H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells
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2 sehr klares Mineral, das bereits im Alten Rom als Glasersatz genutzt wurde <<<
Schlusswort
Nun, da ich meinen Bericht abschließe, kann ich es nur bedauern, dass ich so wenig befähigt bin, zur Erörterung so vieler strittiger Fragen, die heute noch ungelöst sind, beizutragen. In einer Beziehung werde ich ohne Zweifel Widerspruch hervorrufen. Mein eigentliches Wissensgebiet ist spekulative Philosophie. Meine Kenntnisse in vergleichender Physiologie beschränken sich nur auf ein paar Bücher; aber ich glaube, dass die Vermutungen Carvers in Bezug auf die Ursache des jähen Todes der Marsleute so wahrscheinlich sind, dass sie beinahe den Wert erwiesener Schlussfolgerungen besitzen. Ich habe von ihnen bereits im Lauf meines Berichtes gesprochen.
Das eine wenigstens steht fest, dass in keinem einzigen Körper der Marsleute, die nach dem Krieg untersucht wurden, andere Bakterien gefunden wurden, als diejenigen, deren irdische Herkunft zweifellos war. Die Tatsache, dass sie nicht einen ihrer Toten beerdigten, und die rücksichtslosen Schlächtereien, die sie veranstalteten, deuten gleichfalls darauf hin, dass der Vorgang der Fäulnis ihnen vollständig unbekannt war. Aber so wahrscheinlich sie sind, erwiesene Tatsachen sind diese Annahmen noch nicht.
Ebenso wenig ist die Zusammensetzung des schwarzen Rauches bekannt, dessen sich die Marsleute mit so furchtbarer Wirkung bedienten, und der Erzeuger des Hitzestrahls bleibt ein Rätsel. Die entsetzlichen Unglücksfälle in den Laboratorien von Ealing und South Kensington haben die Chemiker vor genaueren Untersuchungen des Hitzestrahls abgeschreckt. Die Spektralanalyse des schwarzen Pulvers deutet unverkennbar auf das Vorhandensein eines unbekannten Elements mit einer leuchtenden Gruppe dreier Linien in Grün hin; und es ist möglich, dass es sich mit Argon verbindet, um ein Gemenge zu bilden, das auf irgendeinen Bestandteil des Blutes eine unbedingt tödliche Wirkung ausübt. Aber diese unbewiesenen Mutmaßungen werden für den großen Leserkreis, an den dieser Bericht sich wendet, kaum von Interesse sein. Keine jener braunen Schlammmengen, die nach der Zerstörung Sheppertons die Themse hinabtrieben, wurden damals untersucht; und heute werden sie nicht mehr gefunden.
Die Ergebnisse einer anatomischen Prüfung der Marsleute, soweit die herumstreichenden Hunde eine solche Prüfung möglich machten, habe ich bereits mitgeteilt. Aber jedermann ist mit dem wunderbaren und fast unversehrten Exemplar vertraut, welches das naturhistorische Museum in Spiritus aufbewahrt hat, und mit den zahllosen Zeichnungen, die nach ihm angefertigt worden sind. Darüber hinaus aber gehört das Interesse an der Physiologie und dem Körperbau der Marsleute auf ein rein wissenschaftliches Gebiet.
Eine Frage von ernsterem und allgemeinerem Interesse aber ist die Möglichkeit eines zweiten Angriffs der Marsleute. Ich glaube nicht, dass dieser Seite der Frage nur halbwegs genügende Beachtung geschenkt wird. Gegenwärtig befindet sich der Planet Mars in der Konjunktion; aber mit jeder Rückkehr in die Opposition sehe ich für meinen Teil eine Wiederholung des Abenteuers voraus. Auf alle Fälle sollten wir vorbereitet sein. Es scheint mir doch sehr leicht möglich, die Lage des Geschützes, aus dem die Geschosse abgefeuert wurden, genau zu bestimmen, und eine ständige Bewachung dieses Teils des Planeten einzurichten und so die Möglichkeit eines zweiten Angriffs ins Auge zu fassen.
In diesem Fall könnte der Zylinder durch Dynamit oder mittels Artillerie zerstört werden, ehe er genügend abgekühlt wäre, um den Marsleuten das Verlassen des Zylinders zu ermöglichen; oder sie könnten mittels Geschützen sofort niedergemacht werden, sobald die Schraube zu Boden fiele. In meinen Augen haben die Marsleute dadurch, dass ihre erste Unternehmung fehlschlug, einen ungeheuren Vorteil eingebüßt. Vielleicht sehen sie es in demselben Lichte.
Lessing hat einige ausgezeichnete Gründe für die Annahme vorgebracht, dass es den Marsleuten tatsächlich gelungen sei, auf dem Planeten Venus eine Landung zu bewerkstelligen. Es sind jetzt sieben Monate her, dass Venus und Mars in einer Linie mit der Sonne sich befanden. Das will sagen: vom Standpunkt eines Beobachters auf der Venus befand sich der Mars in Opposition. In der Folge tauchte ein sonderbares leuchtendes und wellenförmiges Zeichen auf der unbeschienenen Hälfte des mittleren Planeten auf, und fast gleichzeitig wurde ein schwaches, dunkles Zeichen einer ähnlichen wellenförmigen Art auf einem Lichtbild der Marsscheibe wahrgenommen. Man muss die Zeichnungen dieser Erscheinungen sehen, um die bemerkenswerte Ähnlichkeit in der Beschaffenheit beider völlig zu würdigen.
Auf alle Fälle aber, ob wir nun einen zweiten Einfall erwarten können oder nicht, mussten unsere Begriffe von der Zukunft der Menschheit durch diese Ereignisse eine gewaltige Änderung erfahren. Wir sehen heute ein, dass wir unsern Stern durchaus nicht als einen gewissermaßen eingezäunten und sicheren Wohnort für die Menschheit betrachten können; wir können das ungesehene Heil oder Unheil, das unvermutet aus dem Weltenraum auf uns hereinbrechen kann, nie vorhersehen. Es mag sein, dass nach den gewaltigeren Plänen des Weltalls dieser Einfall vom Mars nicht ohne einen schließlichen Segen für die Menschheit stattgefunden hat. Er hat uns jener heiteren Vertrauensseligkeit in die Zukunft, welche die furchtbarste Quelle des Verfalles ist, beraubt; die Bereicherungen, die er der menschlichen Wissenschaft gebracht hat, sind unermesslich; und er hat viel dazu beigetragen, das Gefühl des Gemeinwohles der Menschheit zu befördern. Es mag sein, dass die Marsbewohner über die Unendlichkeit des Weltraumes hinüber das Schicksal ihrer ersten Boten beobachtet und sich daran eine Lehre genommen hatten, und dass ihnen der Planet Venus als eine sicherere Ansiedlung erschienen ist. Doch wie es auch immer sei, das eine steht fest, dass auf viele Jahre hinaus in dem Eifer, mit dem die Marsscheibe beobachtet wird, keine Erschlaffung eintreten wird. Und jene feurigen Geschosse des Himmels, die Sternschnuppen, werden in ihrem Niedergang für alle Erdenkinder stets und unausbleibliche ernste Mahnzeichen bedeuten.
Die Erweiterung des menschlichen Gesichtskreises, welche der Marseinfall zur Folge gehabt hat, kann kaum überschätzt werden. Ehe die Zylinder niederfielen, herrschte allgemein die Überzeugung, dass es in den ungeheuren Tiefen des Weltraumes außerhalb der winzigen Oberfläche unseres kleinen Sternes kein Leben gebe. Heute aber sehen wir