Die schlechteste Hausfrau der Welt. Jacinta Nandi
Читать онлайн книгу.zu zeichnen, auf dem Bürgersteig.
Das Baby bleibt stehen, um ein Auto anzulecken. Langsam fange ich an, mein Verständnis für die Aktionen meines Babys zu verlieren. Stell dir vor, du bist ein Baby, du würdest doch kein Auto anlecken, oder, sie sehen doch gar nicht lecker aus? Ist doch bescheuert, dieses Baby. »Leck nicht an Autos!«, sage ich. »Sie sind nicht lecker.« Zwei Hipster laden Pappkisten aus einem Auto, das Baby klettert rein. Sie fragen mich, ob es Süßigkeiten haben darf, ich sage, eigentlich nein, aber kann ich vielleicht eine kriegen, wir laufen jetzt seit 39 Minuten. Ich hole das Baby raus aus dem Auto. Das Baby findet jetzt mehr Müll – einen alten blutigen Tampon, es guckt sich das interessiert an, jetzt kann ich es wieder verstehen, es ist immer so interessant, wenn blutige Tampons den Weg in die Öffentlichkeit finden: Was ist da passiert, in welcher Eile muss man sein, um seinen Tampon auf der Einkaufsstraße zu wechseln? Ich nehme dem Baby den Tampon ab und schmeiße ihn hinter ihm weg.
»Iiiiiiih«, sage ich, und hoffe, dass er später nicht frauenfeindlich wird, weil ich ihm beigebracht habe, dass Menstruationsblut eklig ist.
Mein Telefon klingelt, ich wende meine Augen für drei Sekunden weg vom Baby und dann … IST ES WEG! DAS BABY IST WEG! ICH SCHREIE UND SCHREIE, KALTE KALTE PANIK, WO IST ER, IST ER AUF DER STRASSE? ER IST TOT, WO IST DAS BABY? HAT EIN HUND IHN GEFRESSEN? Die Hipster zeigen mir, dass er sich unter einem Speisekartenaufsteller versteckt hat, und ich hole ihn raus und trage ihn wie schwere Kartoffeln zu Kaufland. Und das war das Interessanteste, was mir heute passiert ist.
Viel seufzen!
Ich sitze mit zwei Freundinnen zusammen – einer deutschen Feministin und einer britischen Zwangsfeministin. »Ich habe mir dieses feministische Leben nicht freiwillig ausgesucht«, hat meine britische Freundin mal gesagt. »Berlin – und Berlins Männer – haben mich dazu gezwungen, Feministin zu werden.«
Wir reden über meinen Freund, der findet, dass ich zu chaotisch bin, und der nicht vorhat, im Haushalt mitzuhelfen. Ich verstehe es einfach nicht.
»Ich verstehe es einfach nicht«, sage ich. »Wenn ich zu Hause bin mit dem Kind, versuche ich, die Wohnung sauber zu halten. Ich mache es nicht gut, aber ich versuche es. Aber er findet, sie ist nicht sauber genug. Ich soll mir mehr Mühe geben. Aber wenn er alleine zu Hause ist mit dem Kind, dann versucht er es gar nicht mal. Er passt nur auf das Kind auf. Lässt alles andere liegen. Es ist genauso anstrengend für mich, auf das Kind aufzupassen, wie für ihn. Oder? Aber er ist trotzdem sauer auf mich, dass ich schlecht im Putzen bin. Macht das irgendeinen Sinn? Versteht ihr das?«
»Nee«, sagt meine deutsche Freundin.
»Er findet, ich soll nebenbei putzen. Aber wie denn, wann denn?« Ich seufze.
Die Wahrheit ist, ich versuche es. Stehe jeden Tag auf und mache sofort die Waschmaschine an. Höre Clutterbug-Podcasts oder Dokus über die Tudors, während ich putze. Versuche, nicht nur zu putzen, sondern auch Ordnung zu schaffen. Aber das ist schwer mit einem Kleinkind. Manchmal bist du gerade dabei, die Bücher wieder einzusortieren in ein Bücherregal – und guckst kurz wieder auf von den Büchern, die du gerade sortierst, und da siehst du, das Kind sortiert genauso eifrig wie du die Bücher aus dem nächsten Bücherregal wieder raus. Auf den Boden. Du guckst das Kind an und seufzt enttäuscht. Das Kind hält mit dir Augenkontakt und lächelt stolz. Es glaubt, dass es mithilft, merkst du plötzlich. Kleinkinder helfen gerne mit im Haushalt. Das ist die gute Nachricht. Ihre Hilfe ist nur nicht sehr hilfreich. Das ist die schlechte.
»Hat er das gesagt?«, fragt meine Freundin. »Dass du schlecht im Putzen bist, hat er das direkt gesagt?«
»Na ja. Er hat gesagt, er fühle sich unwohl in der Wohnung, weil es hier versifft ist. Das Sofa ist versifft, der Balkon. Ich soll weniger kochen und mehr putzen. Aber warum macht er nicht ab und zu selbst sauber?«
»Weil er findet, dass du das machen sollst. Dafür bist du da, denkt er.« Meine deutsche Freundin stöhnt genervt.
»Er sagt, er ist ein Professor und würde deswegen nicht staubsaugen. ›Ich bin ein Professor, ich sage dir eins, ich werde nicht staubsaugen.‹ Ich weiß nicht, was er glaubt, glaubt er, wenn du mit einem Professor zusammen bist, bist du darauf so stolz, dass du im Schlaf staubsaugen kannst? Ist es nicht genauso schwer für mich zu staubsaugen wie für ihn? Ich versuche, das alles hinzukriegen, aber ich bin fast immer ganz alleine mit dem Baby und ich habe oft andere Sachen zu tun, die wichtiger sind. Warum versteht er das nicht? Warum tut er so, als ob ich Putzmittel kacken würde und nur ohne Höschen rumlaufen und alles mit meinem eigenen Durchfall zuspritzen müsste – und dann wäre die Wohnung sauber? Warum denkt er, für mich sei es so leicht zu putzen, aber für ihn so schwer?«
»Er denkt nicht, dass es zu schwer ist für ihn«, sagt meine deutsche Freundin. »Er denkt, er ist zu gut zum Putzen. Ey, Jacinta, ich bin gerade so deprimiert. Du bist Missy-Feministin! Wenn du es nicht hinkriegst, dass ein Mann 50% im Haushalt macht, dann sind wir alle am Arsch.«
»Wenn du ihn glücklich machen willst, erwartest du nicht mehr, dass er mithilft«, sagt meine britische Freundin jetzt. »Steh früher auf. Putze, wenn er ins Bett gegangen ist. Wann stehst du auf?«
»Um sieben«, sage ich.
»Dann steh um sechs auf. Putze jeden Vormittag zwei Stunden und jeden Abend zwei Stunden. Hör auf, ihn aus ideologischen Ideen von Gleichheit und so weiter zum Putzen zwingen zu wollen.«
»Es sind keine ideologischen Gründe«, sage ich, »sondern die Zeit reicht einfach nicht dafür, dass eine Person alles macht und es sauber wird.«
»Euer Streit geht nicht ums Putzen«, sagt die Britin. »Das Putzen ist nur symbolisch. Es ist eine Metapher.«
Ich weiß nicht. Wenn eine Person früher aufstehen muss, um zu putzen, während der andere weiterschläft, fühlt es sich, ehrlich gesagt, nicht sehr metaphorisch an. Es fühlt sich einfach tatsächlich erschöpfend an.
»Er hat ganz klar gesagt, er ist nicht bereit, Hausarbeit zu machen«, sagt sie. »Hör auf ihn – sonst verlierst du ihn!«
Ich seufze. Die Wahrheit ist, ich, Jacinta Nandi, die Missy-Feministin, habe schon längst aufgegeben zu hoffen, mein Partner würde 50% im Haushalt mitmachen. 40% wäre schön, sogar 30% wäre besser als jetzt. Ich habe das aufgegeben. Ich will nur, dass er nicht sauer ist auf mich, weil ich nicht gut genug mache, was er selbst gar nicht macht! Ist das zu viel verlangt? Offensichtlich ja.
»Ich erwarte schon jetzt kaum was«, sage ich, »Manchmal geht er einkaufen, und sogar dann packe ich die Sachen weg und bedanke mich so, als ob er mir goldenen Schmuck aus dem Urlaub mitgebracht hätte.«
Wahrscheinlich, denke ich, ist es leichter, alleinerziehend zu sein, als meinen Freund zu überreden, im Haushalt mitzuhelfen.
Der Staubsauger
Ich habe ein neues Programm, mit dem ich es schaffen werde, dass mein Freund mich nicht mehr zusammenscheißt wegen dem Putzen (oder besser gesagt, wegen dem Nicht-Putzen oder Schlecht-Putzen). Ich habe was von Clutterbug geklaut. Clutterbug ist toll – sie ist Marie Kondo für Schlampen. Sie hat es von irgendeinem Typen geklaut. Es heißt Miracle Morning Routine.
5.00 Uhr: aufstehen, L-Thyroxin nehmen (Scheiß-Schilddrüse)
5.05 Uhr: Tagebuch schreiben
5.35 Uhr: Meditieren
6.00 Uhr: Fitness
6.20 Uhr: Ryan wecken
6.21 Uhr: Speedcleaning
Zwischen 6.21 und 7 Uhr früh speedcleane ich die ganze Wohnung (dort, wo niemand schläft). Nachdem ich Baby Leo um 7 Uhr geweckt habe, stelle ich die Waschmaschine an. Wenn Baby Leo wieder schläft, speedcleane ich den ganzen Rest der Wohnung – nur 30 Minuten lang! Und schalte noch eine Waschmaschine an. Und jeden Tag, während Baby Leo sich mit Spielen oder Büchern oder so was beschäftigt, werde ich einen anderen Bereich der Wohnung deepcleanen:
MONTAG: