Royal Horses (2). Kronentraum. Jana Hoch

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Royal Horses (2). Kronentraum - Jana Hoch


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wüsste sie genau, dass sie so noch unheimlicher wirkte. Seit ich bei Jordan eingezogen war, gerieten wir andauernd aneinander, weil sie nicht aufgeben wollte, mir zu erklären, was ich in Jordans Wohnung – nein, in ihrem Hoheitsgebiet – zu tun und zu lassen hatte. Nicht mit mir! Ich griff nach einem Kissen, um mich vor Cys Krallen zu schützen, und schob sie nachdrücklich vom Sofa. Die Katze rettete sich auf den Holzboden, warf mir einen vernichtenden Blick zu und wollte gerade wieder zum Sprung ansetzen, als die Tür geöffnet wurde. Jordan kam herein, in den Händen ein Tablett mit Eistee und einem Teller voll mit rosafarbenen Karamellstücken, meinem Lieblingsfudge. Sofort schoss Cylia auf ihn zu und strich an seinen Beinen entlang. Scheinheiliges Mistvieh!

      Jordan stellte das Tablett vor uns auf den Tisch und Cylia wollte schon daraufspringen, aber ein einziger Blick meines Bruders genügte und sie ließ es bleiben. Wie machte er das nur? Hätte ich ihr gesagt, sie solle gefälligst von meinem Essen wegbleiben, hätte sie es vermutlich aus Prinzip angeleckt, nur damit ich es nicht mehr haben wollte.

      »Und was wollen wir schauen?«, fragte Jordan und öffnete die Videobibliothek.

      »Frozen«, antwortete ich sofort. Wenn etwas den Tag noch einigermaßen retten konnte, dann dieser Film. Und das Beste dabei: Es kam keine Katze darin vor.

      Jordan verdrehte die Augen. »Gut, dann Frozen. Zum hundertsten Mal. Aber nur, weil du einen echt heftigen Tag hattest.«

      Er startete den Film, setzte sich zu mir aufs Sofa und hielt mir den Teller mit dem Fudge entgegen. Ich brach mir ein Stück ab und lehnte mich an seine Schulter. Bereits nach wenigen Minuten merkte ich, dass es mir schwerfiel, mich zu konzentrieren. Ich ließ den Blick durch Jordans Zimmer schweifen, über die tannengrünen Wände und die Seemannstaue an der Decke, an deren Enden einzelne Glühbirnen herabhingen. Etwas war anders als sonst. Gut, vielleicht war es nicht meine beste Idee gewesen, ausgerechnet einen Film sehen zu wollen, in dem es um Prinzessinnen und eine Liebesgeschichte ging. Aber Frozen half immer! Selbst Cylia, die sich auf Jordans Bettdecke niedergelassen hatte, zuckte angeregt mit dem Schwanz, wenn eine Szene wechselte.

      Es wird alles gut, sagte ich mir selbst. Ganz bestimmt. Morgen schon.

      Und zumindest für den Moment konnte mir überhaupt nichts passieren. Ich war bei meinem Bruder. Zu Hause. Warum also schlug mir mein Herz immer noch bis zum Hals?

      Gedankenverloren betrachtete ich die Schwarz-Weiß-Fotografien, die über Jordans Bett hingen und fast die ganze Wand einnahmen. Er hatte die meisten der Aufnahmen selbst gemacht und manche stammten auch von mir. Bilder aus der Stadt, von gemeinsamen Fototouren. Eines zeigte mich, wie ich zum ersten Mal über die Tower Bridge gelaufen war, ein anderes unsere Hände mit Eistüten. In der Mitte zwischen all den Fotografien hing der größte Rahmen. Er enthielt kein Foto, sondern lediglich einen Spruch. If you weren’t an optimist, it would be impossible to be an architectNorman Foster.

      Ich seufzte. Schon immer hatte ich mir gewünscht, irgendwann einmal sein zu können wie Jordan. Jemand, der seine Berufung gefunden hatte und das, was er tat, aus vollem Herzen liebte. Stattdessen hatte ich immer noch keine Ahnung, was ich einmal werden wollte, und mein Schulabschluss rückte immer näher. Aber wahrscheinlich konnte ich nach allem, was passiert war, nicht einmal einen Berufsinformationstag besuchen, ohne komisch angeguckt zu werden.

      Beruhig dich, ermahnte ich mich. So muss es nicht kommen. Doch mein Blick glitt wie von selbst zu den schweren grauen Vorhängen, die Jordan vor das Fenster gezogen hatte. Draußen waren Stimmen zu hören und während ich mich noch fragte, ob die Reporter wohl die ganze Nacht ausharren wollten, klingelte es plötzlich an der Haustür. Ich fuhr zusammen und Jordan stieß einen leisen Fluch aus. »Keine Sorge, ich regle das«, versprach er und verließ den Raum.

      Ich griff nach der Decke, die über der Sofalehne lag, breitete sie über meinen Beinen aus und lauschte angestrengt. Jordan drehte den Schlüssel herum und das Türschloss knackte. Dann hörte ich Stimmen. Die meines Bruders und eine andere. Tiefer als Jordans. War das etwa ein Lachen? Auf dem Flur erklangen Schritte und mein Herz schlug schneller. Wer konnte das sein? Gerade wollte ich aufstehen und nachsehen, doch da kam bereits ein wandelnder Muskelberg im Türrahmen zu Vorschein. Wie immer war er ganz in Schwarz gekleidet und trug ein warmes Grinsen auf den Lippen.

      »Sixton!« Der unerwartete Anblick erleichterte mich so sehr, dass ich aufsprang und ihm in die Arme fiel. Er lachte und drückte mich an sich.

      Dann brummte er, hielt mich an den Schultern zurück und sah mich ernst an. »Dir ist hoffentlich klar, dass du mich gerade um meinen wohlverdienten Feierabend bringst. Eigentlich wollte ich jetzt ein kühles Bier trinken und mir die nächste Folge Suits reinziehen.«

      Aus seinem Mund klang das wie ein furchtbarer Verrat und ich musterte ihn, um zu erkennen, wie ernst es ihm wirklich war. Sixton hielt sein Pokerface noch einen Moment aufrecht, dann wuschelte er mir so wild durch die Haare, dass sie zu allen Seiten abstehen mussten. »Mann, musst du dich andauernd in Schwierigkeiten bringen?« Mit einem Seufzen fuhr er sich über den ordentlich gestylten Vollbart. »Die kleine Elfe macht sich Sorgen um dich, auch weil du nicht ans Telefon gehst. Also schickt er mich.«

      »Die kleine Elfe? Meinst du … Edward?«

      »Ja, wen denn sonst? Du weißt doch, wie sehr ich es mag, ihn aufzuziehen. Und da ich der Einzige bin, der sich das bei ihm rausnehmen darf, muss ich es nutzen.« Sixton ließ sich auf Jordans Sofa fallen und brach sich wie selbstverständlich ein Stück Fudge ab. Er steckte es sich in den Mund, kaute genüsslich darauf herum und schmatzte: »Dafür, dass du mir den Abend versaut hast, esse ich jetzt deinen Süßkram.«

      Ich beobachtete, wie er ein weiteres Stück aß, und musste mich zwingen, ihn nicht zu schütteln, weil er nicht weitersprach. Edward hatte ihn zu mir geschickt? Weil er wissen wollte, wie es mir ging? Oder gab es womöglich Probleme im Palast, weil seine vermeintliche Freundin so ganz und gar nicht damenhaft aus der Schule getürmt war?

      »Um es kurz zu machen …«, sagte Sixton und stoppte, als Cylia auf ihn zugelaufen kam und mit einem Satz auf seinem Schoß landete. Sie schmiegte sich an ihn und begann sogleich zu schnurren. Sixton kraulte ihr den Kopf und war von einer Sekunde auf die nächste wie in einer anderen Welt. Ich räusperte mich, um seine Aufmerksamkeit zu mir zurückzuholen. »Ja, richtig. Deswegen bin ich ja nicht hier.« Sixton sah mich an. »Edward wollte, dass ich herkomme und dir etwas von ihm gebe.« Er öffnete seine Jacke, zog einen Brief aus der Innentasche und legte ihn vor mir auf den Tisch. »Und darüber hinaus will er dir ein Angebot machen. Möchtest du es hören?«

      Ich hielt die Augen fest auf das YouTube-Tutorial gerichtet, das über den Bildschirm meines Laptops flimmerte. Doch die Farben verschwammen und wandelten sich zu einem einzigen bunten Fleck.

      »Und jetzt erkläre ich dir, wie du dein Video in wenigen Schritten mit Colour-Lookups in Szene setzt. Im ersten Schritt werden wir …« Die Stimme aus dem Video lief geradewegs durch mich hindurch.

       Greta, an meinen Gefühlen für dich hat sich nichts geändert.

      Nein, verdammt! Nicht an Edward denken. Was hatte der Typ aus dem Tutorial eben noch erzählt? Über welchen Menüpunkt öffnete ich die Farbkurven? Ach, Mist. Wieder fiel mein Blick auf den blütenweißen Umschlag, den Sixton mir Anfang der Woche vorbeigebracht hatte. Ich hatte ihn zwischen meine Bücher gesteckt, die auf der Fensterbank standen. Er war jedoch etwas länger und schaute einige Zentimeter hervor. Das alleine genügte, dass ich alle paar Minuten zu ihm herübersah, obwohl ich die wenigen Zeilen schon auswendig kannte. Eigentlich hatte ich vorgehabt, den Brief gar nicht zu öffnen. Aber gestern Abend war ich schwach geworden und seither spukte Edward durch meine Gedanken und brachte alles, was ich mir im letzten Monat mehr oder weniger erfolgreich eingeredet hatte, durcheinander.

      Mit einem langen Atemzug ließ ich mich tiefer in meinen Schreibtischstuhl sinken. Ich bin so gut wie über ihn hinweg. Dass ich den Brief gelesen habe, ändert gar nichts.

      Draußen flackerte Licht und ich erhob mich vom Schreibtisch, schob die


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