„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher

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„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher


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Vor dem Sündenfall (Adams und Evas) sei die Vernunft von allen Gottesgaben die größte, sei geradezu göttlich gewesen. Durch den Sündenfall jedoch hätten die Menschen die Vernunft verloren, könnten nun nicht mehr erkennen, „quae Deus vult et praecipit“ (was Gott will und vorschreibt): Die Vernunft sei von der Dienerin göttlichen Geistes zu einem lästerlichen Weibsstück, zur „Teufels- hure“ und zur „Teufelsbraut“ pervertiert. „Widersacherin Gottes“ sei sie, die Vernunft, und vermittele allenfalls „blinde Finsternisse“; sie gehe in die Irre und Leere, sei „lauter nichts. Ja, was soll mir´s dann, wenn´s nichts ist? Ja, es ist nichts, wenn du deine fünf Sinne drum fragst und deine Vernunft und deine Weisheit zu Rate nimmst.“

      Es sei der Vernunft „Natur und Eigenschaft“, gegen Gott, gegen Gottes Willen zu sein. Die Vernunft könne den Widerspruch zwischen dem, was Gott vorsehe, und dem, was der Mensch wolle, nicht ertragen („neque capere neque ferre“); es gebe „kain faerlicher ding“ als die Vernunft des Herrschers („domina ratio“); selbst die sündigsten Gedanken gebe sie, die Vernunft, als die reine Wahrheit („ipsa veritas“) aus.

      Epistemologisch (erkenntnistheoretisch) versage die Vernunft: nicht nur in Bezug auf Gott, sondern auch hinsichtlich der irdischen Realität. Das Erkenntnisvermögen des Menschen sei entstellt, pervertiert, auch weltliche Angelegenheiten betreffend wisse die Vernunft nicht, „quid aut de quo loquatur“ (was und worüber sie spricht). Sie sei Gefangene ihrer eigenen (vermeintlichen) Klugheit, begreife sich fälschlicherweise als Maßstab aller Dinge, könne somit auch nicht als oberste weltliche Instanz gelten.

      Ebenso wie die Vernunft verteufelt Luther die Philosophie (deren Aufgabe bekanntlich ist, Welt und menschliche Existenz zu ergründen und zu verstehen); Philosophen könnten nie zur Wahrheit gelangen.

      Die „Klassiker“ der antiken Philosophie – namentlich Aristoteles – finden in Luther einen hasserfüllten Gegner: „Die Philosophie des Aristoteles kriecht im Bodensatz der körperlichen und sinnlichen Dinge …“

      Jedoch und wohlbedacht: „Es ist „ein merkwürdiger Aristoteles, den Luther kritisiert, jedenfalls nicht … der, den wir … aus seinen Werken kennen … Warum … [sollten] aristotelische Lehrstück[e] i[m] Gegensatz zur Heiligen Schrift [stehen]?“ Und: Im Widerspruch zu Aristoteles hält Luther die Seele durchaus für sterblich; wäre sie tatsächlich unsterblich, müsste es unendlich viele Seelen geben: „Es gäbe also etwas aktual Unendliches, was Luther … für unmöglich hält.“

      Auch die Scholastiker zogen den Zorn Luthers auf sich; Thomas von Aquin hatte, die Willensfreiheit betreffend (und den nachträglichen Unmut Luthers auf sich lenkend), erklärt: „Totius libertatis radix est in ratione constituta“: Grundlage aller Freiheit ist die Vernunft.

      Luther wütete: Die Scholastiker sähen nicht die Sünde und übersähen, dass die Vernunft „plena ignorationis Dei et aversionis a voluntate Dei“, also voller Unkenntnis Gottes und voll der Abneigung gegen den Willen Gottes sei. Das scholastische Axiom, man könne ohne Aristoteles nicht Theologe werden, konterte er mit den Worten: „Error est, dicere: sine Aristotele non fit theologus; immo theologus non fit, nisi id fiat sine Aristotele“: Es ist ein Irrtum, zu behaupten, ohne Aristoteles werde keiner Theologe; in der Tat, Theologe wird man nicht, wenn es denn nicht ohne Aristoteles geschehen mag.

      Philosophie, so Luther, usurpiere die Theologie und führe zu einem „chaos errorum“ und zur „cogitatio metaphysica“, also zu einem Durcheinander von Irrtümern und zu (inhaltsleeren) metaphysischen Überlegungen; Philosophie habe sich ergo nur dem Sichtbaren, Theologie habe sich dem Unsichtbaren zu widmen. Auch wenn die Philosophen „laudem et gloriam liberi arbitrii“ (das Lob und den Ruhm des freien Willens) preisen, sei es mehr als befremdlich zu glauben, Gott sei in seinen Entscheidungen unfrei gegenüber dem menschlichen Willen.

      Die Vernunft könne den Widerspruch zwischen menschlicher und göttlicher Absicht weder verstehen noch ertragen, pervertiere ggf. den göttliche Willen zu eigenem Zweck und Nutzen. Wer menschlicher Vernunft folge, stürze in leere und sündige Gedanken, halte die Vernunft gar für die Wahrheit.

      Indes, und mehr noch: Nicht nur „in divinis“, also hinsichtlich des Göttlichen, in Bezug auf Seins-, Sinn- und Wertprinzipien, entwertete Luther die Vernunft; auch irdische Realität betreffend sei sie ohne Belang, wisse sie nicht, worüber sie spreche, sei sie durch ihre vermeintliche Weisheit be- und in derselben gefangen.

      Letztendlich lehrte Luther nichts anderes als einen kruden Irrationalismus: Offensichtlich hasste und entwertete er die menschliche Vernunft, stand damit im Widerspruch zum Gedankengut von Renaissance und Humanismus, war mehr dem „finsteren“ Mittelalter als der Wertschätzung des Menschen in der (beginnenden) Neuzeit verhaftet.

      Luthers Unfreiheit eines Christenmenschen spielte den Fürsten seiner Zeit, spielte auch seinem Schutzherrn Friedrich „dem Weisen“, spielte all denen, die das Volk, die Bauern (nicht nur in den blutigen Kriegen gegen dieselben) unterdrückten, in die Karten; die Herrschenden jener Zeit stellten ihn unter ihren Schutz, weil sie erkannten, dass Luther „ihr“ Mann und nicht der des Volkes und der Menschlichkeit war.

      Realiter jedenfalls bestand die Freiheit eines Christenmenschen gemäß lutherischer Ordnungsvorstellung im absoluten Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, wie rational oder irrational, wie moralisch oder verwerflich diese auch handelte.

      Mithin: Luther war ein demagogisch agitierender Anti-Philosoph. Par excellence. Er war „ein Unglück von einem Mönch“, wie Nietzsche ihn nannte.

      Und Luther verfocht die Interessen seiner (weltlichen) Herren; derart, dass er „nach heutigem Rechtsverständnis ein Krimineller war, den der Staatsanwalt sofort verhaften ließe, wenn er seiner habhaft würde – wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB), Anstiftung zum Mord (§§ 26, 211 StGB), Anstiftung zum Landfriedensbruch (§§ 26, 125 StGB) und Anstiftung zur schweren Brandstiftung (§§ 26, 306 StGB).“

      LUTHERS GOTTESBILD: „MONSTRÖS, UNGE-HEUERLICH, ZUTIEFST ERSCHRECKEND, ER-SCHÜTTERND UND ABSTOSSEND, UN-MENSCHLICH, IRRATIONAL UND ABSURD“

      Meine Liebe!

      Zudem gilt festzuhalten: „Die meisten Protestanten wissen es nicht, und die Theologen der Evangelisch-lutherischen, der Calvinistischen und der Zwinglianischen Kirche nebst deren zahlreichen Deviationen und Denominationen werden es ihnen … auch nicht sagen[:] … [D]as Gottesbild Luthers … ist … monströs, ungeheuerlich, zutiefst erschreckend, erschütternd und abstoßend, unmenschlich, irrational und absurd … Die Aufdeckung des haarsträubenden Gottesbildes Luthers würde auch die letzten Getreuen aus den Kirchen …treiben.“

      Geradezu sadistische Züge zeige er, Gott: „Er schlingt einen hinein und hat solche Lust daran, dass er aus seinem Eifer und Zorn dazu getrieben wird, die Bösen zu verzehren. Fängt das einmal an, dann hört er nicht mehr auf.“ „ … [S]o ist er ungerecht und hat viel mehr Sünde denn der Teufel, ja er ist erschrecklicher und grewlicher denn der Teufel, denn er handelt und gehet mit uns umb mit gewalt, plaget und martert uns …“ „Das ist denn das verzehrend fressige Feuer.“

      „Und wirst du sündigen, so wird er dich auffressen.“

      „Denn Gott ist ein Feuer, das verzehret, frisset und eifert, das ist, er bringt euch um wie das Feuer ein Haus verzehrt …“

      „Lehren [Lernen] soll man zwar von Gottes unausforschlichem und unbegreiflichem Willen; aber sich unterstehen, denselben zu begreifen, das ist sehr gefährlich und man bricht sich dabei den Hals.“

      „[I]ntolerabilis … humanae naturae“, untragbar für die menschliche Natur sei Gott, „mysteriis suis et iudiciis impervestigabilibus“, in seinen Geheimnissen und seinem Urteil nicht zu ergründen; seine Macht offenbare sich „in metuendis mirabilibus et iudiciis suis incomprehensibili- bus", will meinen: in seinen Wundern, die gleichermaßen zu fürchten, in seinen Ratschlüssen, die nicht weniger unbegreiflich seien.

      Ist hier etwa eine Nähe zur Willkür weltlicher Herrscher und deren – der Willkür wie der Herrscher – (pseudo-)intellektuelle


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