H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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Send und Alt-Wo­king), sah ich am west­li­chen Ho­ri­zont einen blut­ro­ten Schein, der, als ich nä­her­kam, lang­sam am Him­mel kroch. Die trei­ben­den Wol­ken des dro­hen­den Ge­wit­ters ver­meng­ten sich dort mit Un­men­gen schwar­zen und ro­ten Rau­ches.

      Die Ri­pley Street war ver­las­sen, und au­ßer ei­ni­gen be­leuch­te­ten Fens­tern ver­riet das Dorf nicht ein Zei­chen von Le­ben. Aber ich ent­ging nur mit knap­per Not ei­nem Un­fall an der Ecke der Stra­ße, die nach Py­r­ford führt. Dort hat­te sich ein Hau­fen von Leu­ten ge­bil­det, die mir alle den Rücken kehr­ten. Sie rie­fen mir nichts zu, als ich an ih­nen vor­über­fuhr. Ich weiß nicht, wie viel sie von den Vor­gän­gen wuss­ten, die sich jen­seits des Hü­gels zu­tru­gen. Ich weiß auch nicht, ob die schwei­gen­den Häu­ser, an de­nen mich mein Weg vor­bei­führ­te, in sorg­lo­sen Schlaf ver­sun­ken, oder ver­las­sen und öde wa­ren, oder ver­wüs­tet und der Schre­cken har­rend, wel­che die Nacht noch brin­gen soll­te.

      Von Ri­pley bis Py­r­ford fuhr ich im Tale des Wey, und der rote Feu­er­schein war mir ver­bor­gen. Als ich den klei­nen Hü­gel jen­seits der Kir­che von Py­r­ford hin­auf­fuhr, kam der Schein wie­der in Sicht und die Bäu­me um mich her­um beb­ten un­ter den ers­ten An­zei­chen des Stur­mes, der sich über mir zu­sam­men­zog. Dann hör­te ich von der Py­r­for­der Kir­che hin­ter mir Mit­ter­nacht schla­gen, und dann kam die Sil­hou­et­te des May­bu­ry-Hü­gels her­aus, mit sei­nen Baum­wip­feln und sei­nen Dä­chern, die sich schwarz und scharf von der Röte ab­ho­ben.

      Als ich so hin­sah, er­hell­te ein fah­ler, grü­ner Schein die Stra­ße vor mir, und be­leuch­te­te den fer­nen Wald ge­gen Add­le­sto­ne. Ich spür­te einen Riss an den Zü­geln. Ich sah, wie die ja­gen­den Wol­ken durch­sto­chen wur­den wie von ei­nem Fa­den grü­nen Feu­ers, das ihre wil­den For­men er­hell­te und auf das Feld zu mei­ner Lin­ken ein­schlug. Es war der drit­te fal­len­de Stern!

      Un­mit­tel­bar nach sei­nem Er­schei­nen zuck­te, durch den Ge­gen­satz blen­dend vio­lett, der ers­te Blitz des sich zu­sam­men­bal­len­den Stur­mes, und ein Don­ner­schlag folg­te ihm wie der Knall ei­ner Ra­ke­te. Das Pferd nahm den Zaum zwi­schen die Zäh­ne und ging durch.

      Zum Fuße des May­bu­ry-Hü­gels führt ein sanft ab­stei­gen­der Weg, und auf dem ras­sel­ten wir nun hin. Jetzt, da das Ge­wit­ter los­ge­bro­chen war, ras­te es in ei­ner der­ar­ti­gen Auf­ein­an­der­fol­ge von Blit­zen, wie ich es kaum je ge­se­hen hat­te. Die Don­ner­schlä­ge, die mit selt­sa­men kra­chen­den Ne­ben­ge­räuschen dicht ein­an­der folg­ten, gli­chen eher dem Ar­bei­ten ei­ner rie­si­gen elek­tri­schen Ma­schi­ne als den ge­wöhn­li­chen wi­der­hal­len­den De­to­na­tio­nen. Das fla­ckern­de Licht wirk­te blen­dend und ver­wir­rend, und ein dün­ner Ha­gel peitsch­te mein Ge­sicht, als ich den Ab­hang hin­un­ter­jag­te.

      An­fangs ach­te­te ich auf nichts als auf die Stra­ße vor mir; plötz­lich aber wur­de mei­ne Auf­merk­sam­keit durch et­was er­regt, das mit ra­sen­der Schnel­lig­keit sich auf dem ge­gen­über­lie­gen­den Ab­hang des May­bu­ry-Hü­gels her­un­ter­be­weg­te. Zu­erst hielt ich es für das nas­se Dach ei­nes Hau­ses; aber ein Blitz, der ei­nem an­de­ren un­mit­tel­bar folg­te, zeig­te es mir in ra­scher rol­len­der Be­we­gung. Es war eine flüch­ti­ge Er­schei­nung, ein Au­gen­blick ver­wir­ren­der Dun­kel­heit, ge­folgt von ei­nem taghel­len Blitz, dann tra­ten die ro­ten Mau­ern des Wai­sen­hau­ses, nahe dem Hü­gel­kamm, die grü­nen Wip­fel der Fich­ten­bäu­me und die­ser zwei­fel­haf­te Ge­gen­stand deut­lich und scharf und glän­zend her­aus.

      Und nun sah ich das Ding! Wie soll ich es be­schrei­ben? Ein un­ge­heu­rer Drei­fuß, hö­her als vie­le Häu­ser, fuhr über die jun­gen Fich­ten­bäu­me und schmet­ter­te sie in sei­nem Lau­fe zur Sei­te; eine wan­deln­de Ma­schi­ne aus glit­zern­dem Me­tall, die jetzt über die Hei­de fuhr; ge­glie­der­te Stri­cke aus Stahl hin­gen von ihr her­ab, und der ras­seln­de Lärm sei­ner Fahrt ver­misch­te sich mit dem Ge­tö­se des Don­ners. Ein Blitz, und sie kam deut­lich zum Vor­schein, wie sie über einen Weg setz­te mit zwei Fü­ßen in der Luft, um zu ver­schwin­den und, wie es schi­en, beim nächs­ten Blitz etwa hun­dert Yard nä­her wie­der zu er­schei­nen. Man mag sich etwa einen um­ge­kipp­ten und hef­tig den Bo­den ent­lang­ge­schleu­der­ten Melk­stuhl vor­stel­len. Das war der Ein­druck, den jene kur­z­en Blit­ze zu ge­win­nen er­laub­ten. Aber statt ei­nes Melk­stuhls den­ke man sich den ge­wal­ti­gen Kör­per ei­nes Ma­schi­nen­werks, auf ei­nem drei­fü­ßi­gen Ge­stell.

      Da teil­ten sich plötz­lich die Bäu­me des Fich­ten­ge­höl­zes auf der An­hö­he vor mir, so wie sich brü­chi­ge Schilf­roh­re tei­len, wenn ein Mann durch sie bricht. Sie bra­chen kurz­weg ab, fie­len der Län­ge nach hin, und ein zwei­ter un­ge­heu­rer Drei­fuß tauch­te auf, der, wie es schi­en, ge­ra­den We­ges auf mich zu­ras­te. Und ich fuhr ihm eilends ent­ge­gen! Aber beim An­blick des zwei­ten Un­ge­tüms war es um die Kraft mei­ner Ner­ven ge­sche­hen. Ohne mich lan­ge mit Be­trach­tun­gen auf­zu­hal­ten, riss ich den Kopf des Pfer­des rechts her­um, und im nächs­ten Au­gen­blick stand der Wa­gen über dem ge­stürz­ten Pfer­de; die Deich­sel zer­brach un­ter Ge­tö­se und ich wur­de zur Sei­te ge­schleu­dert und fiel mit al­ler Wucht in eine seich­te Was­ser­pfüt­ze.

      Ich kroch auf der Stel­le hin­aus und duck­te mich, mei­ne Füße noch im Was­ser, hin­ter ei­nem Gins­ter­busch. Das Pferd lag re­gungs­los da (dem ar­men Tier war das Ge­nick ge­bro­chen) und bei den flam­men­den Blit­zen sah ich die schwar­ze Mas­se des um­ge­stürz­ten Wa­gens, und die Um­ris­se des Ra­des, das sich noch lang­sam dreh­te. Im nächs­ten Au­gen­blick fuhr das rie­si­ge Ma­schi­nen­werk an mir vor­bei und wand­te sich auf­wärts Rich­tung Py­r­ford.

      Nä­her be­se­hen, sah der Ge­gen­stand un­glaub­lich selt­sam aus, denn er war nicht eine blo­ße sinn­lo­se Ma­schi­ne, die da­hin roll­te. Eine Ma­schi­ne war er wohl, in me­tal­lisch klin­gen­der Be­we­gung und mit lan­gen, bieg­sa­men, glit­zern­den Ten­ta­keln ver­se­hen, (von de­nen ei­ner einen jun­gen Fich­ten­baum er­fass­te), die schwin­gend und ras­selnd von dem selt­sa­men Kör­per her­ab­hin­gen. Das Ding bahn­te sich selbst sei­nen Weg, wie es so ein­her­fuhr, und das eher­ne kap­pen­ar­ti­ge Ge­häu­se, das es über­deck­te, be­weg­te sich hin und her und er­weck­te so den zwin­gen­den Ein­druck, als sei es ein Kopf, der um­her­sah. Hin­ter dem Haupt­teil der Ma­schi­ne be­fand sich ein un­ge­heu­rer Ge­gen­stand aus weißem Me­tall, wie ein rie­si­ger Fi­scher­korb. Mas­sen grü­nen Rau­ches ent­wi­chen stoß­wei­se aus den Ge­len­ken sei­ner Glie­der, als das Un­ge­tüm an mir vor­beis­aus­te. Und im Nu war es wie­der fort.

      So viel sah ich da­mals, beim Fla­ckern des Blit­zes al­les un­deut­lich, ein­mal in blen­dend hel­lem Lich­te, ein­mal in tie­fem schwar­zen Schat­ten.

      Als es an mir vor­bei­kam, er­scholl aus ihm ein frohlo­cken­des und be­täu­ben­des Heu­len, das den Don­ner über­tön­te: »Alu-u, Alu-u!« In der nächs­ten Mi­nu­te war es mit sei­nem Ge­fähr­ten ver­ei­nigt und bück­te sich, eine hal­be Mei­le ent­fernt, über einen Ge­gen­stand, der auf dem Fel­de lag. Ich hege nicht den lei­ses­ten Zwei­fel, dass die­ser Ge­gen­stand auf dem Fel­de, der drit­te je­ner zehn Zy­lin­der war, die man vom Mars auf uns ge­feu­ert hat­te.

      Ei­ni­ge Mi­nu­ten lag ich da und späh­te trotz Re­gen und Dun­kel­heit beim Schein ge­le­gent­li­cher Blit­ze nach je­nen rie­sen­haf­ten me­tal­le­nen We­sen, die sich in der Fer­ne auf und nie­der be­weg­ten.


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