„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher

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„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher


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geworden waren: Sie sind als Emanzipationsbewegung gegenüber den noch dominierenden feudalen Strukturen und Funktionsträgern, sprich gegenüber Adel und Klerus zu betrachten. Schließlich entstandaus dem bürgerlich-kapitalistischen System das der Kartelle und Konzerne im Neoliberalismus heutzutage.

      Deshalb stellt sich die Frage: Wer gab hinter den Kulissen von Sein und Schein tatsächlich den Ton an? Sicherlich weder Luther noch Müntzer. Die Fürsten? Der Kaiser? (Immer noch und weiterhin) der Papst? Oder doch die Fugger, Welser und Co., die Herrscher des Geldes, die (fast) alle kaufen (können). Auch die Fürsten, die Kaiser, die Päpste. Einen Luther zumal. Einen Müntzer mitnichten.

      „Hitler berief sich wie die evangelische Nazikirche der Deutschen Christen auf Luther ... Julius Streicher, Gründer des Nazi-Hetzblattes Der Stürmer, meinte gar in den Nürnberger Prozessen, dass Luther ´heute sicher an meiner Stelle auf der Anklagebank säße´. Vielleicht hätte er da … zu Recht gesessen als einer der geistigen Brandstifter, die die deutsch-protestantische Geschichte antisemitisch fundierten.“

      In der Tat: „Der Reformator war nicht nur Antijudaist, sondern Antisemit. So wurde er auch in der NS-Zeit rezipiert … Martin Luthers späte ´Judenschriften´ sind heute nicht mehr so unbekannt, wie sie lange Zeit waren – und das Entsetzen über den scharf antijüdischen Ton des Reformators ist allenthalbengroß.“

      Und: Die Bedeutung Luthers als ideologischer Protago-nist in dem seit Jahrhunderten vorprogrammierten „ultimativen“ Konflikt „der Deutschen“ mit „den Juden“ ist ebenso eindeutig wie unbestreitbar: „Der Philosoph Karl Jaspers schrieb schon 1958, als ... die protestantischen Fakultäten [noch] peinlich darauf bedacht waren, dass nichts von Luthers Schandschrift bekannt wurde, auf die sich … Julius Streicher vor dem Nürnberger Kriegsver-brechertribunal ausdrücklich berufen hatte: ´Was Hitler getan, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung durch Gaskammern.´ Und in einem anderen Werk schrieb Jaspers 1962: ´Luthers Ratschläge gegen die Juden hat Hitler genau ausgeführt.´“

      Bezeichnenderweise wurden Alfred Rosenbergs Der Mythus des 20. Jahrhunderts und dessen Verunglimpfungen alles „Undeutschen“ und Artfremden“ mit großer Zustimmung in der völkisch-protestantischen Szene aufgenommen: marxistischer wie katholischer Internationalismus seien die beiden Facetten desselben jüdischen Geistes(!) und die Reformation werde in einer erneuerten protestantisch-deutschen Nationalreligion vollendet – Martin Luther hätte wahrlich seine Freude gehabt. „Luthers Großtat war ... die Germanisierung des Christentums. Das erwachende Deutschtum aber hat nach Luther noch zu Goethe, Kant, Schopenhauer Nietzsche ... geführt, heute geht es in gewaltigen Schritten seinem vollen Erblühen entgegen …“

      Dieser Mythus wie Mythos war sowohl den Deutschen Christen als auch den Nationalsozialisten Programm und Verpflichtung; er ist die Lüge, aus dem das hinlänglich bekannte Ungeheuer kroch.

      Festzuhalten gilt: Es handelt sich beim Judenhass Martin Luthers nicht „nur“ um „eine dunkle Seite“ des Reformators oder auch der Reformation in toto, vielmehr sind Antijudaismus und Antisemitismus konstituierend für Luthers Welt- und Menschenbild und Grundlage der Judenverfolgung und -vernichtung im Nationalsozialismus. Hitler wurde durch den Einfluss Luthers zum Antisemiten. „… [E]inige Theologen nennen Luther später stolz den ... ´ersten Nationalsozialisten´. Der Reformator aus Wittenberg hat entscheidenden Anteil an der Vorgeschichte des Holocaust in Deutschland.“

      Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerech-net Martin Luther – Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt des deutschenReiches – von 1940-43 als Leiter der Abteilung D für die Zusammenarbeit mit dem Reichssicherheitshauptamt sowie für das Ressort D III und somit für „Judenfrage“ und „Rassenpolitik“ verantwortlich war; derart schloss sich ein Bogen über ein halbes Jahrtausend hinweg: Lutherscher Geist durchwehte ein halbes Millenium, bis er im Deutschland der Nationalsozialisten einen Sturm entfachte, der alles hinwegfegte, was ihm in die Quere kam.

      „SO GEBET DEM KAISER, WAS DES KAISERS IST, UND GOTT, WAS GOTTES IST“

      Liebe Maria!

      Im Folgenden würde ich mich gerne mit einem der „Großen“ der deutschen Geschichte befassen, dessen Denken und Wirken vor einem halben Jahrtausend für die „deutsche“ Geschichte von überragender Bedeutung ist. Bis heute. Wenn auch auf andere Art als uns kundgetan. Will meinen: Weisgemacht.

      Festzuhalten gilt: Unter Berufung auf die „Heilige Schrift“ walzte Luther rigoros nieder, was ihm im Wege stand: „Ego quidem credo me debere Domino hoc obsequium iatrandi contra philosophiam et suadendi ad Sacram Scripturam“: In der Tat glaube ich, dem Herrn den Gehorsam zu schulden, gegen die Philosophie zu wüten und zur Heiligen Schrift zu bekehren.

      „Von Gott und vor Gott gerechtfertigt zu werden, ist für Luther … nicht nur die zentrale soteriologische [heils- und erlösungsgeschichtliche] …, sondern sie ist – … umfassender und grundsätzlicher – auch die zentrale anthropologische Aussage. Daher lautet Luthers theologi- sche Definition des Menschen: ´Hominem iustificari fide´ – allein durch den Glauben ist und wird der Mensch gerechtfertigt. Und gottgefällig.“

      In diesem Sinne schuf Luther das Fundament einer neuen Glaubensrichtung. Und lehrte die Menschen vornehmlich eins: die Angst. Luthers Antwort auf eben diese Angst lautete: „Ich armes, verworfenes Menschlein muss mich … lediglich zur Einsicht durchringen, dass Gott sich meiner erbarmt, gerade weil ich erbärmlich bin.“

      Und weil die menschliche Natur durch und durch verderbt sei, schrieb er, zudem: „Sündige tapfer, aber tapferer glaube!“ Folgerichtig ist das Menschenbild Luthers düster; der Mensch selbst könne zu seinem Heil nicht beitragen, insofern sei sein Wille unfrei: „Der freie Wille ist nichts als ein Pferd, das vom Satan geritten wird; es kann nicht befreit werden, wenn nicht durch Gottes Finger der Teufel hinausgeworfen wird.“

      In Anbetracht solch lutherisch-soteriologischer Vorstellungen – der Mensch kann sein Heil nur in Gottes Erbarmen finden, insofern ist sein Wille unfrei – müsste man eher „Von der [Un-]Freyheyt eyniß Christen menschen“ sprechen. Luther selbst führt mit gespaltener Zunge aus: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

      Luther „löste“ den Konflikt, indem er seine weltlichen Herren, also die Fürsten und den Adel, aufforderte, die „Mordischen und Reubischen Rotten der Bawren“ – die sich, wohlgemerkt, auf Luthers Worte: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan“ beriefen –, Luther also „löste“ die Dichotomie von vermeintlicher geistiger Freiheit und bedingungsloser gesellschaftlicher Unterordnung, indem er die gedungenen Mörderbanden aus Landsknechten und sonstigem käuflichem Gesindel aufforderte, die geschundenen Leibeigenen – die ein wenig Menschlichkeit, ein Quäntchen soziale Gerechtigkeit, gar etwas wie Menschenwürde forderten – rücksichtslos zu massa-krieren: „[M]an soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss.“

      „Die grausame Schrift Wider die räuberischen Horden der Bauern, in der er die Herrschenden zum Massenmord aufruft – sie wäre gar nicht mehr nötig gewesen. Die Vernichtung hatte schon ihren Lauf genommen …

      ´Ich habe alle Bauern erschlagen!´, bekennt er, und im gleichen Atemzug: ´Gott hat es mir befohlen.´ Sein Körper straft seine Rechtfertigung Lügen. Drehschwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Ohnmachten, alle nur denkbaren Malaisen des Leibes.“

      LUTHER UND DIE VERNUNFT – DER REFORMATOR ALS TREUER DIENER SEINER HERREN

      Liebster!

      Als Theologin und Philosophin kann ich Deinen Ausführungen nur beipflichten und diese wie folgt ergänzen:

      Gegen Erasmus von Rotterdam wütete Luther fast gleichermaßen heftig wie gegen Thomas Müntzer: „Ebenso wie Erasmus habe ich auch Müntzer getötet; sein Tod liegt auf meinem Hals“.

      Die Vernunft (die


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