Der Trotzkopf. Emmy von Rhoden

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Der Trotzkopf - Emmy von Rhoden


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als sie die neue Pensionärin, von der sie wußten, daß sie heute ankommen werde, erblickten, und aller Augen richteten sich auf Ilse, der es plötzlich höchst beklommen zu Mute wurde. Es schien ihr, als höre sie verstecktes Kichern hinter sich und sie war herzlich froh, als die Thür in dem Empfangszimmer sich hinter ihr schloß. Noch war dasselbe leer.

      Ilse blickte sich um, und in diesem großen, vornehmen Raume, der künstlerisch und elegant zugleich eingerichtet war, stieg mit einem Male ein etwas banges Gefühl in ihr auf wegen Bob, sie wünschte fast, des Vaters Willen gefolgt zu sein. Hätte sie den Hund in ihrem Arme plötzlich unsichtbar machen können, sie hätte es gethan. Nun wollte der Unartige auch noch herunter auf den Boden, und diesen Wunsch konnte sie ihm doch unmöglich erfüllen, wie hätte sie wagen dürfen, ihn auf den kostbaren Teppich, der durch das Zimmer gebreitet lag, herab zu lassen!

      Die Thür öffnete sich und Fräulein Raimar trat ein. Sie begrüßte Herrn Macket mit steifer Freundlichkeit, dann blickte sie mit ihren stahlgrauen Augen, die einen zwar strengen, ernsten, trotzdem aber gewinnenden Ausdruck hatten, auf Ilse. Diese war dicht an den Vater getreten und hatte seine Hand ergriffen.

      "Sei willkommen, mein Kind!" Mit diesen Worten begrüßte die Vorsteherin Ilse und reichte ihr die Hand. "Ich denke, du wirst dich bald bei uns heimisch fühlen." Als sie den Hund sah, fragte sie: "Hat dich dein Hund bis hierher begleitet?"

      Ilse blickte etwas hilflos den Papa an, der dann auch für sie das Wort nahm. "Sie mochte sich nicht von ihm trennen, Fräulein Raimar," sagte er etwas verlegen, "sie glaubte, daß Sie die Güte haben würden, ihren kleinen Kameraden mit ihr aufzunehmen."

      Das Fräulein lächelte. Es war das erste Mal, daß man ihr eine solche Zumutung machte. "Es thut mir leid, Herr Oberamtmann," sagte sie, "daß ich den ersten Wunsch Ilses rücksichtslos abschlagen muß. Sie wird verständig sein und einsehen, daß ich nicht anders handeln kann. Stelle dir einmal vor, liebes Kind, wenn alle meine Pensionärinnen den gleichen Wunsch hätten, dann würden zweiundzwanzig Hunde im Institute sein. Welch ein Spektakel würde das geben! Möchtest du das Tier gern in deiner Nähe behalten, so wüßte ich einen Ausweg. Mein Bruder, der Bürgermeister hier, wird deinen Hund gewiß aufnehmen, wenn ich ihn darum bitte; dann kannst du täglich deinen Liebling sehen."

      Ilse war rot geworden und dicke Thränen perlten in ihren Augen. "Dann bleibe ich auch nicht hier!" – sie wollte es eben aussprechen, aber sie wagte es nicht. Die Dame vor ihr hatte so etwas Unnahbares, Vornehmes in ihrem Wesen. Wie eine Fürstin erschien sie ihr trotz des schlichten, grauen Kleides, dessen kleiner Stehkragen am Halse mit einer einfachen goldenen Nadel zusammengehalten wurde. Ilse senkte den Blick und schwieg.

      Der Oberamtmann lachte. "Sie haben recht, Fräulein," sagte er, "und wir hätten das selbst vorher bedenken können. Ihre große Güte, den Hund bei Ihrem Herrn Bruder unterzubringen, wird Ilse mit vielem Danke annehmen, nicht wahr?"

      Sie schüttelte den Kopf. "Fremde Leute sollen Bob nicht haben, Papa, du nimmst ihn wieder mit nach Moosdorf."

      Herr Macket schämte sich der Antwort seines Kindes, aber Fräulein Raimar überhob ihn geschickt seiner Verlegenheit. Mit ihrem erfahrenen Sinne hatte sie sofort das Trotzköpfchen vor sich erkannt. Sie that, als merkte sie Ilses Unart nicht.

      "Du hast ganz recht," sagte sie freundlich, "es ist das beste, der Papa nimmt das Tier wieder mit in die Heimat. Du würdest durch dasselbe vielleicht doch mehr zerstreut, als mir lieb wäre. Soll die Magd den Hund in das Hotel zurücktragen, wo Sie abgestiegen sind, Herr Oberamtmann?"

      "Ich will ihn selbst dorthin tragen, nicht wahr, Papachen?" fragte Ilse und hielt Bob ängstlich fest.

      "Ich wünsche nicht, daß du es thust, liebe Ilse," wandte Fräulein Raimar ein. "Ich möchte dich gleich zu Mittag hier behalten, um dich den übrigen Pensionärinnen vorzustellen. Ich halte es so für das beste. Es thut nicht gut, Herr Oberamtmann, wenn ein Kind, sobald der Vater oder die Mutter es mir übergeben haben, noch einmal mit ihnen zurückkehrt in das Hotel. Der Abschied wird ihm weit schwerer gemacht."

      "Nein, nein!" rief Ilse zitternd vor Aufregung, "ich bleibe nicht gleich hier! Ich will mit meinem Papa so lange zusammen sein, bis er abreist. Du nimmst mich mit dir, nicht, Papa?"

      Es wurde Herrn Macket heiß und kalt bei ihrem Ungestüm, indes auch diesmal half ihm Fräulein Raimar über die peinliche Lage hinweg.

      "Gewiß, mein Kind," entgegnete sie mit Ruhe, "dein Wunsch soll dir erfüllt werden. Darf ich Sie bitten, Herr Oberamtmann, heute mittag mein Gast zu sein? Sie würden mich sehr erfreuen."

      Ilse warf ihrem Papa einen flehenden Blick zu, der ungefähr ausdrücken sollte: "Bleib’ nicht hier, nimm mich mit fort! Ich mag nicht hier bleiben bei dem bösen Fräulein, das mich schlecht behandeln wird!" Leider verstand er den Blick anders, er hielt ihn für eine stumme Bitte, die Einladung anzunehmen und sagte zu.

      Die Vorsteherin erhob sich und zog an einer Klingelschnur. Der eintretenden Magd trug sie auf, Fräulein Güssow zu rufen. Wenige Augenblicke darauf trat dieselbe in das Zimmer.

      Die Gerufene war die erste Lehrerin im Institute und wohnte daselbst. Weit jünger als die Vorsteherin, war sie eine höchst anmutige, liebenswürdige Erscheinung von sechsundzwanzig Jahren. Sämtliche Tagesschülerinnen und besonders die Pensionärinnen schwärmten für sie, sie verstand es, durch gleichmäßige Güte sich die jungen Herzen zu gewinnen.

      "Wollen Sie die Güte haben, Ilse auf ihr Zimmer zu geleiten," sagte die Vorsteherin, nachdem sie die junge Lehrerin vorgestellt hatte, "damit sie dort ihren Hut ablegen kann."

      "Gern," erwiderte die Angeredete und trat auf Ilse zu. "Komm, liebes Kind," sagte sie freundlich und ergriff sie bei der Hand, "jetzt werde ich dir zeigen, wo du schläfst. O, du hast ein schönes, großes Zimmer; aber du wohnst nicht allein dort. Ellinor Grey wird deine Stubengenossin sein. Sie ist ein liebes Mädchen. Du möchtest gern gleich mit ihr bekannt werden, nicht wahr?"

      Ilse überhörte die Frage. Mit scheuen, ängstlichen Augen sah sie den Vater an und fragte: "Du gehst doch nicht fort, Papa?" Als er sie darüber beruhigte, folgte sie Fräulein Güssow.

      "Aber den Hund mußt du wohl hier lassen, du kannst ihn doch nicht mit hinauf in dein Zimmer nehmen," sagte Fräulein Raimar. "Du kannst ihn draußen der Magd übergeben, damit sie ihn so lange in Verwahrung nimmt."

      Fräulein Güssow dachte weniger streng als die Vorsteherin. Sie fand es nicht so schlimm, wenn Ilse ihren Hund im Arme behielt.

      "Hast du ihn so sehr gern?" fragte sie, als sie mit dem jungen Mädchen den Korridor entlangging.

      "Ja," entgegnete Ilse, "sehr, sehr lieb habe ich Bob. Und ich darf ihn nicht hier behalten."

      Sie legte ihre Wange auf des Hundes Kopf und kämpfte mit dem Weinen.

      "Gräme dich nicht darum, Kind," tröstete Fräulein Güssow, "das ist nicht so schlimm. Du findest hier viel etwas Besseres. Du sollst einmal sehen, wie bald du den Bob vergessen haben wirst. Wir haben zweiundzwanzig Pensionärinnen jetzt im Institute, du wirst manche liebe Freundin unter ihnen finden. Hast du Geschwister?"

      "Nein," sagte Ilse, die ganz zutraulich gegen Fräulein Güssow wurde, "ich bin allein."

      "Nun, siehst du! Da kann ich mir deine Liebe zu dem unvernünftigen Tiere erklären, dir fehlten die Gespielinnen. Gieb deinen Hund getrost dem Papa wieder mit zurück, du wirst ihn nicht vermissen."

      Sie stiegen eine Treppe hinauf und kamen auf einen großen, hellen Vorsaal, auf welchem eine Anzahl Thüren mündeten. Eine derselben öffnete die Lehrerin, und sie traten in ein geräumiges Zimmer ein, das nach dem Garten führte. Die Fenster waren geöffnet und ein mächtiger Apfelbaum streckte seine Zweige fast zum Fenster hinein.

      Die Einrichtung war nicht elegant, nur das


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