

       Mit einem Male verstummte er jedoch, bedeckte die Augen mit der Hand und bemerkte nach kurzem Schweigen: »Gerechter Gott, was ist das? Bin ich geblendet, weil mich dünkt ...«

       »Der auf dem Rappen« – warf Zbyszko rasch ein.

       Doch Zych rief plötzlich: »Beim Herrn Jesus! Jawohl, das ist Jagienka!«

       Und sofort begann er zu rufen: »Jagna! Jagna!«

       Dann sprang er vorwärts, doch Zbyszko, der wie rasend dahinflog, überholte ihn, und seinen Augen bot sich der merkwürdigste Anblick in der Welt: auf dem flinken Renner sprengte ein Mädchen auf ihn zu, das wie ein Mann zu Pferde saß, die Armbrust in der Hand hielt, den Jagdspeer über den Schultern trug. Die von dem wilden Ritte aufgelösten Haare umfluteten einen schlanken Hals und ein Gesicht, das an Farbe mit der Morgenröte wetteiferte. Als die Reiterin den jungen Ritter erreicht hatte, hielt sie das Roß an, und während eines Augenblickes spiegelte sich aus ihrem Antlitz wechselsweise Zweifel, Staunen, Freude – schließlich jedoch schien sie Augen und Ohren Glauben zu schenken, denn sie rief mit einer zarten, fast noch kindlichen Stimme: »Vater, geliebtes Väterchen!«

       Blitzschnell glitt sie vom Pferde, und als auch Zych zur Begrüßung abstieg, warf sie sich an seinen Hals. Geraume Zeit hindurch hörte Zbyszko nur Küsse und die beiden Worte: »Väterchen! Jagula! Väterchen! Jagula!« in freudigem Entzücken wiederholen.

       Von beiden Seiten näherte sich das Gefolge. Macko fuhr in seinem Wagen herbei, und noch immer ertönten die Rufe: »Väterchen! Jagula!« und noch immer lagen sich Vater und Tochter in den Armen. Erst nach geraumer Zeit machte sich Jagienka frei und fragte: »So seid Ihr aus dem Kriege zurückgekehrt? Seid Ihr auch gesund geblieben?«

       »Aus dem Kriege komme ich zurück. Meine Gesundheit blieb ungeschädigt. Doch wie steht's mit Dir, wie steht's mit den jüngeren Bürschlein? Ich denke, daß sie wohl sind, wie? Denn sonst würdest Du doch nicht im Walde umher schweifen. Was thust Du übrigens hier, liebstes Mägdlein?«

       »Das seht Ihr doch. Ich jage,« antwortete lächelnd Jagienka.

       »In fremden Wäldern?«

       »Der Abt gab mir die Erlaubnis. Er schickte mir sogar zu dem Behufe Knechte und Hunde.«

       Hier wendete sie sich an ihre Leute. »Scheucht die Hunde hinweg,« befahl sie, »denn sie verderben das Fell. O, wie froh, wie froh bin ich, daß ich Euch wiedersehe,« beteuerte sie hierauf dem Vater von neuem. »Bei uns ist alles wohlauf.«

       »Und bin ich vielleicht nicht froh?« antwortete Zych. »Reich mir Dein Mäulchen.«

       Und abermals küßten sie sich, als ob dies kein Ende nehmen wolle.

       »Wir legten einen beschwerlichen Weg zurück, um diese Bestie zu erjagen. Abgesehen davon, daß zwei der Jägersleute stürzten, waren auch die Pferde ganz erschöpft. Das ist aber auch ein mächtiger Auerochse, seht nur! Drei Pfeile habe ich auf ihn abgeschossen, dem dritten erlag er.«

       »Der letzte Pfeilschuß tötete ihn. Der Pfeil kam aber nicht von Dir. Dieser Ritter hier schoß ihn ab.«

       Jagienka strich die Haare zurück, die ihr über die Augen fielen, und schaute scheu und nicht allzu wohlwollend auf Zbyszko.

       »Weißt Du, wer das ist?« fragte Zych.

       »Nein, das weiß ich nicht.«

       »Ich glaube es, daß Du ihn nicht kennst. Wie ist er auch gewachsen. Aber vielleicht erinnerst Du Dich des alten Macko aus Bogdaniec?«

       »Bei Gott, das ist Macko aus Bogdaniec!« rief Jagienka.

       Unverweilt eilte sie auf den Wagen zu und küßte Macko die Hände. »So seid Ihr es wirklich?«

       »Ich bin es, und im Wagen muß ich fahren, weil ich von den Deutschen verwundet worden bin!«

       »Wieso von den Deutschen? Das geschah doch gewiß in dem Kriege mit den Tataren. Ich weiß davon, denn mehr als einmal habe ich den Vater gebeten, mich mit sich zu nehmen.«

       »Wohl zog er gegen die Tataren aus, aber wir waren nicht dabei, wir gingen mit den Litauern in den Krieg, sowohl ich wie Zbyszko.«

       »Wo ist aber jetzt Zbyszko?«

       »Siehst Du denn nicht, daß dies Zbyszko ist?« bemerkte Macko lächelnd.

       »Das ist Zbyszko?« rief das Mädchen, den jungen Ritter aufs neue anschauend.

       »Freilich!«

       »Gieb ihm zur Begrüßung einen Kuß!« meinte Zych fröhlich.

       Jagienka wandte sich lebhaft zu Zbyszko, plötzlich aber fuhr sie zurück und erklärte, die Augen mit den Händen bedeckend: »Nein, das will ich nicht!«

       »Wir kennen uns doch von klein auf!« ließ sich Zbyszko vernehmen.

       »Ach ja, wir kennen uns gut. Ich erinnere mich wohl, ich erinnere mich! Vor acht Jahren ungefähr, da kamt Ihr mit Macko zu uns, und das verstorbene Mütterlein setzte uns Nüsse mit Honig vor. Kaum waren aber die Alten aus der Stube, da hieltet Ihr mir die Faust unter die Nase, die Nüsse aber verspeistet Ihr allein.«

       »Das würde er jetzt nicht mehr thun!« rief Macko. »Bei dem Fürsten Witold ist er gewesen, im Schlosse in Krakau war er, die höfischen Sitten kennt er jetzt.«

       Aber Jagienka schien etwas anderes durch den Kopf zu gehen, denn, sich zu Zbyszko wendend, fragte sie: »Ihr habt also den Auerochsen getötet?«

       »Ja.«

       »Ich möchte doch sehen, wo die Spitze steckt.«

       »Ihr könnt das nicht sehen, denn der Pfeil steckt fast vollständig unter der Schaufel.«

       »Beruhige Dich, er spricht die Wahrheit!« ergriff Zych das Wort. »Wir alle sahen es, daß er das Tier tötete, ich aber habe noch etwas ganz anderes wahrgenommen. Ich war Zeuge, wie er in einem Nu die Armbrust ohne Kurbel spannte.«

       Zum drittenmale blickte Jagienka auf Zbyszko, diesmal jedoch voll Bewunderung.

       »Ihr spanntet die Armbrust ohne Kurbel?« fragte sie.

       Zbyszko bemerkte sofort an dem Ton ihrer Stimme, daß sie ihm mißtraute. Er stemmte daher sofort die Armbrust abermals zur Erde, spannte sie in einem Nu so stark, daß der Bogen krachte, und ließ sich dann, wohl zum Beweise, wie gut er höfische Sitte kenne, auf ein Knie nieder, um der Maid die Armbrust zu überreichen.

      


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