Wenn sie mich finden. Terri Blackstock

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Wenn sie mich finden - Terri Blackstock


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vergessen. Ich hatte ein Ziel: Ich war auf der Jagd nach dem vermutlichen Mörder meines Freundes.

      Und jetzt habe ich auch wieder ein Ziel.

      Ich stelle die Füße auf den Boden und stütze die Ellbogen auf die Knie. Warum macht der Gedanke daran, dass ich dieses Ziel geheim halten werde, alles nur noch bedrohlicher? Ich muss für mich behalten, was ich weiß, bis ich so viele Beweise habe, dass man sie nicht mehr unter den Teppich kehren kann. Ich muss die Paces belügen und das tue ich nicht gern. Sie haben viel durchgemacht und sie vertrauen mir, nicht nur als Ermittler, sondern auch als langjährigem Freund ihres Sohnes. Sie erwarten, dass ich seinen Mörder vor Gericht bringe.

      Und das werde ich. Nur ist die Person, die ich für ihr Geld suchen soll, eben nicht dieser Mörder.

      Und noch etwas gefällt mir nicht. Die Vorstellung, was es für das Polizeidezernat in Shreveport bedeuten wird, wo ich eines Tages gern arbeiten würde. Ich bewundere Cops, ich respektiere sie. Schon immer. Es gibt auf der Seite des Gesetzes gute Leute, ohne die mein Leben anders verlaufen wäre. Die Männer und Frauen, die auf die Schreie und Schüsse und Explosionen zulaufen, wenn alle anderen wegrennen. Es sind die korrupten, die denen das Leben schwer machen, die Mut und Integrität beweisen.

      Ich möchte der Shreveporter Polizei keine schlechte Arbeitsmoral unterstellen oder sie alle über einen Kamm scheren. Ich werde chirurgisch vorgehen und diejenigen entfernen, die in den Knast gehören, die, die den Ruf der Polizei schädigen, die, die gefährlich sind. Von diesen Leuten will ich die Polizei befreien. Sie sollen zum abschreckenden Beispiel für alle werden, die ihre Dienstausweise missbrauchen, um andere zu terrorisieren und zu erpressen. Und sie sollen für jeden einzelnen Messerstich in Brents Körper bezahlen, für jede Lüge, mit der sie diesen Mord vertuscht haben, für jeden Moment, in dem sie noch die Stars in ihrem eigenen Roman sind.

      Aber wer bin ich, dass ich das bewerkstelligen könnte? Ich bin ramponierte Ware. Ich kann mich ja nicht mal mehr auf meinen eigenen Kopf verlassen.

      Aber ich kann jetzt auch nicht mehr zurück. Caseys Leben hängt davon ab.

      Ich schließe die Augen und sehe die ihren, als wir Auge in Auge unter der Straßenlampe gestanden hatten. Sie waren unergründlich, voller Worte, die sie nicht aussprach, Worte, die ich zu gern gehört hätte. Ich hätte gern ihre Verletzungen verbunden, hätte gern ihr hübsches Gesicht betrachtet und den Frieden genossen, der mich erfüllt hat, einfach nur weil ich in ihrer Nähe war. Ich muss an die Worte denken, die sie mir von einer Mail-Adresse aus geschrieben hat, die sie nur für diesen Zweck eingerichtet hat – an eine Mail-Adresse, die ich ebenfalls nur für diesen Zweck eingerichtet hatte.

       In dieser Welt gibt es das wirklich Böse. Ich habe ihm ins Gesicht gesehen. Es wäre ein akzeptabler Preis, wenn ich mich für den Rest meines Lebens verstecken müsste, um diesem Bösen zu entkommen. Wenn es nur nicht so allgegenwärtig wäre …

      Und dann kam ihre Herausforderung.

       Haben Sie den Mut, das Böse aufzuspüren, das mich quält – selbst wenn das bedeutet, dass der Job, für den man Sie angeheuert hat, ebenfalls im Dienst dieses Bösen steht?

      Hier sind ein paar Namen. Keegan, Sy Rollins, die beiden auf jeden Fall. Sie sollten weder deren Freunden vertrauen noch Keegans Sohn. Keegan und Rollins sind nicht nur korrupt, sie sind brutal. Das Böse sitzt in der Abteilung Kapitalverbrechen und verkündet Urteile über Leute wie mich.

      Ich gehe zurück in die Wohnung und hole den Computer aus der Tasche. Ich fahre ihn hoch und gucke in meine Mails, um zu sehen, ob sie vielleicht Kontakt aufgenommen hat. Es gibt nichts Neues, also lese ich noch einmal die Nachrichten, die sie bisher geschrieben hat.

      Es tut mir weh, dass Casey Gott nicht kennt und sich nicht an ihn wenden kann. Ich würde es ihr wünschen. Einsamkeit ist eine Last, die zu schwer ist für einen allein. Jesus hat nie versprochen, dass er seinen Leuten jede Last abnehmen würde. Aber er hat versprochen, beim Tragen zu helfen.

      Ich lege mich auf die Couch, starre an die fleckigen Deckenkacheln und bete für sie. Sie muss ja nicht glauben, damit Gott sie beschützt. Während ich bete, spüre ich, dass sie Gott am Herzen liegt. Er sieht in ihr, was auch ich sehe.

      Ob sie noch unterwegs ist? Ich hoffe, sie hat inzwischen das Auto gewechselt, bevor sie Keegans Fahndungsaufruf zum Opfer fallen kann. Vielleicht hat sie ja ein sicheres Plätzchen zum Schlafen gefunden. Und hoffentlich hat sie noch genug Bargeld, um sich durchzuschlagen.

      Ich werde sie wiederfinden, das weiß ich. Und dann kann ich hoffentlich dafür sorgen, dass sie unbehelligt zurückkommen kann, um diejenigen Lügen zu strafen, die sie verdächtigen.

      3

      Casey

      Ich wusste, dass ich irgendwann gezwungen sein würde, schnell abzuhauen. Deshalb habe ich vor ein paar Wochen das Nötigste an Gepäck im Auto verstaut, darunter drei verschiedene Haarfarben – schwarz, rot und platinblond –, eine Schere, ein paar Baseballkappen, mein Bargeld und ein paar Klamotten. Ich wusste, wenn sie mich finden, würde ich nicht mehr zurück in die Wohnung können. Ich würde auf der Stelle verschwinden müssen.

      Gott sei Dank war ich gewarnt, dass sie mir auf der Spur waren.

      In der Nasszelle meines Motelzimmers fehlen Fliesen über der Duschwanne, der Rigips dahinter ist verschimmelt. Der Vinylfußboden wellt sich unter der Kommode; auch darunter schimmelt es.

      Ich stehe vor dem Spiegel und versuche zu entscheiden, wer ich diesmal sein will. Von Natur aus bin ich blond. Aber in den letzten Wochen war ich eine Brünette.

      Zuerst stutze ich mir den Pony. Der Rest kommt später. Für Shady Grove habe ich mir das Haar schon auf Kinnlänge abgeschnitten und inzwischen gibt es sicher Bilder von mir mit braunem Haar. Ich könnte es noch kürzer schneiden, aber das wäre doch zu vorhersehbar. Und wenn es erst einmal ab ist, gibt es kein Zurück. Ich schneide den Pony so, dass er mir noch in die Augen hängt, etwas, woran ich mich erst gewöhnen muss. Meine Augen sind am schwersten zu tarnen; sie sind außergewöhnlich groß und mandelförmig. In Shady Grove habe ich sie nie geschminkt, weil das Polizeifoto, das sie von mir haben, mich mit Augen-Make-up zeigt. Ich weiß nicht, was ich diesmal tun soll. Ich muss wirklich völlig anders aussehen – nicht nur wie Version zwei oder drei von mir selbst. In Shady Grove habe ich darauf geachtet, dass mich niemand fotografiert, aber natürlich haben sie die Aufnahmen aus den Überwachungskameras, die mich gefilmt haben. Trotzdem könnte es gut sein, dass es kein erkennbares Bild von mir mit braunen Haaren gibt. Sie werden das blonde verwenden.

      Ich färbe mir das Haar schwarz, dann dusche ich, um die Farbe auszuspülen. Ich gefalle mir nicht. Meine Haut ist die einer Blonden. Aber nun ist es passiert. Als die Haare trocken sind, bin ich eine andere geworden. Wenn ich die Augen dunkel und verraucht schminke und die Mandelform mit reichlich Eyeliner kaschiere, könnte das den Gesamteindruck stark verändern. Und wenn die Schwellung am Kinn abgeklungen ist und ich die Schrammen im Gesicht mit Make-up überdecke, ziehe ich vielleicht keine neugierigen Blicke auf mich.

      Ich spüle die abgeschnittenen Haare fort, dann föhne ich mich und schneide das Haar noch etwas kürzer.

      Das Bemühen, einen akzeptablen Schnitt hinzukriegen, treibt mir die Tränen in die Augen. Hinten soll es etwas kürzer sein, oben verwuschelt und kraus. Ich weiß nicht, warum ich um ein paar verlorene Haare weine, wo ich doch über ein verlorenes Leben weinen könnte, aber ich kann mir nicht helfen.

      Als ich alles getan habe, was mir einfällt, um mein Äußeres zu verändern, stelle ich den Wecker neben das Bett. Er soll mich in zwei Stunden wecken. Ich muss mein Auto loswerden, bevor es Tag wird. Nachdem ich meine Tränen getrocknet habe, sinke ich rasch in einen tiefen Schlaf.

      Ich träume, dass jemand nach mir tritt und zum Schlag ausholt, ich spüre stechenden Schmerz … dann verwandelt sich die Gestalt in den toten Körper von Brent … dann in den meines Vaters …

      Als der Wecker klingelt, schrecke ich auf. Wo bin ich? Ich zittere, meine Haut glänzt von Schweiß, aber ich erinnere mich, dass ich


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