SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York. Ronald Malfi

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SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York - Ronald  Malfi


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ich helfen?«

      Wieder holte Kersh seine Dienstmarke heraus. »Special Agent Kersh, Secret Service. Das hier ist Agent Mavio. Wir brauchen Informationen über ein Auto, das vor drei Tagen auf der 41. Straße in der Nähe des Times Square abgeschleppt wurde. Vor einem Klub namens Black Box

      »Vor drei Tagen?«, fragte Kroger und drehte sich zu einem Computerterminal auf seinem Schreibtisch um. Von seinen Fingern tropfte Olivensaft auf die Tastatur.

      »Das ist korrekt.«

      »Sonst irgendwelche Informationen?«, fragte Kroger. »Marke, Modell? Fahrzeug-Identifizierungsnummer? Kennzeichen vielleicht?«

      »Keine Nummern. Ein älteres, großes Auto«, sagte John. Er machte seine Jacke auf, das Büro war unbequem warm. »Dunkelrot.«

      »Tatsächlich, ja, hier ist es«, sagte Kroger. »Das ist das Auto.« Er leckte sich die Lippen mit seiner kleinen rosafarbenen Zunge. »Ja, der hier kam vor drei Tagen rein. Ganz sicher.«

      Er hackte schneller auf die Tastatur ein. »Ein 1979er Lincoln Towncar, metallic-karminrot, cremeweißes Interieur, Kennzeichen EGA-419, New Yorker Nummernschild. Registriert auf den Namen … den Namen … Evelyn Gethers.« Kroger stieß einen Pfiff aus. »Lebt auf der Upper East Side. Ich drucke die Adresse aus.«

      »Evelyn Gethers«, wiederholte Kersh leise. John sah ihn an und versuchte, den Ausdruck auf dem Gesicht des Älteren zu entziffern. Aber Kersh hatte keinen.

      »Sagt dir der Name etwas?«, fragte John.

      Kersh runzelte die Stirn, zog ein Paar buschige Augenbrauen hoch und zuckte mit seinen massigen Schultern. Sein weißes Hemd quoll aus der Hose. Knapp oberhalb seines Gürtels konnte John durch den Stoff des Hemdes das buntgemusterte Band von Kershs Boxershorts erkennen. Bei diesem Anblick, kontrastiert von Kershs sehr nachdenklichem Gesichtsausdruck, musste John in sich hinein grinsen.

      »Und schon geht's los«, sagte Kroger. Ein Drucker im Regal hinter seinem Schreibtisch spuckte Papier aus. Kroger nahm die Informationen in Augenschein, riss dann das Papier aus dem Drucker und reichte es Kersh. Kroger, halb über den Schreibtisch gelehnt, beobachtete interessiert Kershs Gesicht.

      Kersh starrte auf den Ausdruck und kaute an seiner Unterlippe. »Nun gut«, sagte er mehr zu sich selbst als zu den anderen im Raum. »Ein Loft im zweihunderter Block der 72. Straße East.«

      John runzelte die Stirn. »72. Straße East? Beeindruckend. Schöne Gegend.«

      »Ihrem Geburtsdatum nach ist die Dame vierundsechzig.« Kersh sah Kroger an. »Sind Sie sicher, dass es das richtige Auto ist?«

      »Aber selbstverständlich«, sagte Kroger nachdrücklich.

      »Sehr merkwürdig«, wunderte sich John.

      »Hey, äh …« Kroger räusperte sich und blickte beide Besucher unter seinen drahtigen, pfefferfarbenen Augenbrauen heraus an. »Hat das irgendwas mit diesem Kopf zu tun?«

      »Kopf?«, fragte John. Kersh sah nicht einmal zu Kroger auf. Er war noch immer mit dem Ausdruck beschäftigt.

      »Der Kopf, den sie vor ein paar Tagen aus dem Fluss gezogen haben. Gleich hier neben dem Dock.«

      John blinzelte. »Das ist eine gute Frage«, sagte er und musterte den Mann. »Wir werden im Büro einige Tests durchführen. Besten Dank.«

      Kroger interpretierte Johns Sarkasmus als echte Anerkennung. »Ja, das ist gut. Immer wenn jemand einen Kopf im Fluss findet, brauchen alle länger für ihre Arbeit, es ist wirklich unglaublich. Über diese eine Sache quatschen dann alle in der Mittagspause, aber wir haben hier eine Menge zu tun – Sie wissen, was ich meine? Mittagspausen sind so eine Sache. Immer diese Geschichten. Ich meine, es ist doch nur ein Kopf

      Kersh blickte auf, faltete den Ausdruck zusammen und stopfte ihn in die Gesäßtasche seiner Stoffhose. Auf seiner Oberlippe hatte sich ein Schweißfilm gebildet. »Waren Sie hier, als das Ding aufgesammelt wurde?«

      »Aufgesammelt? Der Kopf?«

      »Das Auto«, sagte Kersh.

      »Nein.«

      »Wer war hier?«

      »Nein, nein«, sagte Kroger und schüttelte den Kopf, »das Auto ist noch hier. Draußen auf dem Hof. Wollen Sie es sehen?«

      Kersh starrte nur ausdruckslos. »Ja«, sagte er.

      John ergänzte: »Wir brauchen was zum Autoknacken.«

      »Ich hole Werkzeug«, sagte Kroger und fühlte sich wie ein Mitverschwörer. »Ich zeige Ihnen, wo das gute Stück steht.«

      ***

      Der Lincoln Towncar von Evelyn Gethers war ein auffälliger Wagen, der in dieser Phase seiner Existenz zwischen einem verbeulten Volkswagen und einem Mercedes mit platten Reifen stand. Die Frontpartie des Lincoln war teilweise verbeult und die Windschutzscheibe durchzog ein feines Netz von Rissen. Die Farbe des Autos erinnerte tatsächlich an die Farbe von Blut, wie Heidi Carlson gesagt hatte. Die Fenster waren mit dem grauen Schmutz der Stadt überzogen und an zahlreichen Stellen mit sternförmig aussehenden Flecken aus Möwenkot verziert. Durch die Fenster konnte John das einst weiße und jetzt eher gelblich-graue Innere erkennen, in dem rissiges und abgewetztes Leder dominierte. Ein grünes Plastikkleeblatt und ein Paar Augäpfel aus weichem Kunststoff mit beweglichen Pupillen hingen vom Rückspiegel herunter.

      John bemerkte, dass das Schloss auf der Fahrertür geöffnet war. Hinter ihm durchsuchten Kersh und Kroger die Werkzeugkiste. John griff nach der Tür und zog sie auf. In der schmutzigen Scheibe des Seitenfensters sah er, wie Kersh den Kopf hob.

      »Offen«, sagte John und steckte den Kopf in das Auto. Die Innenbeleuchtung ließ sich nicht anschalten. »Verdammt, das riecht hier wie in einem Abwasserkanal.« Es gelang ihm nicht, sich vorzustellen, wie man jemanden dazu bringen konnte, in einem übelriechenden Auto wie diesem Sex zu haben.

      »Was gefunden?«, rief ihm Kersh zu.

      »Eine leere Packung Marlboros, ein paar Münzen im Aschenbecher … und etwas auf dem Beifahrersitz, das wie ein Haufen Hundekot aussieht. Ist wahrscheinlich nur eine Tootsie Roll.« Er hielt den Atem an, lehnte sich weiter in das Fahrzeug hinein und schob den Beifahrersitz nach vorn. Auch der Rücksitz war so gut wie leer. »Hier ist nichts«, sagte er. »Nur eine zusammengeknüllte Socke und eine nasse Packung Taschentücher.«

      »Komm schon, wir machen den Kofferraum auf«, sagte Kersh, holte einen längeren Schraubenzieher aus Krogers Werkzeugsammlung und ging zum Heck des Fahrzeugs. Er steckte den Schraubenzieher in das Kofferraumschloss, drückte ihn mit seinem Gewicht nach unten und hebelte das Schloss heraus. »Ein schönes Geräusch«, sagte Kersh und ließ den Schraubenzieher auf den Boden fallen.

      John und Kroger versammelten sich zu beiden Seiten um Kersh – drei Wahrsager, die unbedingt die Zukunft in derselben Kristallkugel sehen wollten. Kroger, dem die Kälte zu schaffen machte, zitterte. Kersh streckte vorsichtig zwei Finger aus und schob sie unter die Kofferraumklappe. Er hob sie langsam an, die Scharniere quietschten, bis die Klappe mit einem Knall aufsprang. Die drei Männer starrten hinein.

      Der Erste, der die Sprache wiederfand, war Kroger. »Heißer Scheiß«, sagte er, »ist das nicht ein Anblick?«

      Im Kofferraum befanden sich: eine Skimaske, eine kugelsichere Kevlar-Weste und eine kleine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer. Bei der Waffe handelte es sich um eine halbautomatische Pistole Kaliber .22, die gern von Auftragskillern verwendet wurde. Diskret, kompakt und ohne die Mannstoppwirkung von Waffen größeren Kalibers war die .22er allein auf ihre tödliche Wirkung hin entwickelt worden. Sie war in der Lage, innerhalb des getroffenen Körpers vom Knochen abzuprallen und so maximale Schäden anzurichten.

      Erst nach einigen Augenblicken drehten sich John und Kersh zueinander um und sahen sich ungläubig an.

      »Sieht so aus, als ob wir ein paar Plastikbeutel für die Beweise brauchen«, sagte Kersh schließlich.

      Конец


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