Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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Uni­ver­sal­bil­dung be­sitzt! Bei ihm schließt Viel­sei­tig­keit nicht Tie­fe aus; was er weiß, weiß er gründ­lich; und wie er­fin­de­risch ist er in Ge­schäfts­din­gen. Er ist das große Licht, das al­len Bör­sen­spe­ku­lan­ten vor­an­leuch­tet, die kein Ding un­ter­neh­men, ehe Pal­ma es ge­prüft hat. Er horcht, stu­diert, über­legt und sagt zu sei­nem Ge­gen­über, das, da es ihn so auf­merk­sam sieht, schon ver­meint, ihn am Gän­gel­band zu ha­ben: ›Das paßt mir nicht.‹ Was ich am son­der­bars­ten fin­de, ist, daß er zehn Jah­re lang mit Wer­brust as­so­zi­iert ge­we­sen, ohne daß sich je­mals eine Wol­ke zwi­schen ih­nen er­ho­ben hät­te.«

      »Das kann sich nur zwi­schen sehr star­ken oder sehr schwa­chen Men­schen er­eig­nen. Da wird je­des Vor­komm­nis zum Streit­ob­jekt und zei­tigt un­ver­söhn­li­che Feind­schaft,« sagt Cou­ture. »Ihr be­greift,« fuhr Bi­xiou fort, »daß Nu­cin­gen schlau­er­wei­se von ge­schick­ter Hand in die Ko­lon­ne der Bör­sia­ner eine Gra­na­te schleu­dern ließ, die ge­gen vier Uhr zum Plat­zen kam. ›Wis­sen Sie die be­denk­li­che Neu­ig­keit?‹ sag­te du Til­let zu Wer­brust, in­dem er ihn in einen Win­kel zog. ›Nu­cin­gen ist in Brüs­sel, sei­ne Frau hat beim Ge­richt eine Ein­ga­be um Gü­ter­tren­nung ge­macht.‹ ›Sind Sie sein Kom­pa­gnon bei der Li­qui­da­ti­on?‹ frag­te Wer­brust lä­chelnd. ›Kei­ne Spä­ße, Wer­brust‹ sag­te du Til­let. ›Sie ken­nen die Leu­te, die Pa­pie­re von ihm ha­ben; hö­ren Sie zu, wir kön­nen da ein Ge­schäft ma­chen! Die Ak­ti­en un­se­rer neu­en Ge­sell­schaft brin­gen zwan­zig Pro­zent, Ende des Quar­tals wer­den sie fünf­und­zwan­zig brin­gen. Sie wis­sen wes­halb; man ver­teilt eine glän­zen­de Di­vi­den­de.‹ ›P­fif­fi­kus!‹ sag­te Wer­brust, ›nur zu, re­den Sie nur wei­ter! Sie sind ein Teu­fel mit lan­gen, spit­zen Kral­len und – tau­chen sie in But­ter!‹ ›A­ber las­sen Sie mich doch aus­re­den, oder wir ha­ben kei­ne Zeit mehr zum Han­deln! So­eben, als ich die Neu­ig­keit er­fuhr, kam mir ein Ge­dan­ke, und ich habe tat­säch­lich Frau von Nu­cin­gen in Trä­nen ge­se­hen; sie hat Angst um ihr Ver­mö­gen.‹ ›Ar­me Klei­ne!‹ sag­te Wer­brust iro­nisch. ›Nun, und?‹ frag­te der el­säs­si­sche Jude, als du Til­let schwieg. ›Nun – bei mir lie­gen tau­send Ak­ti­en zu je tau­send Fran­ken, die Nu­cin­gen mir über­ge­ben hat, da­mit ich sie ihm un­ter­brin­ge, ver­ste­hen Sie?‹ ›Gut!‹ ›Kau­fen wir mit zehn oder zwan­zig Pro­zent Pro­vi­si­on für eine Mil­li­on Pa­pie­re des Hau­ses Nu­cin­gen; wir wer­den an die­ser Mil­li­on ein schö­nes Agio ge­win­nen, denn wir sind dann gleich­zei­tig Gläu­bi­ger und Schuld­ner; das wird eine gute Ver­wir­rung ge­ben! Aber wir müs­sen schlau vor­ge­hen, die Ak­ti­en­be­sit­zer könn­ten glau­ben, wir han­del­ten im In­ter­es­se Nu­cin­gens.‹ Wer­brust be­griff nun den Streich, der zu spie­len war, und drück­te du Til­let die Hand mit dem Blick ei­ner Frau, die ei­ner an­dern einen Scha­ber­nack spielt. ›Wis­sen Sie schon das Neues­te?‹ Mit die­ser Fra­ge trat Mar­tin Fal­leix an sie her­an. ›Das Haus Nu­cin­gen stellt sei­ne Zah­lun­gen ein!‹ ›Pah!‹ er­wi­der­te Wer­brust; ›das müs­sen Sie nicht her­u­mer­zäh­len, las­sen Sie die Leu­te, die sei­ne Pa­pie­re ha­ben, nur wei­ter­ma­chen!‹ ›Ken­nen Sie die Ur­sa­che des Zu­sam­men­bruchs?‹ frag­te Cla­paron da­zwi­schen­tre­tend. ›Du weißt ja gar nichts,‹ sag­te du Til­let zu ihm, ›es gibt nicht den ge­rings­ten Zu­sam­men­bruch, viel­mehr eine glat­te Zah­lung auf Hel­ler und Pfen­nig. Nu­cin­gen wird von vor­ne be­gin­nen und bei mir so vie­le Gel­der fin­den, als er be­darf. Ich ken­ne die Ur­sa­che der Zah­lungs­ein­stel­lung: er hat sei­ne gan­zen Bar­mit­tel zu­guns­ten Me­xi­kos ver­wen­det, das ihm Me­tall zu­rück­schickt, spa­ni­sche Ka­no­nen, die so schlecht ge­gos­sen sind, daß sich in der Mas­se Gold vor­fin­det, Uhren, Kir­chen­sil­ber, alle die Trüm­mer, wel­che die spa­ni­sche Zer­stö­rungs­wut in West­in­di­en ge­schaf­fen hat. Die Rück­sen­dung die­ser Wert­sa­chen ver­zö­gert sich. Der lie­be Baron ist in Ver­le­gen­heit, das ist al­les.‹ ›Es ist wahr,‹ sag­te Wer­brust, ›ich neh­me sei­ne Pa­pie­re mit zwan­zig Pro­zent Dis­kont.‹ Die Neu­ig­keit ver­brei­te­te sich nun schnell wie ein Feu­er im Stroh­schup­pen. Es ver­lau­te­ten die wi­der­spre­chends­ten Din­ge. Aber man hat­te in­fol­ge der zwei vor­an­ge­gan­ge­nen Li­qui­da­tio­nen ein sol­ches Ver­trau­en zum Hau­se Nu­cin­gen, daß je­der­mann die Pa­pie­re Nu­cin­gen be­hielt. ›Pal­ma muß uns in die Hand spie­len,‹ sag­te Wer­brust. Pal­ma war für die Fir­ma Kel­ler, die mit Nu­cin­gen-Pa­pie­ren voll­ge­pfropft war, eine Au­to­ri­tät. Ein Wort des Alarms von ihm ge­nüg­te. Wer­brust er­reich­te von Pal­ma die Zu­sa­ge, daß er die Sa­che an die große Glo­cke brin­gen wol­le. Am an­dern Mor­gen tob­te an der Bör­se der Alarm. Die Kel­ler ga­ben, dem Rate Pal­mas fol­gend, ihre Pa­pie­re mit zehn Pro­zent Nach­laß ab, und ih­nen folg­te die gan­ze Bör­se, denn man kann­te sie als sehr pfif­fig. Tail­le­fer gab dar­auf­hin drei­hun­dert­tau­send Fran­ken zu zwan­zig Pro­zent, Mar­tin Fal­leix zwei­hun­dert­tau­send zu fünf­zehn Pro­zent. Gi­gon­net er­riet den Streich! Er schür­te das Feu­er, um sich mit Nu­cin­gen-Pa­pie­ren zu ver­se­hen und zwei oder drei Pro­zent beim Wie­der­ver­kauf an Wer­brust zu ge­win­nen. Er er­blick­te in ei­nem Win­kel der Bör­se den ar­men Ma­ti­fat, der bei Nu­cin­gen drei­hun­dert­tau­send Fran­ken hat­te. Der zit­tern­de Dro­gist sah nicht ohne Er­blei­chen den schreck­li­chen Gi­gon­net, den Ban­kier aus sei­nem frü­he­ren Stadt­vier­tel, auf sich zu­kom­men: ›Es geht schlecht, die Kri­se zeigt sich an. Nu­cin­gen ist be­denk­lich! Aber das braucht Sie ja nicht zu küm­mern, Va­ter Ma­ti­fat, Sie ha­ben ja mit der­glei­chen nichts mehr zu tun.‹ ›Da täu­schen Sie sich, Gi­gon­net, ich bin mit drei­hun­dert­tau­send Fran­ken be­las­tet, mit de­nen ich auf spa­ni­sche Ren­ten rech­ne­te.‹ ›Sie sind ge­ret­tet; spa­ni­sche Ren­ten hät­ten Ih­nen al­les ver­nich­tet, wäh­rend ich Ih­nen für Ihre Nu­cin­gen-Pa­pie­re so etwa fünf­zig Pro­zent ge­ben wer­de.‹ ›Lie­ber möch­te ich die Li­qui­da­ti­on se­hen,‹ er­wi­der­te Ma­ti­fat. ›Hat je­mals ein Ban­kier nur fünf­zig vom Hun­dert ge­ge­ben! Ja, wenn es sich nur um zehn Pro­zent Ver­lust han­del­te,‹ sag­te der frü­he­re Dro­gist. ›Nun, ge­ben Sie sie zu fünf­zehn?‹ frag­te Gi­gon­net. ›Sie schei­nen es sehr drin­gend zu ha­ben!‹ sag­te Ma­ti­fat. ›Gu­ten Abend,‹ sag­te Gi­gon­net. ›Wol­len Sie sie zu zwölf?‹ ›Gut,‹ sag­te Gi­gon­net. Zwei Mil­lio­nen wur­den am sel­ben Abend von du Til­let zu­rück­ge­kauft und von ihm bei Nu­cin­gen aus­ge­gli­chen, auf Rech­nung der drei vom Zu­fall ge­won­ne­nen Ver­bün­de­ten, die am an­dern Tage ihr Agio ein­zo­gen. – Die alte hüb­sche klei­ne Baro­nin d’Ald­rig­ger saß mit ih­ren zwei Töch­tern und Go­de­fro­id beim Früh­stück, als Ras­ti­gnac kam und die Un­ter­hal­tung auf die fi­nan­zi­el­le Kri­se lenk­te. Der Baron Nu­cin­gen habe eine große Zu­nei­gung zur Fa­mi­lie d’Ald­rig­ger, er habe da­für Sor­ge ge­tra­gen, im Fall ei­nes Un­glücks das Kon­to der Baro­nin mit sei­nen bes­ten Wert­pa­pie­ren zu de­cken, mit Ak­ti­en der Blei­gru­ben; zu ih­rer ei­ge­nen Si­cher­heit aber müs­se die Baro­nin ihn er­su­chen, ihr Ver­mö­gen der­art an­zu­le­gen. ›Der arme Nu­cin­gen,‹ sag­te die Baro­nin, ›und was pas­siert ihm nun?‹ ›Er ist in Bel­gi­en; sei­ne Frau ver­langt die Gü­ter­tren­nung; aber er ist fort, um bei ei­ni­gen Bank­häu­sern Hil­fe zu su­chen.‹ ›Mein Gott, das er­in­nert mich an mei­nen ar­men Mann! Lie­ber Herr Ras­ti­gnac, wie weh muß Ih­nen das tun, der Sie dem Hau­se so eng ver­bun­den sind.‹ ›Vor­aus­ge­setzt, daß alle Miß­hel­lig­kei­ten


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