Die schlechteste Hausfrau der Welt. Jacinta Nandi
Читать онлайн книгу.Baby sieht so süß aus, wie ein Kaninchenfötus. Schleim überall auf dem Gesicht, und so zufrieden. Babys sehen so zufrieden aus, wenn sie schlafen. Ich würde ihn gerne einfach dort schlafen lassen und dann, denke ich, schlafen wir alle länger. Ich setze mich auf.
»Mein Gott«, sage ich. »Das Baby ist sechs Monate alt. Wie unabhängig kann ein sechs Monate altes Baby werden?«
»UND ICH MUSS ENDLICH MAL WIEDER GEBLASEN WERDEN!«, ruft er.
Ach, denke ich, ja, das stimmt, das musst du. Das Baby muss gewickelt werden und der Mann muss geblasen werden und die Wäsche gemacht werden und das Abendessen gekocht werden und der Boden gewischt werden und die Einkäufe erledigt werden und die Flaschen desinfiziert werden und die Kackwindeln runtergebracht werden und was muss die Frau? WAS MUSS DIE FRAU? WAS MUSS DIE FRAU? DIE FRAU MUSS EINFACH ALLES MACHEN!
»Bring ihn rüber«, sage ich. Auf dem Weg dahin wacht das Baby auf. Gah, gah, ruft er. SAVED BY THE BELL, denke ich. Oh Gott, wann bin ich so hässlich und anti-sex geworden, denke ich. Ach, sage ich mir dann, wer geblasen werden möchte, soll öfter abwaschen. Ich stehe auf, nehme meinem Freund das Baby ab. Schicke ihn zurück ins Bett und gucke dem Baby beim »Spielen« zu.
»Ich bin einfach zu müde für Blowjobs«, sage ich später am Tag zu meiner Freundin Tina. Sie ist vorbeigekommen, um mir Babykleidung zu bringen. Sie guckt mich ganz verwirrt an.
»Für was?«, fragt sie.
»Für Blowjobs«, sage ich. »Ich kann ficken, aber ich würde gerne lieber schlafen als ficken. Aber wenn jemand mich lecken würde und mich umarmen und küssen und vielleicht zuerst die Spülmaschine ausgeräumt hätte, dann, dann, dann würde ich richtig gerne ficken. Aber so ein echter Blowjob von Anfang bis Ende, wo ich den ganzen Tag nur Baby, Baby, Baby, Haushalt, Haushalt, Haushalt, Baby, Haushalt, Baby, Haushalt habe, und dann – BLOWJOB? Ich habe keinen Bock drauf. Baby, Baby, Baby, Haushalt, Haushalt, Haushalt, Baby, Haushalt, Baby, Haushalt, BLOWJOB. Der Blowjob kommt zu plötzlich ins Bild, finde ich.«
»Wovon redest du?«, fragt sie.
»Blowjobs«, sage ich. »Ficken, Blowjobs, Analverkehr. Ich bin zu müde für Analverkehr. Wenn das Baby schläft, muss ich die Küche aufräumen. Mein Freund beschwert sich immer, wenn alte Avocados auf dem Boden liegen. Woher soll ich die Energie nehmen, um sexy zu sein? Ich bin überhaupt nicht sexy. Ich bin … ich bin … ich bin … ich bin nur noch eine Frau-Maschine.«
»Ich habe vergessen, was Blowjobs überhaupt sind«, sagt Tina. »Wir haben nicht gefickt seit …« Sie guckt beschämt auf den Boden. »Ich glaube, wir haben nicht gefickt, seit Trumps erster Muslim-Ban gekippt wurde.«
Das Baby versucht zu krabbeln. Es macht so einen Downward Dog wie im Yoga, auf seinen Händen und seinen Füßen. Er steht sogar auf Zehenspitzen. Dann bewegt er seinen Po rauf und runter. Er sieht dabei aus wie ein Flaschengeist aus einem britischen Kindertheaterstück.
»Gott, dein Baby sieht süß aus!«, sagt Tina. »Wie ein Wombat, oder?«
Ihre Kleinkindtochter versucht, ihre Hände in die Augen des Babys zu stecken.
»Finger weg!«, ruft Tina.
Jetzt liegt das Baby auf der Seite. Es versucht, sich hinzusetzen.
»Er versucht, sich hinzusetzen«, sage ich. »Er will unabhängig werden.«
Mein unabhängiges Baby. Ich bin voll süchtig nach ihm. Für mich ist er wie Heroin, jedes Mal, wenn ich ihn umarme oder er mich anlächelt, schießt diese tiefe Freude durch meinen Körper und ich vergesse all die Probleme, die dieses kleine selbstzufriedene Arschloch mir verursacht hat.
How To Clean A Pushchair
Mein Freund ist zickig, denke ich.
Er zickt immer. Er zickt. Er zickt voll rum.
Das ist das Problem zwischen uns, das ist der Grund, weshalb alles nicht klappt: weil er zickig ist.
Warum habe ich so lange gebraucht, um das zu checken? Ich weiß warum: Normalerweise ist die Zicke die Frau, die Frau bei Columbo, die ältere Frau, ohne Geld, ohne Macht, der Mann geht immer fremd, sie zickt aus Verzweiflung, aus Hoffnungslosigkeit, aus Hilflosigkeit. Normalerweise zicken nur Frauen: Frauen, die sich nicht respektiert fühlen, Frauen, die so aufs Sofa achten wie mein Freund, dass es nur keine Flecken kriegt.
Aber bei uns ist mein Freund die Zicke. Einfach: zicken, zicken, zicken, sich beschweren, sich beschweren, sich beschweren, Kritik, Kritik, Kritik. Es hagelt Kritik, er ist eine Zicke.
»Der Kinderwagen ist so schmutzig, dass es mir peinlich ist, aber wenn ich dir das sage, rastest du wahrscheinlich aus«, sagt er.
»Nee«, sage ich. »Kannst ja selber putzen, wenn es dich so stört.«
»Ist es dir nicht peinlich?«, fragt er.
Ich zucke mit den Schultern.
»Manchmal«, sage ich.
»Siehst du jemals andere Kinderwagen, die so schmutzig aussehen?«, fragt er.
»Ich gucke mir andere Kinderwagen nicht an«, sage ich. »Aber wenn ich es doch tue, ist es mir schon ein bisschen peinlich.«
Ich hasse es, das zuzugeben, aber in Wahrheit ist mir der Kinderwagen schon peinlich, wenn ich merke, dass er schmutzig ist. Neulich habe ich ihn im Eingang vom Kaufland stehengelassen – und der Kinderwagen daneben war auch von Hauck, nur nicht so schmutzig.
»Ist echt eklig«, sagt mein Freund.
»Ach«, sage ich. »Wenn er soooooooo schmutzig ist, dann putz ihn doch!«
»Mache ich dauernd«, sagt er. »Aber ich erwarte ab jetzt, dass du dich auch ein bisschen drum kümmerst. Und vielleicht sollte Baby Leo nicht mehr im Kinderwagen essen dürfen? Aber ich will nichts sagen, worüber du dich aufregst.«
Ich sage nichts.
»Zumindest kein Eis«, sagt er.
Zickig, denke ich. Komisch, dass er denkt, ich würde mich aufregen. Ich rege mich nie auf – ich explodiere alle zwei Monate und schreie ihm ins Gesicht, das ja. Aber er zickt. Er ist zickig. Und dieser Gedanke entspannt mich ein bisschen. Er hat übrigens auch recht, unser Kinderwagen ist super peinlich und eklig und Baby Leo sollte kein Eis mehr im Kinderwagen essen.
Mein Freund fährt am Wochenende weg, ich vermisse ihn gar nicht, wenn er wegfährt. Deswegen habe ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen, aber wer vermisst eine Zicke? Aber weil es mein eigentliches Ziel ist, dass er irgendwann mal mit mir zufrieden ist, dass er irgendwann mal glücklich wird und nicht mehr zickt und wir miteinander in Frieden leben können, google ich, sobald er weg ist, HOW TO CLEAN A PUSHCHAIR.
Ist eigentlich super simpel: man mischt ein Rezept zusammen, wie eine altmodische Apothekerin oder vielleicht eine Hexe, mit Natron und Essig. Dann schmierst du das in deinen Kinderwagen, lässt ihn einweichen für 12 Stunden und musst viel Zeitungspapier drunterlegen, wenn du nicht willst, dass der Boden Schaden nimmt. Also mische ich meine Mischung, schmiere den Kinderwagen damit voll, lasse einweichen und lege Zeitungspapier darunter.
Am nächsten Morgen ist der Kinderwagen so gut wie neu – und der Boden dekoriert mit hässlichen schwarzen Flecken. Ich rufe meine Freundin Tanja in Hamburg an und sie erklärt mir, ganz schnell aber deutlich, dass ich im Grunde genommen hausgemachte Säure produziert habe und damit die Oberfläche des Holzbodens permanent beschädigt habe.
Ich heule so laut, dass Baby Leo Angst bekommt und Tanja versucht, mich zu beruhigen.
»Er wird soooooooooo wütend sein!«, rufe ich. »Wenn ich daran denke, will ich meine Haut mit dieser Scheißsäure wegbrennen von meinem Leib, ich will seine kalten wütenden Augen nicht sehen, wenn er den Boden entdeckt.«
»Weine doch nicht so wegen so was«, sagt Tanja.
Ich schluchze.
»Ich weiß nicht«, sagt sie. »Jacinta, ich