H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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bis zur Un­kennt­lich­keit ent­stellt. Die gan­ze Nacht war das Wei­de­land von Hor­sell bis May­bu­ry ver­ödet. Nur all­mäh­lich brann­ten die Feu­er nie­der.

      Die Nach­richt von dem Ge­met­zel er­reich­te Chob­ham, Wo­king und Ot­ters­haw wahr­schein­lich zur sel­ben Zeit. In Wo­king wa­ren die Lä­den schon ge­schlos­sen, als das Un­glück sich er­eig­ne­te, und eine An­zahl von Men­schen, Ge­schäfts­leu­te usw., von den Ge­schich­ten, die sie ge­hört hat­ten, er­regt, gin­gen über die Hor­sell Bridge die Stra­ße ent­lang zwi­schen den He­cken, die zur Wei­de führ­ten. Man kann es sich vor­stel­len, wie das jun­ge Volk nach der Ar­beit des Ta­ges zu­sam­men­ström­te, wie es jene Nach­richt, so wie jede an­de­re, zum Vor­wand für ge­mein­sa­me Spa­zier­gän­ge und für land­läu­fi­ges Lie­bes­ge­plän­kel be­nütz­te. Ich höre es fast noch heu­te, je­nes fröh­li­che Sum­men von Stim­men die Stra­ße ent­lang an je­nem Abend.

      Bis jetzt wuss­ten es frei­lich nur we­nig Leu­te in Wo­king, dass der Zy­lin­der be­reits ge­öff­net war, ob­wohl der arme Hen­der­son einen Bo­ten auf dem Fahr­rad nach dem Post­amt ge­schickt hat­te, um einen be­son­de­ren Be­richt an ein Abend­blatt zu sen­den.

      Als jene Leu­te in Grup­pen zu zwei­en und drei­en aufs of­fe­ne Feld ka­men, fan­den sie klei­ne Men­schen­an­samm­lun­gen, in er­reg­ter Un­ter­hal­tung be­grif­fen. Al­les blick­te nach dem wir­beln­den Spie­gel über den Sand­gru­ben. Und bald hat­te sich der Neu­an­ge­kom­me­nen die­sel­be Er­re­gung be­mäch­tigt.

      Um halb neun Uhr, als die De­pu­ta­ti­on ver­nich­tet wur­de, mag sich etwa eine Men­ge von drei­hun­dert Leu­ten an je­ner Stel­le be­fun­den ha­ben, au­ßer je­nen, wel­che die Stra­ße ver­las­sen hat­ten, um sich nä­her an die Mars­leu­te her­an­zu­schlei­chen. Auch drei Schutz­leu­te, dar­un­ter ein Be­rit­te­ner, wa­ren zu­ge­gen, die, Mr. Stents Wei­sun­gen fol­gend, ihr Mög­lichs­tes ta­ten, die Leu­te zu­rück­zu­drän­gen und sie ab­zu­hal­ten, sich dem Zy­lin­der zu nä­hern. Pfif­fe und Hohn­ge­läch­ter wur­den ge­hört. Sie ka­men von je­nen ge­dan­ken­lo­sen und über­mä­ßig auf­ge­reg­ten Ele­men­ten, de­nen ein Ge­drän­ge stets An­lass zu Lärm und ro­hen Scher­zen bil­det.

      Stent und Ogil­vy, wel­che die Mög­lich­keit ei­nes Zu­sam­men­sto­ßes ins Auge fass­ten, hat­ten von Hor­sell nach der Ka­ser­ne te­le­gra­fiert, als die Mars­leu­te auf­tauch­ten. Sie hat­ten um die Un­ter­stüt­zung ei­ner Kom­pa­nie Sol­da­ten ge­be­ten, wel­che jene fremd­ar­ti­gen Ge­schöp­fe vor Ge­walt­tä­tig­kei­ten schüt­zen soll­ten. Dann wa­ren sie so­fort wie­der zu­rück­ge­kehrt, um je­nen un­glück­se­li­gen An­nä­he­rungs­ver­such ins Werk zu set­zen. Die Be­schrei­bung ih­rer Er­mor­dung, wie sie von der Men­ge be­ob­ach­tet wur­de, deck­te sich ge­nau mit mei­nen ei­ge­nen Ein­drücken: die drei Stö­ße grü­nen Rau­ches, das tie­fe sum­men­de Geräusch und die auf­flam­men­den Blit­ze.

      Aber die Ge­fahr, in der jene Volks­men­ge schweb­te, war noch grö­ßer als die mei­ne. Nur der Um­stand, dass ein Hü­gel Hei­des­an­des den un­te­ren Teil des Hit­ze­strahls auf­hielt, ret­te­te sie. Wäre die Stan­ge mit dem pa­ra­bo­li­schen Spie­gel nur ei­ni­ge Yard hö­her ge­we­sen, es wäre nie­mand üb­rig ge­blie­ben, um den Vor­gang zu be­rich­ten. Sie sa­hen die Blit­ze, be­ob­ach­te­ten, wie die Män­ner hin­stürz­ten, wie gleich­sam eine un­sicht­ba­re Hand das Ge­büsch in Brand steck­te, wie die Flam­me im Zwie­licht auf sie zu­ras­te. Dann saus­te, mit ei­nem pfei­fen­den Laut, der das Sur­ren in der Gru­be über­tön­te, der Strahl dicht über ihre Köp­fe hin­weg, ent­zün­de­te die Wip­fel der Bu­chen, wel­che die Stra­ße säum­ten, zer­split­ter­te die Zie­gel, zer­schmet­ter­te die Fens­ter, ver­brann­te die Fens­ter­rah­men, und zer­trüm­mer­te einen Teil des Gie­bels ei­nes Eck­hau­ses.

      Bei die­sem plötz­li­chen Auf­schlag, dem Zi­schen und dem blen­den­den Licht­schein der bren­nen­den Bäu­me schi­en die Men­ge ei­ni­ge Au­gen­bli­cke zö­gernd hin- und her­zu­schwan­ken.

      Fun­ken und bren­nen­de Zwei­ge und ein­zel­ne Blät­ter fie­len wie flam­men­de Ge­schos­se auf die Stra­ße. Hüte und Klei­der fin­gen Feu­er. Von der Wei­de her hör­te man er­schreck­te Rufe.

      Krei­schen­de Schreie gell­ten von al­len Sei­ten. Plötz­lich kam ein be­rit­te­ner Schutz­mann ge­gen die Men­ge her­an­ge­sprengt. Er schlug die Hän­de über dem Kopf zu­sam­men und schrie aus Lei­bes­kräf­ten.

      »Sie kom­men!«, kreisch­te ein Weib, und so­fort kehr­ten sich alle um und dräng­ten die Rück­wärts­ste­hen­den vor­wärts, um den Rück­gang nach Wo­king frei zu ma­chen. Wie eine Her­de er­schreck­ter Scha­fe stob die Men­ge blind­lings aus­ein­an­der. Da, wo die Stra­ße eng und dun­kel wur­de, zwi­schen den ho­hen Ufern, stau­te sich die Mas­se, und ein ver­zwei­fel­ter Kampf be­gann. Nicht alle konn­ten sich ret­ten; drei Per­so­nen, zwei Frau­en und ein klei­ner Kna­be, wur­den er­drückt und nie­der­ge­tre­ten. Sie wur­den lie­gen­ge­las­sen, um in dem Schre­cken der Fins­ter­nis zu ster­ben.

      VII. Wie ich nach Hause kam

      Was mich be­traf, so ent­sin­ne ich mich nicht mehr der Ein­zel­hei­ten mei­ner Flucht au­ßer der Wucht, mit der ich an Baum­stäm­me stieß und wie ich im Hei­de­kraut strau­chel­te. Al­les um mich her­um nahm die un­sicht­ba­ren Schre­cken der Mars­leu­te an; je­nes er­bar­mungs­lo­se Feu­er­schwert schi­en auf und nie­der zu sau­sen, im­mer über mir zu fun­keln, be­vor es nie­der­fuhr, mir das Le­ben zu neh­men. Ich er­reich­te die Stra­ße zwi­schen Hor­sell und den Kreuz­we­gen, und ich lief durch den Ort wie­der zu den Kreuz­we­gen zu­rück.

      End­lich konn­te ich nicht wei­ter; ich war von der Hef­tig­keit mei­ner Er­re­gung und mei­ner Flucht er­schöpft. Ich tau­mel­te und stürz­te nie­der. Das war nahe der Brücke, wel­che bei den Gas­wer­ken den Kanal über­setzt. Ich fiel und blieb still lie­gen.

      Ich muss eine gan­ze Wei­le dort ge­le­gen sein.

      In ei­ner selt­sa­men Ver­wir­rung be­fan­gen rich­te­te ich mich end­lich auf. Ei­nen Au­gen­blick viel­leicht konn­te ich es nicht klar fas­sen, wie ich hier­her­ge­kom­men war. Wie ein Klei­dungs­stück war mein Schre­cken von mir ge­fal­len. Mein Hut war ver­schwun­den, und mein Kra­gen war vom Hemd­knopf ge­ris­sen. Ei­ni­ge Mi­nu­ten vor­her stan­den nur drei Din­ge greif­bar vor mir — die Uner­mess­lich­keit der Nacht, des Rau­mes und der Na­tur, mei­ne ei­ge­ne Schwä­che und Angst, und das Na­hen des To­des. Nun aber war es mir, als hät­te sich al­les ge­wen­det, und so­fort ver­schob sich mein Ge­sichts­punkt. Ich konn­te kei­nen merk­li­chen Über­gang von ei­nem Ge­müts­zu­stand in den an­de­ren wahr­neh­men. Ganz un­ver­mit­telt war ich wie­der mein ei­ge­nes all­täg­li­ches Selbst, ein ge­wöhn­li­cher ehr­ba­rer Bür­ger. Die schwei­gen­de Hei­de, mein Trieb zur Flucht, die auf­schie­ßen­den Flam­men, al­les er­schi­en mir jetzt wie ein Traum. Ich frag­te mich, ob sich alle die­se Din­ge wirk­lich zu­ge­tra­gen hät­ten. Ich konn­te es nicht glau­ben.

      Ich er­hob mich und stieg un­si­che­ren Schrit­tes die steil an­stei­gen­de Brücke hin­auf. Mein In­ne­res war nichts als eine große Ver­blüf­fung. Mei­ne Mus­keln und mei­ne Ner­ven schie­nen alle Kraft ver­lo­ren zu ha­ben. Ich kann sa­gen, dass ich wie ein Be­trun­ke­ner tau­mel­te. Über dem Brücken­bo­gen tauch­te ein Kopf auf und die Ge­stalt ei­nes Ar­bei­ters, der einen Korb trug,


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