Butler Parker Staffel 8 – Kriminalroman. Günter Dönges
Читать онлайн книгу.untergebracht waren. Nur hinter wenigen Fenstern brannte noch Licht. Und diese Lichter befanden sich wahrscheinlich in Räumen, in denen sich das Pflege- und Aufsichtspersonal aufhielt.
Als er den ersten Bungalow erreicht hatte, suchte der Butler sich ein passendes Fleckchen und kleidete sich um. Er hoffte, auch wirklich an alles gedacht zu haben.
*
Die beiden Männer aus dem grauen Ford waren inzwischen wieder zu sich gekommen.
Sie fühlten sich nicht besonders, was nicht nur mit ihren Kopf- und Kieferschmerzen Zusammenhängen konnte. Es lag wohl mehr daran, daß Parker sie sehr geschickt um einen Baum geschlossen hatte.
Dazu hatte er nach alter Väter Sitte und nach seinem Patentrezept zwei Handschellen geopfert. Diese beiden Handschellen verbanden die vier Handgelenke der Männer unlösbar miteinander. Um freizukommen, mußten sie schon mit ihren Zähnen den mannsdicken Fichtenstamm durchknabbern. Und damit war wohl kaum zu rechnen.
Die beiden Männer waren selbstverständlich die Pfleger und Vollprofis, die Parkers Weg schon mal gekreuzt hatten. Sie hatten inzwischen eingesehen, daß sie ohne fremde Hilfe nicht wieder freikamen. Sie fühlten sich sehr einsam und verlassen. Sie standen irgendwo im tiefen und dichten Baumwald und hörten um sich herum nur die typischen und unheimlichen Geräusche der Nacht.
Da war erst mal das Waldkäuzchen, das auf sie aufmerksam geworden war. Dieses Käuzchen fühlte sich durch die beiden Vollprofis verunsichert. Es saß im Geäst einer Tanne und ging mit sich zu Rat, ob es einen versuchsweisen Tiefflug und darauffolgenden Angriff versuchen sollte. Noch hatte es sich nicht entschlossen.
Ein Fuchs bellte in der Nähe. Er hatte das Käuzchen bisher noch nicht entdeckt und fühlte sich als Herr der nächtlichen Situation. Dieser Fuchs, übrigens ein ausgekochter Bursche seiner Gattung mit bereits sehr großer Erfahrung, dieser Fuchs also hatte schon herausgefunden, daß die beiden Gestalten mit dem widerlichen, menschlichen Geruch ihm nichts anzuhaben vermochten. Er hoffte, sie bald anknabbern zu können.
Weit oben im Bergwald fiepte ein Reh und dicht neben den beiden Vollprofis raschelten zwei Haselmäuse durch das trockene Gras.
Die beiden Männer, die sich ungemein wehrlos vorkamen, die noch dazu aus der Stadt stammten, litten Höllenqualen. Und der Mann mit der Stirnglatze schrie leise auf, als das Käuzchen dicht vor seinem Gesicht vorbeistrich und sich dann auf die beiden Haselmäuse stürzte. Das Käuzchen hatte sie erspäht und seine Pläne kurzfristig umgeändert.
»Was ist denn?« knurrte der Profi mit der Hakennase. Er gab sich ruppig, um seine Angst zu überspielen.
»Da – da war gerade so ein komischer Vogel«, erwiderte Lern, der Mann mit der Stirnglatze. »Irgend so ein Biest.«
»Na und?« Lefty, der Mann mit der Hakennase, tat überlegen.
»Wenn das nun ’ne Eule war!« fragte Lern zögernd, »diese Biester kratzen einem doch glatt die Augen aus!«
»Genau das wäre richtig für dich, du Flasche!« Lefty war böse.
»Und wieso?«
»Wieso hast du dich überrumpeln lassen von diesem komischen Butler?«
»Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, wie?« Lern wurde nun seinerseits böse, »konntest du denn nicht aufpassen? Wem verdanken wir denn den Mister hier?«
Die beiden Partner Lern und Lefty machten sich daran, das Schuldproblem ausgiebig zu diskutieren. Irgendwie mußten und wollten sie sich ja die Zeit vertreiben. Die Diskussion über diesen strittigen Punkt erbrachte natürlich kein Ergebnis. Nach etwa 34 Minuten schwiegen sie erschöpft.
»Fest steht auf jeden Fall, daß wir das dem Boß zu verdanken haben«, sagte Lefty schließlich, um das drückende und unheimliche Schweigen zu überbrücken, »dieser Idiot hätte doch wissen müssen, wer dieser komische Butler ist.«
»Stimmt«, räumte Lern ein, »er hätte uns wenigstens warnen können.«
»Wenn ich den Burschen in die Finger bekomme, mache ich Hackfleisch aus ihm!«
»Aus’m Boß?« Lern grinste.
»Aus diesem Parker, du Pflaume«, korrigierte Lefty schnell, »und was den Boß betrifft, so sollten wir uns ’nen neuen Vertragspartner suchen.«
»Keine schlechte Idee«, pflichtete Lern ihm bei, »falls wir hier noch mal loskommen. Ob wir’s mal mit Rufen versuchen?«
Sie gerieten wieder aneinander und stritten sich, um dann wieder über ihre persönlichen Probleme zu sprechen. Sie hatten ja sehr viel Zeit. Und das Tondrahtgerät über ihnen in den Zweigen war wirklich lang genug, um alle Details aufzuzeichnen.
Parker hatte es zurückgelassen. Er verzichtete gern auf eingehende Verhöre, falls seine Gesprächspartner von sich aus und ungeniert redeten.
*
Josuah Parker befand sich um diese Zeit im Vorraum zu einem der langgestreckten Bungalows. Höchst erfreut nahm er zur Kenntnis, daß sich an der Wand vor der Verbindungstür zum eigentlichen Korridor eine Namensliste befand, die die Belegung der Zimmer nachwies. Für jedes Krankenzimmer waren auch die Namen der Personen aufgezeichnet, die darin wohnten. Eine bessere Orientierung hätte Parker sich überhaupt nicht vorstellen können.
Er fand, wonach er suchte.
Laut Namensliste wohnte Clive Muscat in Zimmer 134. Muscat war der Freund des verstorbenen Michael Moberly, hatte sich Parker unter anderem auch als Robin Hood vorgestellt und dann später mit einem Tuch aus seinem Bungalowfenster gewinkt.
Diesem jungen Mann wollte Parker unbedingt einen Besuch abstatten. Er hoffte auf Informationen und Details. Und insgeheim, daß er gerade jetzt nicht überrascht wurde.
Die Dinge ließen sich gut an.
Parker war als Butler nicht mehr zu erkennen. Er hatte es aus Gründen der Tarnung vorgezogen, sich einen weißen Ärztekittel überzustreifen. Regenschirm und schwarze Melone hatte er notgedrungen vor dem Bungalow zurücklassen müssen. Ein Arzt mit Regenschirm und Melone hätte ja zumindest einiges Aufsehen erregt.
Parker drückte die Tür zum Korridor auf und schritt auf den Raum zu, der laut Zimmerliste für die Nachtwache reserviert war. Unter der Tür schimmerte Licht nach draußen in den kaum erhellten Gang.
Parker legte diskret sein Ohr gegen die Türfüllung. Er hörte leise Tanzmusik, die aus einem Radio kam, hin und wieder ein paar Wortfetzen, dann Schritte, die sich aber nicht der Tür näherten.
Um sich noch besser zu informieren, verschmähte der Butler es nicht, auch einen kurzen Blick durch das Schlüsselloch zu werfen. Er entdeckte zwei Pfleger in weißen Kitteln, die einen völlig gelangweilten Eindruck machten. Sie ahnten überhaupt nicht, daß sie belauert wurden.
Parker, der an Komplikationen nicht interessiert war, holte aus seiner Hosentasche einen kleinen Stahlzylinder, der nicht größer war als eine Kohlensäurepatrone, wie man sie für Heimsiphons verwendet. Er führte einen kleinen Schlauch in das Schlüsselloch ein und achtete darauf, daß dieser Schlauch nicht von innen gesehen werden konnte. Dann drehte er das kleine Ventilrad auf und ließ das Schlafgas in den Aufenthaltsraum strömen.
Es war unsichtbar, geruchlos und hochwirksam.
Als Parker nach etwa einer Minute ungeniert die Tür öffnete, schliefen die beiden Pfleger bereits tief und fest. Einer von ihnen kniete vor einem schmalen Bett. Sein Oberkörper ruhte entspannt auf der weißen Matratze. Der zweite Pfleger hing lässig in einem Sessel und schnarchte erstaunlich.
Parker untersuchte die beiden Männer, die er bisher noch nie gesehen hatte, sicherheitshalber nach Waffen. Er fand nur zwei Stahlruten, die in Metallhülsen steckten und beim Zuschlägen teleskopartig hervorschnellten.
Ein immerhin etwas ungewöhnliches Mittel, um unruhige Patienten zu besänftigen! Schon allein diese beiden Stahlruten sagten sehr viel über den Geist aus, der in diesem Sanatorium herrschen mußte.
Parker öffnete das Fenster