Royal Horses (2). Kronentraum. Jana Hoch

Читать онлайн книгу.

Royal Horses (2). Kronentraum - Jana Hoch


Скачать книгу
aufgelöst sah Livy mich an. »Die Presseteams sind überall! Eben sind sogar welche über den Zaun vom Schulgarten geklettert. Vollkommen irre! Oh, Mann, wenn ich das geahnt hätte, wäre ich ganz bestimmt niemals mit dir zu dem Pferderennen gegangen. Ehrlich! Ich dachte, Edward wäre noch auf Staatsbesuch in Frankreich und …«

      »Schon okay.« Ich umarmte sie. »Du kannst überhaupt nichts dafür. Ich hätte einfach gehen sollen, als ich Edward gesehen habe. Oder er hätte nicht zu mir … Ach, keine Ahnung.« Ich fuhr mir durch die Haare und seufzte. Vermutlich machte es jetzt keinen Sinn mehr, sich darüber Gedanken zu machen, was hätte sein können, wenn einer von uns anders reagiert hätte. Ich hatte vorgehabt, Edward nie wiederzusehen, über ihn hinwegzukommen und einfach weiterzuleben. Aber dieser Plan war grundlegend gescheitert.

      »Komm, lass uns verschwinden«, riss Livy mich aus meinen Gedanken und plötzlich klang ihre Stimme nicht mehr nervös, sondern kühl und beherrscht. Sie griff in ihre Tasche und holte ein Bündel Kleidung und eine schwarze Perücke hervor. »Hier, zieh das an.«

      »Was soll das sein?«, fragte ich.

      »Na, was wohl? Tarnung! Habe ich aus dem Theaterfundus mitgehen lassen.«

      »Ja, aber …«, setzte ich an, doch Livy machte sich schon daran, mir die Mütze vom Kopf zu ziehen und meine Haare zusammenzubinden.

      »Nichts aber. Ohne kann ich dich nicht rausschmuggeln. Und jetzt hör auf zu diskutieren. Sei froh, dass ich dich nicht in einen Wäschesack stecke und nach draußen rolle.« In einer einzigen schnellen Bewegung fischte Livy mir die Perücke aus der Hand und zog sie mir über. Dann lief sie einmal um mich herum, zupfte daran und nickte schließlich zufrieden.

      Ich berührte die falschen Haare mit den Fingerspitzen und tastete an dem gerade geschnittenen Pony entlang.

      »Was soll das sein?«, fragte ich, immer noch skeptisch, und drehte mich, in der Hoffnung, etwas zu entdecken, worin ich mich spiegeln konnte. Aber da war nichts.

      »Cleopatra«, antwortete Livy. »Aus dem diesjährigen Winterstück. Glaub mir, damit wird dich keiner erkennen, weil du nämlich aussiehst wie Rihanna.«

       Oder aber total bescheuert.

      »Und von welcher Aufführung ist das?« Ich faltete das schwarze Stoffbündel auseinander und hielt es vor mich. »Tanz der Vampire?«

      Der lange Mantel mit den silberfarbenen Schnallen und der Spitzenbordüre an den Ärmeln sah aus, als wäre er gestern noch von Graf Krolock persönlich getragen worden.

      Livy verdrehte die Augen, half mir aus dem Blazer meiner Schuluniform. »Schön, ich gebe es zu. Es ist vielleicht nicht ganz dein Style. Aber ich hatte nur wenig Zeit. Außerdem ist das mein erster Fluchtplan.«

      Ehe ich michs versah, stopfte sie meine Sachen in ihre Tasche, zog mir den Mantel über und hielt mir eine Sonnenbrille entgegen.

      »Und du glaubst wirklich, dass das funktioniert?«

      Livy nickte. »Hundertprozentig. In Filmen wird das doch immer so gemacht. Und denk mal an die ganzen Promis. Die verkleiden sich auch, wenn sie unter Leute gehen. Beyoncé, Lady Gaga, Shawn Mendes …« Beim letzten Namen seufzte sie verträumt. »Einfach alle.«

      Ich nickte, auch wenn ich nach wie vor wenig überzeugt war, und ließ mich von Livy in Richtung der Musikräume ziehen. Auf dem Weg dorthin wurden mir zahlreiche schiefe Blicke zugeworfen und als wir an einer der Glastüren vorbeikamen und ich mich darin betrachtete, wurde mir schlagartig bewusst, warum. In der Spiegelung blickte mir eine verstört aussehende Version meiner selbst entgegen, mit akkurat geschnittenen schwarzen Haaren, glitzernder Sonnenbrille und Dracula-Mantel. Nicht zu vergessen, meine Chucks, die darunter hervorlugten und den Look noch skurriler wirken ließen. Rihanna? Weit gefehlt!

      Wäre ich nicht so verzweifelt, hätte ich wohl über mich selbst gelacht und ein Erinnerungsfoto geschossen. Aber so senkte ich bloß den Kopf, lief mit schnellen Schritten hinter Livy her und fragte mich, ob dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden konnte.

      »Okay, keine Paparazzi in Sicht«, raunte Livy von draußen. »Du kannst kommen.«

      Ich atmete tief durch und kletterte auf die Lehne des abgewetzten Sofas, das direkt vor der Fensterreihe stand. Tatsächlich war Livys Idee, über den Musikkeller nach draußen zu kommen und von dort aus zur Bahn zu laufen, gar nicht so abwegig. An dieser Seite der Schule wuchsen zahlreiche Büsche und wir mussten lediglich über einen Gitterzaun klettern, um das Gelände zu verlassen.

      Eigentlich meine leichteste Übung. Dennoch schlug mir das Herz bis zum Hals, als ich mich mit den Händen im Fensterrahmen abstützte und mich mit dem Kopf voran hindurchschob. Wenn mich jetzt jemand erwischte, waren die Meldungen vorprogrammiert. Gothic-Cleo auf der FluchtTristans Freundin bleibt im Fenster stecken.

      Das durfte auf keinen Fall passieren!

      Auf dem Bauch liegend, robbte ich weiter und Livy griff nach meinen Schultern, um mich nach draußen zu ziehen. Der Mantel verhakte sich und es kostete uns einige Mühen, bis ich endlich auf dem Rasen lag.

      »Los, aufstehen!« Livy zerrte an meinem Arm und ich erhob mich schwerfällig und warf einen Blick zu allen Seiten. Niemand zu sehen. Gemeinsam rannten wir die wenigen Meter bis zum Zaun. Ich half Livy herüberzuklettern und nahm dann selbst Anlauf. Mit den Händen stützte ich mich auf dem schmalen Metall ab, drückte mich nach oben und schwang meine Beine nacheinander auf die andere Seite. Geschafft! Livy lächelte stolz und richtete meine Perücke, aus der vereinzelte rote Strähnen hervorblitzten. »Hab doch gesagt, das funktioniert. Alle Promis machen das so.«

      Ich war aber kein Promi. Nur Greta. Ein Mädchen aus Clapham, das sich eine winzig kleine Studentenbude mit ihrem Bruder und einer gestörten Katze teilte. Und ich hatte garantiert nie vorgehabt, berühmt zu werden. Geschweige denn, ins Fernsehen zu kommen. Ich seufzte und ließ den Vampirmantel von meinen Schultern rutschen. Zumindest hatten wir es geschafft, unbemerkt das Schulgelände zu verlassen. Das war das Wichtigste. Jetzt nichts wie in die Underground und dann …

      Von irgendwoher erklang ein Surren. Auch Livy bemerkte es, denn sie hielt plötzlich inne. Das Geräusch, es kam von … von oben? Gleichzeitig blickten wir in Richtung Himmel und ich riss vor Schreck die Augen auf. Die Drohne! Verdammt, die Drohne! Ich hatte sie bereits vorhin am Eingang entdeckt, aber nicht mehr im Geringsten an sie gedacht. An der Unterseite blinkte eine unscheinbare Kamera.

      »Oh, Shit«, entfuhr es Livy und für die Dauer eines Herzschlages standen wir uns bewegungsunfähig gegenüber. In ihren Augen spiegelte sich meine Panik. Dann hörte ich aufgebrachte Stimmen von der Straße, gefolgt von eiligen Schritten und Motorengeräuschen.

      »Die wissen jetzt, wo wir sind.« Livy reagierte als Erste. Sie griff nach meiner Hand und zerrte mich mit sich, direkt über die Straße. Autos hupten. Jemand schimpfte. Wir ignorierten es, rannten geradewegs in eine Seitengasse und kreuz und quer durch ein Wohngebiet. Die Häuser flogen nur so an uns vorbei und wir hetzten immer weiter, auch wenn wir die Reporter längst abgehängt hatten. Livy atmete schwer und vor meinen Augen verschmolzen die Häuserreihen zu einer einzigen, nie enden wollenden Masse. Als sich die Perücke schließlich aus meinen Haaren löste und quer über den Bürgersteig davonflog, wusste ich längst nicht mehr, wo wir waren.

      Cinderella im Steampunk-Look? Das ist ja wohl nicht deren Ernst.« Livy schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, stöhnte und ließ sich in die Sofakissen sinken. »Jeder Idiot erkennt ja wohl, dass das Rihanna sein soll.«

      Ich sagte nichts, presste mir eines der perlmuttschimmernden Sofakissen an die Brust und starrte auf den Fernseher an der Wand, der so imposant war, dass man schon fast von einer Kinoleinwand sprechen konnte. Obwohl wir in dem riesigen Wohnzimmer von Livys Stadtvilla saßen, das sich über zwei Etagen öffnete und Ausblick in den Garten bot, kam ich mir erdrückt vor. In nicht einmal zwei Stunden hatten Livy und ich es auf sämtliche Fernsehsender des Landes geschafft. Überall wurde davon berichtet, wie Tristans vermeintliche Freundin sich durch


Скачать книгу