BAT Boy. C. A. Raaven

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BAT Boy - C. A. Raaven


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sondern ‘Avez-vous compris’.«

      Stille lastete schwer auf der ganzen Sporthalle während der Lehrer den strammstehenden Lucas mit einer Mischung aus Verwunderung und Wut anstarrte.

      »Findest dit wohl lustich, wa?«, knurrte Brecher. »Na denn wolln wa ma sehn, ob de dit jetz ooch noch lustich findest. Ihr da!« Er drehte sich zu dem Ende der Reihe um, das sich am nächsten zu den Geräteräumen befand. »Holt drei Matten, ein Pferd und ein Sprungbrett. Zack-Zack!«

      Schweigend machten sich die Angesprochenen an die Arbeit. Die anderen Schüler waren inzwischen ein Stück von Lucas abgerückt und musterten ihn mit einer Mischung aus Bewunderung und Mitleid. Er selbst wusste gar nicht so recht, wie er sich fühlen sollte. In ihm herrschte eine große Leere. Was würde das jetzt wohl werden? Jedenfalls bestimmt kein Spaß – soviel stand fest. Brecher wollte hier an ihm ein Exempel statuieren, um seine Autorität von vornherein klarzustellen. Er war zu den Schülern, die die Geräte holten, hinübergegangen und dirigierte sie mit fuchtelnden Händen. Als sie fertig waren, drehte sich Brecher mit einem niederträchtigen Grinsen zu Lucas um.

      »So, Schlaumeier. Jetz will ick ma sehn, ob du ooch noch wat anderet bewegen kannst, als dein Mundwerk. Anlauf nehmen und rüber über det Ding!« Er zeigte auf das Pferd, das längs aufgestellt worden war. »Und keene Angst mein Kleener. Wennde uff die Schnauze fliechst, denn helf ick dir.«

      Lucas sah sich in der Halle um. Überall standen seine Klassenkameraden möglichst unauffällig in der Gegend herum. Keine Frage, die Ansage von Brecher hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Mit zitternden Knien, aber äußerlich doch bemüht, sich davon möglichst wenig anmerken zu lassen, trottete Lucas zum Anlaufpunkt und stellte sich auf. Er wagte noch einen vorsichtigen Blick in die Runde, aber niemand traute sich, ihm zu begegnen. Lucas zuckte mit den Schultern. Das war es nun also: Seine erste Sportstunde an dieser Schule würde wohl damit enden, dass er von einem zufrieden schmunzelnden Karl Brecher an die Mannschaft eines Rettungswagens übergeben würde.

      »Ick hab noch jesacht: Mach det nich. Aber denkense der hat uff mich jehört?«, klang Brechers Stimme in Lucas‘ Gedanken, und das grinsende Gesicht schaute in falscher Anteilnahme auf ihn hinab.

      Mit einem Mal änderte sich etwas. Lucas konnte nicht genau sagen, was mit ihm vorging, aber irgendwas ging vor. Sein Herz, das ohnehin schon einen wilden Tanz in seiner Brust aufgeführt hatte, fühlte sich nun an, als ob es sich dazu entschieden hätte, seinen Brustkorb zu zertrümmern, um dem feixenden Brecher ins Gesicht zu springen. Lucas hatte das Gefühl, dass sich alle Muskeln fast bis zum Zerreißen spannten. Eine Wut stieg in ihm auf und füllte sein ganzes Bewusstsein aus. Dieser Typ – Lehrer oder nicht – sollte ihm nicht den Tag verderben. Er hatte Besseres zu tun als sich hier von diesem Möchtegern-Gott vorführen zu lassen! Er musste sich heute noch mit Neumann treffen, um endlich Klarheit in all die Fragen zu bringen, die ihn die ganze Zeit seit ihrem letzten Gespräch umtrieben.

      Ohne es selbst richtig zu merken, sprintete Lucas mit einer Vehemenz los, die einige nahe bei ihm stehenden Schüler zusammenzucken ließ. Er rannte auf das Sprungbrett zu. Dabei hatte er das Gefühl, dass sich sein ganzes Leben quasi auf diesen rechteckigen Punkt vor ihm auf dem Boden fokussierte. Seine Füße hämmerten auf den Boden der Turnhalle, immer schneller, immer schneller. Als er das Brett erreichte, sprang er ab und – Dunkelheit umfing ihn.

      Lucas erschrak. Er wollte aufschreien, aber er brachte keinen Ton heraus. Tatsächlich konnte er weder sich noch irgendjemand anderen hören.

      War’s das jetzt?, fragte er sich still, während er das Gefühl hatte, endlos durch leeren Raum zu schweben. Bin ich etwa tot?

      Aber bevor Lucas die Möglichkeit hatte sich eine Antwort auf diese Frage zu überlegen, drang plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm an seine Ohren. Einerseits war er erneut erschrocken über diesen Lärm. Andererseits war er aber auch froh über die Tatsache, dass er offensichtlich doch noch am Leben zu sein schien. Er drehte den Kopf und stellte wiederum erstaunt fest, dass er auch wieder etwas sehen konnte. All seine Mitschüler stürmten jubelnd auf ihn ein, klopften ihm auf die Schulter und schüttelten ihm die Hände.

      Lucas blickte verständnislos in die Runde.

      Andi, der grinsend wie ein Honigkuchenpferd vor ihm stand, rief: »Mann, das war echt abgefahren. Wo hast du das denn gelernt?«

      »Was gelernt? Ich meine was ...«, stammelte Lucas zurück.

      »Na den Stunt, den du da eben hingelegt hast. Muss so was wie‘n Doppelsalto oder so gewesen sein. Weiß nich, war irre schnell«, antwortete Andi.

      Lucas wandte sich um und stellte fest, dass er auf der anderen Seite des Pferdes stand. Irgendwie musste er also tatsächlich da rüber gekommen sein.

      »Keine Ahnung«, grinste er zu Andi. »Ich hab einfach ...«

      »Darf man die Mädels ma störn?«, hörte Lucas die Stimme von Brecher hinter sich.

      Diesmal brüllte er nicht, aber in der Stimme lag ein Unterton, der es Lucas eiskalt den Rücken hinunterlaufen ließ.

      »Ick wollte nur unserm Turner-As zu seiner Leistung gratulieren«, fügte er hinzu. Dabei streckte er Lucas seine Hand hin.

      Lucas ergriff sie und dann drückte Brecher mit einer Kraft zu, die Lucas‘ Knochen knirschen ließ. Diesem schossen vor Schmerz sofort Tränen in die Augen, aber Brecher ließ nicht los. Zwischen seinen grinsend gebleckten Zähnen zischte er Lucas zu, sodass nur er es hören konnte: »Na warte, Freundchen. Det machste nich noch mal mit mir.« Und dann an alle gewandt fügte er hinzu: »Bravo, bist‘n Juter. Sehter Leute, sowat könnt ihr ooch jerne ma machen, wenn euch nach Quatschen oder so is. Vielleicht ham wa hier inner Klasse noch mehr Sportskanonen.«

      Dann ließ er Lucas‘ Hand los und blickte auf die Uhr. »Schade, det hat jetz allet leider‘n bisschen lange jedauert. Nu bleibt uns bloß noch Zeit, ne Runde zu laufen. Zwanzig Minuten ab jetz und uff jeder zweiten Gerade einen Sprint!«, bellte er.

      Das Gesumme der Stimmen, das eben noch ertönt war, erstarb schlagartig, als Lucas‘ Mitschüler die letzten Worte hörten. Mit hängendem Kopf reihte sich Lucas schweigend in die Reihe der anderen ein und fing an zu laufen. Als sie nach der Stunde im Umkleideraum ihre Sachen zusammenpackten, fragte er sich, ob er sich jemals schon so fertig gefühlt hatte.

      Dann trat einer seiner Klassenkameraden an ihn heran und sagte immer noch mit hochrotem Kopf: »Tu uns allen den Gefallen und halt deine Zunge in Zukunft in Zaum. Auf so ne Aktion hab ich nicht so bald wieder Bock.«

      Lucas blickte in die Runde. Er stellte fest, dass ihn fast alle mit Blicken ansahen, die ungefähr das aussagten, was der Junge eben angesprochen hatte. Nur Andi und Erik zuckten mit den Schultern und versuchten zu grinsen. Lucas beschloss, sich die Bitte zu Herzen zu nehmen. Im Grunde genommen hatte er ja selbst keine Lust darauf, von Brecher drangsaliert zu werden. Wer wusste schon, was der sich beim nächsten Mal einfallen lassen würde.

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