Der kahle Berg. Lex Reurings

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Der kahle Berg - Lex Reurings


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Profijahre

      Auf der Isle of Man trifft Tom die Brüder Murphy, Radsportler aus Saint-Brieuc in der Bretagne. Er fragt sie, ob sie ihn vielleicht eine Saison lang bei sich unterbringen können, und so macht sich der 21-jährige Tom Simpson kurz nach Ostern 1959 mit hundert Pfund und einem Rennrad auf nach Frankreich. Obwohl die Murphys irischer Abstammung sind, sprechen sie kaum ein Wort Englisch und Tom fühlt sich in der Bretagne wie ein Einsiedler, bis er das englische Au-Pair-Mädchen Helen Sherburn trifft. Sie kommt aus Harworth, genau wie er, und auch noch aus derselben Straße.

      In seiner ersten Saison auf dem Kontinent holt Simpson 28 Siege. Vor allem der zweite Platz im Etappenrennen Essor Breton beschert ihm international Ansehen. Im Herbst 1959 tritt er in Zandvoort erstmals bei den Weltmeisterschaften im Straßenrennen der Profis an. Er wird Vierter. In seine Heimat kann er nicht zurückkehren, weil er dann zum Militärdienst eingezogen würde.

      Tom Simpsons Stern geht 1960 beim Klassiker Paris–Roubaix endgültig auf. Eine Stunde lang ist er als einsamer Solist an der Spitze des Rennens auf den europäischen Fernsehbildschirmen10 zu sehen. Er belegt schließlich den neunten Platz, wird aber begeistert gefeiert. Er ist nun eine Berühmtheit.

      In jenem Jahr gewinnt er den Grand Prix Mont Faron, schlägt dort auch Charly Gaul, den Toursieger von 1958. Seine Fans drehen schier durch und glauben, dass Simpson selbst die Tour de France gewinnen kann. Er befriedigt die hohen Erwartungen, als er Erster bei der Tour du Sud-Est wird.

      Simpson bestreitet in jenem Jahr auch seine erste Tour de France. Zu Beginn der Pyrenäen liegt er noch ganz gut im Gesamtklassement. Doch die schweren Bergprüfungen werden für ihn zur Hölle und er kommt eher tot als lebendig in Paris an. Er ist klapperdürr und Helen erkennt ihn kaum wieder. Er bestreitet noch ein paar Kriterien, dann begibt er sich völlig ausgelaugt in ein Krankenhaus in Paris, um sich zu erholen.

      Er beendet seine Saison und reist im Dezember nach England, wo er sich wieder sehen lassen kann, ohne verhaftet zu werden. An Weihnachten fragt er Helen Sherburn, ob sie ihn heiraten will. Die Trauung findet am 3. Januar 1961 statt.

      1961 gewinnt Simpson die Flandern-Rundfahrt, indem er den Italiener Nino De Filipis im Sprint überrascht. Den Rest der Saison muss er abschreiben, weil er bei Paris–Roubaix von einem Auto der französischen Presse angefahren wird. Mit seinem geschwollenen Bein schleppt er sich von einem Spezialisten zum anderen und erscheint dann, gewappnet mit ein paar Wunderpillen von einem russischen Arzt, beim Start der Tour de France. Auf der dritten Etappe muss er das Rennen aufgeben.

      Helen ist schwanger und die Familie zieht nach Gent. Im Winter verdient Simpson sein Geld auf den Radrennbahnen von Gent, Antwerpen und Brüssel. Er unterschreibt einen Vertrag beim Team Gitane.

      Die Klassiker-Saison 1962 läuft schlecht für Simpson. Immerhin wird er Zweiter bei Paris–Nizza und Fünfter bei der Flandern-Rundfahrt. Inzwischen ist er Vater einer Tochter geworden. Jane.

       Tour de France

      Dann steht die Tour de France auf dem Programm. Auf der zwölften Etappe wird Simpson der erste britische Fahrer in der Geschichte der Tour, der das Gelbe Trikot überstreifen darf. Aber am folgenden Tag ist er es bereits wieder los und später kommt er auch noch zu Sturz, als er auf der Abfahrt vom Col de Porte mit knapp 90 km/h durch eine Kurve fliegt. Mit zahllosen Prellungen setzt er die Tour fort und verteidigt seinen sechsten Platz bis Paris. Möglich ist dies nur dank der vielen »Medikamente«, die man ihm gegeben hat.

      Es folgt eine schwere Zeit für ihn. Gitane will seinen Vertrag nicht verlängern und am 12. November 1962 brennt das hölzerne Velodrom Het Kuipke in Gent nieder. Simpsons Rad und einige andere Sachen von ihm gehen dabei verloren. Durch unerwartete Umstände muss er auch noch das Haus verlassen, in dem er bisher kostenlos wohnen durfte. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich nach einem neuen Zuhause umzusehen. Das findet er in Mariakerke.

      1963 geht Simpson für Peugeot an den Start. Er wird in dieser Saison Zweiter bei Gent–Wevelgem, Dritter bei der Flandern-Rundfahrt und Zweiter bei Paris–Brüssel.

      Tom setzt alles auf Bordeaux–Paris. Glücklicherweise wird seine zweite Tochter Joanne rechtzeitig vor seiner Abreise nach Bordeaux geboren und er verspricht Helen, dass er diesmal gewinnen wird – für das Baby. Er hält sein Versprechen und kommt nach langer Zeit endlich mal wieder als Erster über die Ziellinie. Ein paar Wochen später hat er auf der Isle of Man erneut Grund zum Feiern, es ist sein erster Sieg als Profi auf britischen Straßen.

      Er lässt die Tour ’63 aus, um sich voll und ganz auf die Weltmeisterschaft zu konzentrieren. Er geht mit großen Hoffnungen ins WM-Rennen, muss sich jedoch im Sprint geschlagen geben. Danach wird er Zweiter bei Paris–Tours und hinter dem großen Jacques Anquetil auch in der Super Prestige Pernod. Es steht außer Frage, dass Tom Simpson zu einem der stärksten Fahrer für Eintagesrennen geworden ist.

      Die Saison 1964 beginnt hervorragend mit einem Sieg bei Mailand–Sanremo. Im Finale schlägt er Raymond Poulidor, der ihm als Einziger folgen konnte.

      Aber das wichtigste Ziel in diesem Jahr ist die Tour de France. Auf der neunten Etappe, von Briançon nach Monaco, wird Simpson Zweiter hinter Anquetil, der schließlich auch die Rundfahrt gewinnt. Simpson kommt auf Platz 14 im Gesamtklassement nach Paris.

      Auch die WM, die in strömendem Regen in den Alpen ausgetragen wird, beschert ihm keinen Sieg. Er muss sich mit dem vierten Platz begnügen.

      Bei der Lombardei-Rundfahrt fährt Simpson ständige Attacken und liegt am Ende zusammen mit Gianni Motta in Führung. Allerdings hat er sein Pulver zu früh verschossen und muss auf den letzten Kilometern noch etliche Fahrer vorbeilassen. Völlig erschöpft erreicht er die Ziellinie.

       Weltmeister

      Der Start in die Saison 1965 ist eher mäßig. Zuerst bekommt er eine Grippe, dann erreicht er den dritten Platz beim Circuit Provençal und wird Sechster bei Paris–Roubaix. Diese Ergebnisse sind an sich nicht schlecht, aber er hätte den Circuit gewinnen können und bei Paris–Roubaix behindert ihn eine Prellung am Sprunggelenk. Deshalb muss er auch die Flandern-Rundfahrt auslassen.

      Der Flèche Wallonne beschert ihm einen dritten Platz, aber ein paar Tage später schlägt das Pech erneut zu: Bei Lüttich–Bastogne–Lüttich stürzt Simpson. Bei Bordeaux–Paris belegt er diesmal Platz drei und dann folgt die Tour. Nach einem Sturz in den Pyrenäen muss er völlig demoralisiert aufgeben. Es sieht so aus, als könnte er seine Chance, Anfang September die Weltmeisterschaft in San Sebastián zu gewinnen, abschreiben.

      Aber in Spanien laufen die Dinge anders als erwartet. Ausgerechnet zwei Fahrer, die sich gerade erst von Krankheiten und Verletzungen erholt haben, können sich absetzen. Tom Simpson und Rudi Altig kämpfen mit großem Vorsprung vor allen anderen um den WM-Titel. In einem sensationellen Zielsprint kann Simpson Altig schlagen und wird als erster Brite Straßenweltmeister. Ein Jahr später wird Altig sein Nachfolger im Regenbogentrikot.

      Mit einem Sieg bei der Lombardei-Rundfahrt kann Simpson die Saison erfolgreich abschließen. Die britische Presse und die Öffentlichkeit wählen ihn verdientermaßen zum Sportler des Jahres, außerdem wird er zum Ehrenbürger von Mariakerke ernannt. Und als wäre das der Erfolge nicht genug, gewinnt er auch noch mit Peter Post das Sechstagerennen von Brüssel.

      Aber auf Sonne folgt Regen, und so bricht sich Simpson im Winter beim Skifahren das Bein. Dies ist der Auftakt von noch mehr Unglück in einem Jahr der Krankheiten und Stürze. Auf der 17. Etappe der Tour de France 1966 muss er nach einer Kollision mit einem Motorrad, bei der er sich schwer am Arm verletzt, aufgeben.

      1967 meldet er sich jedoch mit einem überwältigenden Sieg bei Paris–Nizza und Etappensiegen bei der Sardinien-Rundfahrt und der Spanien-Rundfahrt zurück auf der Sonnenseite. Toms Moral wächst mit jedem Tag.

      »… wo Tommy Simpsons Leben ging zu Ende …«

      – Jan Kal, Dichten is fietsen op de Mont Ventoux

      13. Juli 1967. Die 13. Etappe der Tour de France führt


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